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-Jaemin's Sicht-

Durch einen leisen Klingelton, der von meinem heimlichen Handy stammte, wurde ich am nächsten Morgen geweckt und schlaftrunken tastete ich nach diesem, welches zu meiner Überraschung neben mir am Bett lag und nicht wie sonst in seinem Versteck. Ich hatte gestern anscheinend vergessen es auszuschalten und wegzuräumen.
Egal, meine Eltern würden mich sowieso erst einmal in Ruhe lassen.

Gähnend nahm ich den Anruf entgegen und begrüßte die Person am anderen Ende müde.
"Hab ich dich geweckt?", lachte mir Jeno entgegen und ich begann ebenso zu kichern.
"Gut möglich."
"Du bist gestern eingeschlafen als wir telefoniert haben, da wollte ich mal nachfragen, ob es dir schon besser geht."
Gerührt breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Er war so süß zu mir.
"Jetzt, nachdem du mich angerufen hast, geht es mir schon viel besser.", sprudelte es aus mir heraus uns erschrocken schlug ich mir meine Hand vor den Mund. Das wollte ich eigentlich nicht laut aussprechen.
"Ähm ... ich meine natürlich ... also ... ach egal ...", verlegen biss ich mir auf meine Unterlippe.
"Süß~", kommentierte Jeno meinen Kommentar schmunzelnd.
Ich lachte nervös und kratzte mich am Hinterkopf.

"Kann ich dir wirklich nicht helfen?", seufzte er aber nach kurzem und überlegend biss ich auf meiner Lippe herum.
"Mir hilft es schon sehr, deine Stimme zu hören. Natürlich würde ich viel lieber bei dir sein, aber das geht nicht ...", antwortete ich ihm etwas traurig.
"Und wenn ich zu dir komme ohne dass es jemand mitbekommt?", schlug Jeno vor.
"Ich weiß nicht ... ich habe Angst, dass sie uns erwischen.".
Ich will nicht, dass ihm etwas passiert. Das könnte ich mir nicht verzeihen.
"Und wenn wir ganz vorsichtig sind und aufpassen?", hoffnungsvoll versuchte er mich zu überzeugen.
"Ich überlege mir was, okay? Bis dahin müssen wir leider mit Telefonaten auskommen.", schmollte ich leicht.
"Na gut, wenn du meinst.", gab Jeno schließlich nach. Kurz sprachen wir noch etwas, bis ich hungrig wurde und wir beschlossen aufzulegen.

Hoffend, dass ich meine Eltern nicht begegnen würde, machte ich mich auf den Weg in die Küche und zauberte mir ein kleines Frühstück. Meine Gedanken hingen jedoch die ganze Zeit bei Jeno. Immer wenn ich seine Stimme hörte, wurde ich ruhig und entspannt. Wie von alleine begann ich jedes Mal zu lächeln und in meinem Bauch entstand ein Kribbeln. Ich wusste nicht, was das war, aber es fühlte sich gut an. Jeno tat mir einfach gut. Am liebsten würde ich einfach wieder abhauen und zu ihm fliehen, doch das wäre einfach dumm. Wenn ich mich meinen Eltern jetzt erneut widersetzte, hätte ich wahrscheinlich nie mehr die Möglichkeit ihn wiederzusehen. Wenn sie sich erst einmal beruhigt hatten, würde ich meine Mutter überzeugen, Jeno einladen zu dürfen. Auch wenn sie es nicht gut fand, was ich getan hatte, wusste ich, dass sie Jeno schon mochte. Er hatte mir geholfen und das reichte ihr aus. Also dürfte es nicht all zu schwer werden, sie zu überreden. Sie würde dann schon meinen Vater überzeugen können oder er würde zuerst einfach nichts davon erfahren.

Überzeugt von meinem Plan verspeiste ich mein Essen und verdrückte mich zurück in mein Zimmer. Hoffentlich sah ich ihn bald wieder. Ich brauchte ihn und seine Nähe. Das Telefonieren alleine würde ich nicht lange ausreichen. Ich wollte mich an ihn kuscheln und seine Hand in meinen Haaren spüren. Ich mochte es, wenn er durch diese hindurch fuhr, es war angenehm und entspannend.

Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen und schloss meine Augen. Wie sehr ich mir wünschte, ihn jetzt bei mir zu haben. Was war nur los mit mir? Wieso musste ich die ganze Zeit an ihn denken? War das normal unter Freunden? Ich kannte mich damit schließlich nicht wirklich aus, aber in Filmen hatte ich das nie so extrem wahrgenommen. Eher passte das zu romantischen Filmen, aber das war dann doch noch etwas anderes, oder? Ich konnte mich ja nicht in ihn verliebt haben, so gut kannte ich ihn immerhin noch nicht. Außerdem war er auch ein Junge. So etwas hatte ich noch nie in Filmen gesehen. Vielleicht sollte ich mal darüber googlen?

Entschlossen wollte ich mich an meinen Laptop setzen, aber dann fiel mir ein, dass meine Eltern das wahrscheinlich sehen würden, wenn sie mich wieder einmal kontrollierten. Unsicher biss ich mir auf der Lippe herum, aber entschloss mich dann doch etwas zu informieren, ich war zu neugierig.

Etwas überfordert von dem neuen Wissen lag ich nachdenklich wieder in meinem Bett und starrte an die Decke. Wenn ich dem Internet Glauben schenken konnte, hatte ich mich tatsächlich in Jeno verknallt. Verwirrt fuhr ich mir durch die Haare, jedoch beruhigte mich das nicht so sehr, als wenn es er tat. Ich war schon etwas geschockt, immerhin hatte ich noch nie so gefühlt und nun gleich bei einem Jungen? Mir machte das natürlich nichts aus, jeder konnte doch lieben, wen er wollte, doch ich hatte das so noch nie wirklich gehört und immer nur das klassische Rollenbild vorgelebt bekommen. Wie würden meine Eltern reagieren, wenn sie wüssten, dass ich in einen Jungen verliebt war? Würden sie mich noch mögen? Oder wären sie enttäuscht von mir, dass ich nicht so war, wie alle anderen?

Das Einzige was ich wusste war, dass ich unbedingt zu Jeno wollte und mich meine Eltern nicht ewig von ihm fernhalten konnten.

Noch eine Zeit lang machte ich mir darüber Gedanken, aber wurde dann von meiner Mutter zum Mittagessen gerufen.
Die Stimmung war etwas angespannt, aber das war zurzeit wahrscheinlich unvermeidlich.
"Was hast du den heute alles gemacht?", versuchte meine Mutter die Stille zu unterbrechen und irgendwie tat sie mir leid.
"Nachgedacht", gab ich also schlussendlich von mir, um ihr wenigstens eine Antwort zu geben.
"Über was denn?", fragte sie neugierig und lächelte vorsichtig.
"Jeno", antwortete ich wahrheitsgemäß und spürte, wie mein Vater neben mir scharf die Luft einsog. Jedoch erwiederte er nichts darauf. Meine Mutter lächelte weiterhin leicht und nickte verstehend.

Nach dem Mittagessen verschwand mein Vater in seinem Büro und meine Mutter holte sich ein Buch, um es oben auf dem Balkon vor dem Schlafzimmer meiner Eltern zu lesen. Da die beiden beschäftigt waren, schaltete ich den Fernseher im Wohnzimmer ein und suchte einen passenden Kanal. Plötzlich huschte jedoch etwas oder besser gesagt jemand an der Terassentür vorbei und wenn ich nicht komplett verrückt geworden war, meinte ich, dass mir besonders die bunten Haare sehr bekannt vorkamen. Doch das konnte nicht sein oder? Wieso sollte Jeno auf einmal hier auftauchen? Er wusste ja, dass es viel zu gefährlich war. Die winzige Hoffnung, die in mir aufkeimte, ließ mich jedoch aufstehen und zur Terassentür gehen.

Beinahe hektisch lief ich hinaus in den Garten und bog um die Hausecke, konnte jedoch niemanden ausmachen. Wo war er nur?
So schnell konnte er ja nicht verschwunden sein, vorausgesetzt er war es wirklich.
Verwirrt sah ich mich weiter um, bis ich hinter mir ein Räuspern wahrnahm.

escape || nominWo Geschichten leben. Entdecke jetzt