14 Stunden zuvor.
22 Uhr 30. Donnerstag.
Mit stürmischen Schritten schlug er die Glastür auf. Draußen war es dunkel geworden und nur die Straßenlaternen erhellten die Parkanlage des Colleges. Die Tür fiel federleicht und fast geräuschlos wieder ins Schloss.
Der Mann war etwa 50 Jahre alt, seine Haarspitzen waren schon grau und er trug eine braune Jacke über seinem Hemd.
Er hatte eine dunkelbraune, ledrige Tasche dabei, in der wohl noch immer die unkontrollierten Englischaufsätze seiner Schüler lagerten und vor sich hin staubten. Ein silbrig glänzendes Namensschild war an der Tasche angebracht, um bei den Professoren keine Verwechslungen zu verursachen.
David Samuel.
Er hatte sich bereits heute auf das Abendessen mit seiner Familie gefreut und doch hatte er anrufen müssen, um ihnen abzusagen.
Er stellte die Tasche auf den mit Steinplatten verkleideten Boden. Vorsichtig nahm er seine Brille ab, um sich seine müden Augen zu reiben.
„Ich werde zu alt dafür", raunte er kaum hörbar. Mr. Samuel fuhr sich durch seine Haare. Er würde jetzt nichts lieber tun, als einfach nur die letzten paar Stunden, die ihm noch blieben, bis es wieder Morgen war und er sich erneut an die Arbeit machen musste, mit seiner Familie und vielleicht sogar ein bisschen Schlafen verbringen.
Sollte er die Arbeiten nicht morgen wieder rausgeben, würden seine Schüler ihn wahrscheinlich umbringen.
Ein leises Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
Hätte er sich vor 30 Jahren, als er noch ein junger Student gewesen war, so gestresst gesehen, hätte er seine Jobauswahl sicherlich noch einmal überdacht. Ein Rascheln zog ihn aus seinen Gedanken und brachte wieder sein eigentliches Ziel in den Vordergrund.
Er trat an die Fahrertür und wollte aufschließen und losfahren, um seiner Tochter noch eine Gutenachtgeschichte vorlesen zu können und anschließend vor dem Fernseher einzuschlafen.
Erneut setzte er sich seine Brille, die er bis dahin noch immer in den Händen gehalten hatte, wieder auf. Das Rascheln hatte ihn nicht aus dem Konzept gebracht. Er hatte sich nicht einmal danach umgedreht.
Streunende Tiere waren in Coral keinesfalls eine Seltenheit, da die Stadt an den Wald grenzte. Gerade, als er die Tür aufschließen wollte, fielen ihm die Schlüssel unters Auto.
„Fuck!", murmelte er.
Eigentlich hatte er aufgehört, Schimpfwörter zu benutzen, aber ab und zu fanden sie dann doch einen Weg in seine Gedanken.
Er bückte sich, um seinen Autoschlüssel aufzuheben, und richtete sich danach wieder auf.
„Zweiter Anlauf!", dachte er.
Die Straßenlaterne über seinem Kopf flackerte und das Rascheln hatte aufgehört.
„Hallo, Professor", hörte er jemanden neben sich sagen. Ruckartig drehte er sich um.
„Oh... Sie sind es... Sie haben mich erschreckt", antwortete er und wandte sich der Person, welche ihn gerade angesprochen hatte, zu. Eine seiner Augenbrauen hob sich nachdenklich. „Was machen Sie hier? Sollten Sie nicht schon längst zuhause sein? Sie..." Weiter kam er nicht. Ungläubig riss er seine Augen auf, gefror in einer plötzlichen Schockstarre, als es ihm unmöglich erschien, die Veränderung der Person zu verarbeiten. Er wollte rennen, doch weder seine Beine noch sein klarer Verstand schienen zu realisieren, in welcher Lage er sich gerade befand.
Das Tier rannte mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf ihn zu und ihm nächsten Moment spürte er, wie dessen scharfe Krallen durch seine Kleidung und seine Haut schnitten. Schmerzerfüllt taumelte er zurück und stürzte auf den harten Boden unter ihm. Sein Kopf dröhnte, doch ein erneutes Mal versuchte er, sich zu bewegen, als er das Wesen sah. Diesmal war es die Verletzung, die ihn hinderte, sich zu bewegen.
Er hörte, wie sein Herz hämmerte und das Blut in seinen Ohren rauschte. Blut tropfte von den Händen des plötzlichen Angreifers, welcher seine Tat zu genießen schien. Der Professor konnte seine Augen kaum noch offenhalten, versuchte, Blickkontakt mit dem befremdlichen Wesen zu halten, als es ein erneutes Mal zu ihm kam und sich über ihn beugte. Ein Schmerz, wie er ihn zuvor nicht gekannt hatte, fuhr durch seinen ganzen Körper. Seine Brust fühlte sich an, als würde sie auseinandergerissen werden. Das Tier schien zu grinsen und in dessen Augen schien er etwas fast schon Menschliches zu sehen, das ihm neugierig entgegenfunkelte. Es drückte ihm mit all der Kraft, die es hatte, die Krallen in den Brustkorb. Unter all dem Schmerz wollte er schreien, doch seine Stimmbänder schienen keinen Laut zu erzeugen. Mit einem Schlag war all der Druck weg und das Wesen stellte sich wieder auf. Ein letztes Mal sammelte der Mensch all seine Kraft, um seinen Angreifer vom Boden herab anzuschauen und erkannte, wie der Arm des Wesens in Blut getunkt war. Seine Atmung wurde schwächer und Stück für Stück verließ in die Kraft, mit der er sich am Leben hielt.
Eine Blutlache hatte sich gebildet und tränkte seine Kleidung in ein tiefes Rot. Alle Anspannung verließ seinen Körper und mit einem Mal schien der Schmerz wie davongeblasen zu sein. Sein Blick war nach oben in den Himmel gerichtet, an dem die Sterne, unberührt von all dem Leid, vor sich hin leuchteten.
Ein letzter Atemzug verließ seine Lungen und kondensierte in der kalten Abendluft, die doch so ruhig zu seien schien, wie immer. Seine Brille lag zersplittert am Boden und Blutspritzer zierten sein silbernes Auto.
Hätte man dem Professor gesagt, wie sein Tag heute enden würde, hätte er gelacht und schmunzelnd den Kopf geschüttelt, aber insgeheim hätte er sich doch Gedanken gemacht.
Obwohl er Mathe und Englisch lehrte, die beiden Fächer, die er selbst immer gehasst hatte, empfand er es als so unglaublich entspannend, seinen Schülern zu helfen.
Hätte man ihm vor 30 Jahren gesagt, wie es enden würde, hätte er wahrscheinlich trotzdem mit seiner Ausbildung weitergemacht, wohl wissend, dass er vielen Menschen das Lernen erleichterte.
DU LIEST GERADE
Verträge und Versprechen
RandomNachdem in Coral, einem verschlafenen Dörfchen, eine Wasserleiche mit herausgerissenem Herz gefunden wurde, machen sich Castiel und die Winchesters auf die Suche nach dem Mörder. All das scheint für die Bewohner ein unglücklicher Unfall zu sein, was...