19.Kapitel

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Es war kurz nach Mittag und die Sonne schien noch durch das Appartement.
Kim tigerte in ihrem nicht allzu großen Wohnzimmer auf und ab und wühlte in ihrem Bücherregal herum.
„Irgendwo muss es doch sein", murmelte sie, mehr zu sich selbst.
Cass stand unsicher neben dem Sofa, wo Dean ihn zurückgelassen hatte, und beobachtete die junge Hexe.
„Wo hattest du es denn zuletzt?", fragte er hilfegebend.
„Ich hatte es genau hier...Aber da ist es nicht mehr."
Sie zog jedes Buch an der oberen Ecke leicht heraus, um den Titel lesen zu können, und schob es dann kopfschüttelnd wieder zurück, als hätte sie es nie angefasst.
Verzweifelt setzte sie sich auf die Couch und lehnte ihren Kopf auf die Lehne.
„Wenn ich es nicht finde, dann können wir den Zauber nicht machen."
Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, aber sie wusste genau, dass sie es dort hingelegt hatte.
„Ich weiß, ich soll dir helfen, aber ich glaube nicht, dass ich das kann, wenn ich nicht einmal weiß, was genau wir eigentlich suchen."
Castiel setzte sich neben sie.
„Naja, das ist so ein Buch, aber eigentlich brauchen wir so ein Blütenblatt, das drin ist."
Sie richtete sich wieder gerade auf und zeigte ihm eine ungefähre Länge.
„Etwa so groß und knallblau."
Verzweifelt schaute sie sich erneut noch einmal danach um.
„Ich bin mir sicher, dass ich es nicht verloren habe. Mit meinen Hexensachen verlasse ich normalerweise nicht meine Wohnung."
Cass hörte ihr zu und dachte nach, wie sie das gesuchte Buch denn besser finden konnten.
„Vielleicht sollten wir noch in den anderen Zim..."
Er wurde unterbroche,n als Kim ruckartig aufsprang und übers Gesicht strahlte.
„Natürlich, jetzt weiß ich wieder, wo ich das verdamte Ding hingetan habe."
Kurzerhand griff sie in die Couchritze und holte ein kleines Heft heraus, welches Castiel als Französisch-Vokabelheft identifizieren konnte.
„Ich hab vor ein paar Monaten gelernt, dass die meisten Sachen, die ich im Wohnzimmer verliere, meistens in der Couch verloren gehen. Was soll ich sagen, sie ist quasi mein zweites Bett... Ach, wie oft bin ich hier schon beim Lernen eingeschlafen."
Der letzte Satz war eher an sich selbst gerichtet und ließ sie genießerisch einen Blick in die Vergangenheit werfen.
Sie drückte ihm das blaue Buch in die Hand und verschwand in der Küche.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sie nach metallischem Klimpern und Scheppern wieder zurückkam.
Jede Menge Schüsseln brachte sie mit und stellte sie geräuschvoll auf den Tisch.
„Gut, wir brauchen jede Menge Kräuter, eine Rabenfeder und eine Adlerfeder, ein paar Knochen und ein paar Tropfen Blut."
Sie las weiter im Zauberbuch, das sie zuvor schon einmal aufgeschlagen hatte, diesmal jedoch nicht laut, sodass Cass nur raten konnte, was dort stand.
„Wie viele Sprachen kannst du? Ich kann Spanisch, Französisch, Russisch und ein bisschen Mandarin."
Die Frage war an Castiel gerichtet, der ein paar Momente darüber nachdachte, was er denn jetzt eigentlich sagen sollte.
„Die Verbreitetsten."
Er wollte der Studentin für heute nicht noch mehr Kopfzerbrechen bereiten, wenn er gesagt hätte, dass er eigentlich jede Sprache sprechen könne, die die Menschen in Laufe der Jahrhunderte erfunden hatten.
Kim hob nachdenklich eine Augenbraue.
„Ok..."
Ganz sicher war sie sich noch nicht, was sie von ihm halten sollte.
„Der Zauberspruch ist in mehrere Verse eingeteilt, welche sich alle auf verschiedene Teile der Welt konzentrieren. Hauptsächlich sind es Kontinente, aber auch teilweise schon lange ausgestorbene Sprachen. Ein bisschen Latein, ein bisschen Elamisch und auch Ägyptisch kommt vor."
Demotiviert sprach sie zu Ende und rieb sich die Schläfen.
„Die ausgestorbenen Sprachen kann ich übernehmen, wenn du willst.", bot Cass an.
Müde nickte sie und suchte unsicher die Zutaten zusammen.
„Johannisbeeren, Ringelblumen, Safran und ein bisschen Kiefernöl."
Sie stellte die Zutaten auf den Tisch, gleich neben eine kleinere Metallschüssel, die in ihrem Rand das Licht der Sonne spiegelte, welches durch das Fenster auf sie viel.
„Kiefernöl und das Harz kannst du miteinander vermischen."
Sie drückte ihm die beiden Pflanzenprodukte in die Hand und verschwand zu ihrem Bücherregal.
Cass setzte sich auf einen der Stühle und fing an, die beiden Zutaten zu vermengen.
Das Harz verklebte sich mit dem Rührlöffel und das Öl schien das Vermischen nur um einen Bruchteil zu erleichtern.
Das Gemisch roch angenehm nach Wald und nasser Erde.
Kim schlug tatkräftig eine Weltkarte auf dem Tisch auf.
Obwohl sie zuvor doch relativ unmotiviert gewesen war, hatte sie ihren Ehrgeiz zurückerobert.
Ein schwerer Zauber würde sie ja wohl nicht von ihrem Erfolg abbringen.
Die Karte, welche sie vor ein paar Sekunden erst auf den Tisch gedonnert hatte, war alt. Nicht im Sinn, den man von Hexen normalerweise erwarten würde. Nein, sie war alt im normalen Sinne, wie jeder Durchschnittsbewohner das Wort benutzte.
Ein Jahrzehnt vielleicht, nicht mehr, aber dieses sah man ihr ganz deutlich an.
Ein paar Kaffeetassenabdrücke zierten ihre Ecken und dem Gelbstich hatte sie auch nicht entkommen können. Ihr Zentrum hatte bereits nadelkleine Einstiche, die wohl von Pinnwandsteckern oder ähnlichem zu sein schienen.
„Ich werde den Safran und die Ringelblumen klein schneiden und du kümmerst dich um die Creme. Sie sollte fertig sein, wenn sie die Konsistenz von Honig hat."
Sie holte ein kleines, metallenes Messer heraus und schnitt die Kräuter klein, sodass sie aussahen wie Gewürze.
Kim gab sich die allergrößte Mühe, die Kräuter zu etwas Pastenähnlichem zu machen und Castiel rührte schweigend in dem Harzgemisch hin und her.
Ein peinliche Stille hatte sich ausgebreitet und drückte Kim unsicher die Kehle zu, als sie verzweifelt über ein Gesprächsthema nachdachte.
Sie würde noch ein paar Stunden mit ihm verbringen müssen und hatte keinenfalls große Lust, von so einem miesen Gefühl erdrückt zu werden.
Anderseits hatte ihr der FBI-Agent noch vor etwas über einer Stunde ein Messer an die Kehle gehalten und sie begann, sich die Frage zu stellen, ob sie sich denn überhaupt mit ihm unterhalten sollte oder ob peinliche Stille nicht die bessere Wahl wäre.
Kurz bevor sie auf diesen Gedanken gekommen war, hatte sie bereits eine Frage im Kopf, die sie auch sofort gedankenlos in den Raum warf, ohne dass sie sich endgültig dazu entschieden hatte, ein Gespräch anzufangen.
„Wie heißt du eigentlich?"
Es dauerte ein paar Momente, bis ihr klar wurde, dass sie etwas gesagt hatte.
Einen Augenblick hätte sie sich für die Frage hauen können.
Aber wie ihr schnell bewusst wurde, war es wohl besser, als den Fremden immer nur mit Agent Decker anzusprechen.

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