1.Kapitel

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Ein leises Klopfen durchbrach die Stille.
Das Öffnen der Bunkertür brachte Dean dazu, seinen Kopf zu heben und den Schritten zu lauschen, die sich schon im nächsten Moment mühsam die Treppe herunterquälten.
Sam kam gerade mit zwei Bierflaschen aus der Küche und stellte sie geräuschvoll auf den hellbraunen Holztisch, der sich durch den Taktikraum des unterirdischen Komplexes zog.
„Cass, schön, dich auch mal wieder zu sehen!", rief Dean dem Engel zu, der gerade an der Tischreihe angekommen war und sich schwerfällig auf einen der Stühle setzte.
„Ich war nur beim Einkaufen, Dean. So lange kann das gar nicht her sein, dass wir uns gesehen haben."
„Hast du alles, was auf der Liste war?", fragte der jüngere Winchester, der sich mittlerweile seinem Bruder gegenüber niedergelassen hatte und weiter in den Zeitungen blätterte, die er davor auf seinem Stuhl platziert hatte.
„Salz, Patronen, Bier, Weihwasser..."
„Du musst nicht alles aufzählen, ein einfaches Ja hätte auch gereicht", fiel Dean dem Älteren ins Wort, der augenblicklich aufhörte zu reden und anfing, in einer der mitgeschleppten Taschen zu wühlen.
„...und deinen Kuchen", beendete er schließlich seinen vorhin angefangenen Satz und legte dabei einen braungebrannten, noch eingepackten Kuchen vor Deans Nase auf den Tisch.
Entschuldigend sah Dean den Engel an und fing sprachlos an, das Gebäck auszupacken, wobei ihn noch ein kleines "Dankeschön" entging, bevor er sich eine Gabel nach der anderen in den Mund schaufelte. Sam schaffte es nicht, ein unauffälliges Augenrollen in Bezug auf seinen Bruder zu verstecken und sogleich widmete er sich wieder Cass, der gerade wieder anfing zu reden.
„Konntet ihr schon einen neuen Fall finden?" Er räumte gerade wieder einmal in den Einkaufstaschen herum, die schon, seit er hereingekommen war, unauffällig an eine der Säulen lehnten, die sich durch den Bunker zogen.
„Nein, wir suchen noch. Hast du die neue Zeitung?"
Sam wurde immer wieder von dem Nuscheln seines älteren Bruders unterbrochen, aber dies ignorierte er gekonnt, da er es 1. nicht zu verstehen vermochte und es 2. wahrscheinlich auch nur irgendwelche dummen und nichtsnutzigen Aussagen waren, die sie gerade eh nicht gebrauchen konnten.
Wie auf den Punkt genau hielt Cass ihm die Zeitung hin, die an einigen Stellen Wassertropfen des derzeitigen Regens abbekommen hatte und sich an den Ecken schon anfing aufzulösen.
Müde überflog der Winchester die Titel und hoffte, dabei etwas Auffälliges zu finden, das ihm mühelos in die Augen springen würde.
So sehr er der Müdigkeit auch zu widerstehen versuchte, konnte er sich das Gähnen, das schon im nächsten Moment seiner Kehle entging, nicht verkneifen
„Du solltest ins Bett gehen, Sammy", kam es auch schon im nächsten Moment von seinem Bruder, der die Mahlzeit schon fast beendet hatte und sich einen kurzen Schluck des Alkoholgetränkes, das sich vor ihm auf dem Tisch befand, den Hals hinunterspülte.
„Ich kann die Recherche für dich übernehmen. Ein bisschen Schlaf tut dir bestimmt gut", bot Castiel aufmerksam an, nachdem er die Widerworte im Gesicht des Jüngeren bemerkt hatte.
„Juhu, das wird ein Dean-Cass-Recherche-Abenteuer!", antwortete Dean sarkastisch mit Vorfreude, als sein Bruder sich nochmal kurz zu ihnen umsah, bevor er auch schon in dem Flur treten wollte, der ihn langsam, aber sicher zu seinem Schlafzimmer tragen würde.
Die Suche nahm für Dean kein Ende. Immer weiter wühlte er sich durch die News-Seiten sämtlicher Staaten und Städte in der Hoffnung, etwas zu finden.
Die Zeitungen überließ er normalerweise seinem Bruder, da er bei Printmedien sowieso kaum die Augen offen halten konnte. Sollte er sich doch damit herumschlangen, wenn er eh besser damit zurechtkam.
Cass übernahm die Sams Schicht und hatte deshalb das Vergnügen mit den Zeitungsartikeln und anderem gedruckten Arten der Mitteilung.
Dean traute dem Engel sowieso nicht zu, sich mit den digitalen Webseiten seines Computers auseinanderzusetzen, da er sich an die Anfänge mit seinem Handy klar und deutlich erinnerte und da der Engel dem Computer immer noch nicht richtig zu trauen schien.
Dean sah für einen kurzen Moment vom Bildschirm seines Laptops auf, um zu verhindern, dass die Hand, die er nach der Bierflasche streckte, das Gerät durch einen Unfall in einen nutzlosen Haufen Schrott verwandeln würde.
Nur zu gut konnte er sich erinnern, wie sein Bruder ihn zur Weißglut getrieben hatte bei der Suche nach einem neuen Computer, als er den letzten in einer halben Flasche Whiskey ertränkt hatte.
Stunden vergingen. Sie vergingen nicht wie im Flug. Nein, ganz im Gegenteil. Sie zogen sich langsam wie Kaugummi am Zifferblatt der Uhr vorbei.
Schon die vierte Flasche sammelte sich am Tisch und schon bald wurde die Sicht des Jägers unklar und schummrig, was nicht nur an dessen Alkoholkonsum lag.
Es war beinahe unmöglich für den Menschen noch die Augen aufzuhalten und nicht in den Buchstaben zu versinken, die sein Gehirn kaum noch in der Lage war, richtig zusammenzusetzen.
Schwer fiel ihm der Kopf auf die Seite seiner Schulter und schon im nächsten Augenblick vernahm der ihm gegenübersitzende Engel das Schnarchen seines Sitznachbarn.
Lautlos betrat Castiel wieder das Zimmer und setzte sich zurück an den Haufen Zeitungsartikeln, die die Oberfläche des Tisches bedeckten.
Dean hatte er unter geringer Anstrengung in sein Bett verfrachtet, wo dieser immer noch friedlich vor sich hindöste, da ihn der Weg zum Bett nicht von seinen Träumen hatte abbringen können.
Der Jäger war so betrunken und müde gewesen, dass ihn wahrscheinlich nur ein Notfall hätte wecken können.
Der Inhalt dieses Notfalls wäre entweder ein Haufen Monster oder frisches Frühstück gewesen.
Castiel las sich noch immer die Artikel der neuen, von ihm gebrachten Zeitung durch.
Es war drei Uhr nachts und der Engel wusste ja sonst nichts mit seiner Zeit anzufangen.
Stille umhüllte den Raum wie eine Dunstwolke und nur das Ticken einer Uhr, die wahrscheinlich in einem der vielen Gänge hing, war zu hören.
Leise durchfuhr sein Blick jedes einzelne Wort, so aufmerksam, wie es kein Mensch um diese Uhrzeit noch hätte sein können.
Seine Augen blieben an einem kleinen Wort hängen. Leiche. Eine Tote, gefunden in der Nähe eines kleinen Sees, der sich Coral Lake nennt.
In der Nähe eines Kleinen Kuhkaffs, wie Cass es mit Deans Worten nennen würde.
(Auch wenn er bereits gelernt hatte, dass die Stadt nicht unbedingt was mit Kühen zu tun haben musste.)
Coral. Ein kleines Dorf, das nach dem See benannt wurde, nicht wie es normalerweise war andersrum, war wahrscheinlich die Darstellung des Wortes trostlos, was den Tourismus dort anging.
Cass' Menschenkenntnisse waren durchaus begrenzt und doch hatte sogar er beim Lesen der anderen ortsanliegenden Nachrichten mitgekriegt, dass das Schlimmste, das dort in den letzten 20 Jahren passiert war - ein kleiner Raubüberfall, der aus der Entwendung eines Sixerpacks Bier und drei Zigarettenschachteln bestand - keinenfalls etwas Erwähnenswertes war.
Gleich morgen würde er den Winchesters von seiner Recherche erzählen, um ihre Meinung einzuholen.

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