19 | Auf der Suche

32 2 0
                                    



Ich saß schweigend auf meinem Bett und lehnte mit dem Rücken gegen die Wand. Cassy wirbelte in dem Zimmer umher und schmiss reihenweise Klamotten auf ihr Bett, ihren Stuhl und die Bodenfläche um ihr Bett herum. Gerade stopfte sie ihre widerspenstigen Haare in einen Zopf, als es an der Tür klopfte.

Hüpfend bewegte sie sich auf die Zimmertür um, welche sie dann aufriss: „Mason. Warum musst du eigentlich immer so verdammt pünktlich sein?"

Mein Kopf drehte sich mechanisch zu der Tür und mein Blick fiel auf Mason, welcher in dem Türrahmen stand.

„Vielleicht damit wir mal pünktlich sind?", erwiderte er und trat hinter Cassy in unser Zimmer, während meine Mitbewohnerin weiterhin hektisch hin und herlief, um Sachen in ihre Tasche zu schmeißen.

Als also eine wirbelnde Cassy durch den Raum hetzte, stand Mason weiterhin lässig mit verschränkten Armen in dem Türrahmen und beobachtete das Geschehen. Ich drehte meinen Kopf wieder von den Beiden weg und starrte auf die mir gegenüber liegende Wand.

Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf und ließen mich nicht in Ruhe. Nachdem der Unterricht wieder angefangen hatte und ich mich wieder an meinen Platz hatte setzen müssen, hatte zugleich auch wieder das einvernehmliche Schweigen zwischen Kaden und mir geherrscht. Mein Blick war immer und immer wieder zu seiner verarzteten Hand geglitten, ohne dass ich es hätte verhindern können.

Ich fühlte mich schuldig. Und ausgeliefert. Ich wollte immer diese neutrale Maske aufrechterhalten, um einfach keine Angriffsfläche zu bieten. Natürlich blieb dabei Vieles auf der Strecke liegen, denn ich baute eine Mauer um mich herum auf und ich fürchtete mich, wenn sie jemand einzubrechen drohte. Denn warum sollte mich schon jemand kennenlernen wollen? Bei dem näheren Betrachten war ich doch einfach nur eine schweigsame Person, die Langweile ausstrahlte, kaum dass der Effekt des Neulings verflogen war.

„Und, was hast du gleich vor?", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und mein Kopf drehte sich erneut automatisch Richtung Mason, welcher mir soeben die Frage gestellt hatte.

„Ich weiß nicht", antwortete ich ehrlich und zuckte seufzend mit meinen Schultern.

Ich wusste wirklich nicht, was ich machen sollte. Vielleicht einfach nur in dem Zimmer sitzen und für einige Zeit die Ruhe genießen, welche sich mir bat, um über das zuletzt Geschehen zu reflektieren.

Ich blickte kurz aus dem Fenster und betrachtete die Bäume, deren Blätter sanft in dem Wind raschelten: „Vielleicht gehe ich auch etwas raus."

„Fertig!", schrie in diesem Moment Cassy und schmiss sich eine schwarze Sporttasche über ihre Schultern, „lass uns gehen. Worauf wartest du denn? Sonst sind wir wegen dir zu spät!"

Mit diesen Worten packte sie Mason an den Schultern und drehte ihn kraftvoll um, während dieser seinen Kopf schüttelte und sich dann über die Schulter zu mir umsah: „Ciao, Jo! Wir sehen uns später."

Und mit diesen Worten schepperte die Tür hinter den Beiden in ihr Schloss.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und schloss für meine Augen, um für einen Moment einfach nur an Nichts zu denken. Manch einer mochte die Stille erdrückend finden, doch mir schenkte sie Geborgenheit. Ich saß für ein paar Minuten einfach nur da. Ich hörte gedämpft das Vogelgezwitscher von draußen, wie lachend Leute über das Gelände liefen und wie ab und zu einzelne Menschen laut trampeln durch den Flur rannten.

Ich zückte mein Handy und drückte die Kurzwahltaste, unter welcher ich meine Heimnummer abgespeichert hatte. Ein paar Mal tutete es, dann ertönte ein leichtes Knacken, was mir sagte, dass der Hörer soeben abgenommen worden sein musste.

Über das redenswerte SchweigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt