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-Jaemin-

Etwas nervös, da ich vermutlich den neuen gutaussehenden Barkeeper wieder sehen würde, öffnete ich die schwere Tür und trat in die Bar. Mit gesenkten Kopf schritt ich auf meinen Eckplatz zu und setzte mich auf den Barhocker.
"Hallo Nana!", wurde ich direkt begrüßt und überrascht hob ich meinen Kopf. Als ich den Jungen mit den gefärbten Haaren sah, musste ich direkt lächeln. Auch wenn er aufgrund meines Mundschutzes dies nicht sehen konnte, lächelte er ebenso.
"Hey...", erwiederte ich leise und wandt mich von ihm ab, da ich seinen Blick nicht standhalten konnte.

"Jeno"
Verwirrt sah ich wieder zu ihm und legte meinen Kopf schief.
"Meine Name ist Jeno.", klärte er mich auf und verstehend nickte ich, während ich unsicher mit meinen Händen spielte. Wieso war ich denn so nervös?

Als er sich nach kurzer Zeit umdrehte und zu anderen Gästen ging, hätte ich mich am liebsten selbst geschlagen. Wie sollte ich mich mit ihm anfreunden, wenn ich nicht einmal richtig mit ihm reden konnte. War Freunde finden wirklich so schwer?
Seufzend stützte ich mein Kinn auf meiner Hand ab und beobachtete Jeno bei der Arbeit. Er war so geschickt und es sah aus als würde er zwischen den Tischen und Stühlen umhertanzen. Noch dazu hatte er eine riesige Geduld, ich denke nicht, dass ich bei den ganzen Betrunkenen so ruhig bleiben konnte. Außerdem machten mir einige von denen etwas Angst, aber er hatte eine ganz andere Ausstrahlung als ich und würde für viele nicht in ein Opferschema passen. Ich im Gegenteil wäre bestimmt ein leichteres Opfer und kam auch schon öfters in unangenehmere Situationen, aber zum Glück war nie etwas Schlimmes passiert. Jeno war größer und wahrscheinlich viel stärker als ich, vielleicht konnte er mir ja helfen und mir etwas beibringen, damit ich mich wehren konnte, wenn es drauf ankam.

Aber dafür musste ich mit ihm reden, was schon das erste Hindernis war, wie auch außerhalb der Bar Zeit verbringen und das wird so gut wie gar nicht möglich sein, ohne dass meine Eltern davon Wind bekamen.

Als ein Glas vor mir abgestellt wurde, schreckte ich auf und sah in Jeno's lächelndes Gesicht. Früher oder später würde mich dieses Lächeln noch umbringen.
"Hier, trink wenigstens etwas Wasser. Wenn du wieder so lange wie gestern hierbleibst, musst du doch etwas trinken.", er schob mir das Glas etwas entgegen und mit leicht zitternden Händen griff ich danach, wobei sich unsere Finger berührten. Unter meinem Mundschutz wurde es schon wieder warm, als ich rot anlief und selbst bei Jeno konnte ich einen leichten rötlichen Schimmer auf seinen Wangen wahrnehmen.
"Danke...", antwortete ich ihm nun endlich schüchtern und er lehnte sich lächelnd an die Schränke hinter ihm. Was ist denn mit mir los? Sonst bin ich ja auch nicht so zurückhaltend.

"Warum bist du eigentlich alleine hier?"
Na toll, was sollte ich denn jetzt sagen? Ach weißt du, ich schleiche mich immer nur nachts raus, weil ich sonst zu Hause rund um die Uhr überwacht werde und keine Freunde habe. Auf keinen Fall. Dann dachte er bestimmt, ich wäre ein Freak oder ähnliches.
"Ähm ... ich hab keinen mit dem ich mich treffen könnte.", antwortete ich ihm nervös und sah auf das Glas vor mir. Super Jaemin, ganz toll gemacht. Willst du nicht gleich sagen, dass du ein hoffnungsloser Fall bist?
"Na dann triffst du dich ab jetzt eben mit mir!", grinste Jeno mich an und verblüfft sah ich ihm in die Augen. Okay, ich hatte eigentlich gedacht, dass er mich auslachen würde, aber auf keinen Fall hatte ich 'damit' gerechnet.

Leise begann er über meine Verwunderung zu lachen und fuhr sich dabei durch seine Haare. Sehr attraktiv.
Immer noch etwas überumpelt von seiner Aussage und abgelenkt von diesem Anblick, bekam ich nicht mit, dass meine Kaputze von meinem Kopf rutschte.
"Woah, die sehen ja richtig weich aus, darf ich sie angreifen?", mit großen Augen deutete er auf meinen Kopf und verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Daraufhin verdehte Jeno nur wieder lachend seine Augen:
"Ich meine deine Haare, Nana."

Erschrocken fasste ich mir an den Kopf und bemerkte die fehlende Kaputze. Schnell zog ich sie wieder hoch und der Barkeeper vor mir begann zu schmollen.
"Nicht hier ...", versuchte ich mich rauszureden und er begann zu grinsen.
"Also willst du dich mit mir auch woanders einmal treffen?"
Verzweifelt und verlegen versteckte ich mich hinter meinen Händen.
"Nein! Also doch schon, aber ich ... also ja nur wenn du halt willst ... ", nuschelte ich schnell vor mich hin und hoffte, dass er es sowieso nicht verstand. Erneut begann er zu lachen und vorsichtig schaute ich durch meine Finger hindurch.
"Du bist echt knuffig!", grinste er und stütze sich gegenüber von mir auf die Bartheke. Sehr nah, meiner Meinung nach.
Sofort schob ich meine Finger wieder zusammen und verschloss ihm somit die Sicht in meine Augen.
"Bin ich nicht ..."

Kurz darauf spürte ich seine Hände an meinen Handgelenken, die mein Gesicht von meinen eigenen entfernten. Mit großen Augen sah ich ihn etwas überrumpelt an, jedoch grinste er wieder nur.
"Doch, das bist du!"
Spätestens jetzt war ich total rot angelaufen und unglaublich froh, dass er das nicht sehen konnte. Von unserem Blickkontakt abgelenkt, merkte ich nicht, dass er vorsichtig eine Hand von meinen entfernte und sie zu meiner Kaputze wandern ließ. Schnell hob er die Kaputze etwas an und fuhr nun mit seiner zweiten Hand darunter, um mir durch die Haare zu wuscheln. Dadurch rutschte die Schnur meines Mundschutzes hinter meinem Ohr nach vorne und der Mundschutz löste sich somit ganz, sodass ihm mein Gesicht entblöst wurde.

Erneut war ich komplett überrumpelt und überfordert von seiner Handlung, sodass ich panisch meine Augen weit aufriss und nach seinen Händen griff.
"Lass sofort los!", rief ich erschrocken und versuchte mich von ihm zu befreien, in dem ich schnell aufsprang. Hektisch atmend wich ich ein paar Schritte zurück und stieß an die Wand hinter mir.
Hatte er nie gelernt, wie man sich Fremden gegenüber benimmt? Er kann mich doch nicht einfach so angreifen, ohne zu fragen. Also gefragt hatte er schon, aber trotzdem durfte er nicht einfach tun was er wollte, wenn ich es ihm nicht erlaubt hatte. Tat er immer das was er wollte? Würde er noch einmal etwas tun, was ich nicht wollte? Vielleicht sollte ich mich doch nicht mit ihm anfreunden, es machte mir schon etwas Angst. Ich dachte man kann Freunden vertrauen und muss vor ihnen keine Angst haben oder hatte ich das immer falsch verstanden? Warum war das so komplitziert?

Ich wollte doch einfach nicht mehr alleine sein.

In meinen Gedanken versunken und halb verzweifelnd stand ich immer noch ängstlich an der Wand und bemerkte nicht, dass beinahe alle Augen der in der Bar anwesenden Leute auf mir lagen. Als ich aufsah und in die vielen fremden Gesichter blickte, bekam ich es wieder mit der Angst zu tun und sah kurz hilfesuchend zu Jeno, der mich jedoch nur unschlüssig und verwirrt beobachtete, weshalb ich schnell die Flucht ergriff und aus der Bar rannte.
Jetzt dachte er bestimmt, ich wäre vollkommen verrückt und wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich werde nie jemanden finden, der mich versteht.

Leise schluchzend entfernte ich mich immer weiter von der Bar, richtete meinen Mundschutz und zog mir meine Kaputze so tief wie möglich ins Gesicht.

escape || nominWo Geschichten leben. Entdecke jetzt