23 | Zuwachs zu unserer Schafherde

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Ich lief hinter Mason und Cassy den Flur entlang hinunter zu dem Speisesaal. Es kam mir vor wie ein Ritual, bei dem die Schafsherde zusammengepfercht wurde. Es zog uns doch immer und immer wieder hierher. Drei Mal täglich.

Wir liefen die große Treppe hinunter und ich musste an den Tag denken, an dem ich hier angekommen war. Damals konnte ich Mason nicht einmal anschauen. Und nun? Nun verbrachte ich mit ihm und meiner Mitbewohnerin so viel Zeit, wie ich es mir zuvor nicht hätte erträumen können. Der Fortschritt hatte sich langsam eingeschlichen. Doch nun, da ich darüber nachdachte, war er so offensichtlich, wie das wir Menschen Sauerstoff zum Atmen brauchten.

Ich trank gierig einen Becher Wasser, während Cassy kritisch ihren Teller mit Nudeln betrachtete.

„Was ist das da? Warum ist das grün?", murrte sie und beäugte die Portion Nudeln, als wäre sie eine fremde Lebensform.

„Das ist Basilikum", belehrte Mason sie, „der war schon immer hier in der Tomatensauce."

„Das kann nicht sein", entgegnete Cassy, vehement ihren Kopf schüttelnd und verschränkte dann ihre Arme vor ihrer Brust, nachdem sie sich gegen die Stuhllehne zurückgelehnt hatte.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich den Becher wieder abstellte und dann begann, meine Nudeln zu essen. Ich war innerlich total aufgewühlt. Eine penetrante Unruhe hatte von meinem Körper Besitz ergriffen und ließ meine Gedanken unaufhörlich kreisen. Nämlich wegen meiner anstehenden Freizeitaktivität. Obwohl Cassy gesagt hatte, dass ich wahrscheinlich auf Fay bei dem Tanzen treffen würde, war mir trotzdem ganz mulmig. Ich wusste weder wie hoch das Level hier war, noch wie eingespielt die Gruppe war. Aber Fay war mir bisher sehr aufgeschlossen erschienen, weshalb ich nicht glaubte, dass sie mich einfach so dumm irgendwo rumstehen lassen würde. Aber man konnte nun einmal nicht in Menschen hineinschauen.

„Nein, also irgendwie schmeckt das heute nicht", behauptete Cassy und schob den Teller etwas von sich weg.

Mason seufzte: „Willst du tauschen?"

Er hatte keine Tomatensauce, sondern Carbonara genommen. Cassy nahm das Angebot freudestrahlend an und mampfte sofort drauf los, während Mason kopfschüttelnd den Teller seiner besten Freundin zu sich herüberzog.

Ich selbst aß einen Löffel voll Nudeln und ließ meinen Blick durch den Saal schweifen, in der Hoffnung, dass mich etwas von meiner inneren Unruhe ablenken würde. Und tatsächlich war dem so, als mein Blick an Kaden hängen blieb. Er stand neben der Essensausgabe und sein neutraler Blick huschte über die versammelten Menschen, bis sein Blick den meinen fand.  Hatte er eventuell tatsächlich nach mir gesucht?

Ich lächelte leicht, es war sogar vielleicht kaum merklich, doch sogar von hier aus sah ich, wie seine Augen etwas auftauten. Am liebsten würde ich meinen Arm in die Luft heben und herumwedeln, dass er sofort hierherkommen sollte. Aber das tat ich nicht. Ich konnte nur hoffen, dass er wusste, dass mein Angebot galt, dass er hierherkommen und sich zu uns setzen könnte.

Und dann setzte sich sein Körper in Bewegung.

„Warum kommt der Neue auf unseren Tisch zu?", fragte Cassy misstrauisch, während sich noch ein Bissen halbgekauter Nudeln in ihrem Mund befand.

Dieses Verhalten wurde von Mason mit einem angewiderten Blick quittiert und er schlug ihr leicht von unten gegen ihr Kinn, damit sie etwas Würde behielt, während ich schnell einen Schluck Wasser aus dem Becher trank, da meine Kehle plötzlich wie ausgetrocknet war.

„Ich habe ihm angeboten, sich zu uns zu setzen", brachte ich hervor und kaute nervös auf meiner Unterlippe herum, „ich hoffe, dass das kein Problem ist, aber wir sind eh immer nur zu Dritt hier und er hat niemanden."

Über das redenswerte SchweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt