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-Jaemin's Sicht-

Mit eingezogenem Kopf und Blick nach unten saß ich gegenüber von meinen Eltern am Sofa und wartete, bis sie mit ihrer Standpauke loslegten. Ich glaube, ich war noch nie so nervös wie jetzt gerade. Nur das laute Ticken der Uhr war im Raum zu hören.
Ich traute mich nicht aufzusehen, aber spürte den Blick meiner Eltern genau auf mir.

Nach kurzem Schweigen räusperte sich mein Vater und verunsichert hob ich meinen Kopf, wandte ihn aber schnell wieder ab, da ich seinem Blick nicht standhalten konnte. Er wurde sehr selten sauer, aber wenn es passierte, musste man vorsichtig sein. Mein schlechtes Gewissen zerriss mich beinahe. Ich konnte förmlich ihre Enttäuschung spüren und das machte mich verdammt fertig.

"Also, fangen wir von vorne an, woher kennst du diesen Freund?", fragte mich mein Vater, wobei er das Wort 'Freund' nicht gerade erfreut aussprach. Ich schluckte erst einmal schwer. Es war wahrscheinlich besser, ihnen einfach die ganze Wahrheit zu erzählen.
"Ich habe ihn in einer Bar kennengelernt, in der ich öfters war, er ist dort Kellner.", murmelte ich.
"Und wie bitte kommst du auf die Idee in eine Bar zu gehen, alleine?", seufzte mein Vater und versuchte sich zu beruhigen. Das gefiel ihm gar nicht.
"Ich-ich wollte einfach Mal raus ... außerdem habe ich extra eine abgelegene Bar ausgesucht, die nicht so viele Menschen besuchen und das immer nur nachts und mit Mundschutz und Kopfbedeckung, damit mich keiner erkennt.", versuchte ich zähneknirschend die Lage etwas zu entschärfen.

"Gestern hast du darauf anscheinend nicht mehr so viel Wert gelegt."
Gestresst fuhr er sich durchs Gesicht.
"Mir ging es nicht so gut und Jeno hat mir einfach nur geholfen. Ohne ihm würde ich wahrscheinlich gerade nicht hier sitzen.", verteidigte ich mich und Jeno etwas lauter.
"Geht es dir jetzt besser?", warf meine Mutter besorgt ein und ich nickte lächelnd.
"Ja, Jeno hat sich um mich gekümmert. Keine Sorge."

Skeptisch verengten sich die Augen meines Vaters, aber er ließ meine Aussage vorerst unkommentiert.
"Weiß er wer du bist?"
Sofort schüttelte ich meinen Kopf.
"Nein, ich hab ihm nicht einmal meinen echten Namen gesagt und erkannt hat er mich auch nicht."
Erleichtert atmeten beide tief durch.
"Wenigstens etwas Gutes. Du kannst dir trotzdem sicher sein, dass du nicht ungeschadet davon kommst. Wir möchten nicht, dass du noch einmal alleine raus gehst und du wirst dich nicht mehr mit diesem Jeno treffen!"
Erschrocken riss ich meine Augen auf.
"Was? Wieso darf ich Jeno nicht sehen?", rief ich verzweifelt und empört sprang ich vom Sofa auf.
"Du weißt, dass das viel zu gefährlich ist. Das Risiko können wir nicht eingehen.", erklärte mir mein Vater ruhig und unbeeindruckt von meinem Gefühlsausbruch.

"A-aber Jeno und ich sind Freunde, er würde mich nicht verletzen.", überfordert fuchtelte ich mit meinen Armen in der Luft und ließ sie nachdem ich fertig gesprochen hatte kraftlos sinken.
"Es tut mir leid Jaemin, aber unsere Entscheidung ist getroffen."
Langsam aber sicher merkte ich, dass sich Tränen in meinen Augen sammelte und leicht begann ich zu zittern.
Ich hatte endlich jemanden gefunden, dem ich vertrauen konnte und der mich mochte und jetzt sollte ich einfach wieder verschwinden?

Fertig mit meinen Nerven drehte ich mich um und stürmte die Stufen zum Keller in mein Zimmer hinunter. Dort sperrte ich ab und schmiss mich schluchzend in mein Bett.
Zögernd sah ich auf mein heimliches Handy. 
Sollte ich Jeno anrufen? Meine Eltern würden ja nichts davon erfahren oder?

Zitternd nahm ich das Gerät in die Hand und drückte auf seinen Kontakt. Lange suchen musste ich nicht, ich hatte ja sonst keine weiteren Kontakte eingespeichert.
Nach drei Mal Tuten hob er ab und fragte erst einmal, wer am anderen Ende dran war, meine Nummer kannte er ja noch nicht.
"I-ich bins.", schniefte ich und versuchte mich zu beruhigen.
"Nana? Was ist los? Weinst du etwa?", sofort wurde seine Stimme in einen besorgten und überraschten Ton getaucht und ich hörte im Hintergrund, dass etwas auf den Boden fiel. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ihn so schnell anrufen würde.
"Meine Eltern ...", ich unterbrach mich selbst durch ein leises Schluchzen:"... sie haben mir verboten dich wiederzusehen."
Ein unzufriedenes Grummeln oder besser gesagt Knurren war von ihm zu hören.
"Mach dir keine Sorgen Nana, ich werde dir helfen. Ich lass dich sicher nicht alleine, wenn ich genau weiß, dass es dir nicht gut geht."

Ich konnte Jeno vertrauen, das wusste ich. Sollte ich ihm verraten, wer ich war? Er würde mich bestimmt trotzdem noch mögen oder?

Tief atmete ich durch.
"Jeno?", fragte ich leise und ein zustimmendes Geräusch kam von ihm, was mir zeigte, dass er zuhörte.
"Ich glaube, ich muss dir etwas sagen ...", flüsterte ich beinahe und wurde nervös.
"Ich dränge dich zu nichts, das weißt du. Lass dir Zeit, okay?", sprach er sanft und tatsächlich beruhigte ich mich etwas. Er war einfach wunderbar, so verständnisvoll.
"Doch, ich will es dir aber jetzt sagen."
Ich atmete erneut einmal tief durch bevor ich weitersprach.
"Ich heiße eigentlich Jaemin, aber du kannst mich gerne weiterhin Nana nennen. Meine Eltern sind so streng mit meinen Ausgängen, weil sie ziemlich bekannt sind und Angst haben, dass mir deswegen etwas passiert."
Gespannt wartete ich seine Reaktion ab, doch es war still an der anderen Leitung.

"Jeno?", fragte ich zögernd und wieder mit leicht zitternden Stimme.
"Bitte hass mich jetzt nicht, ich brauch dich doch.", schluchzte ich nun, da er immer noch nichts sagte.
"Hey Nana, alles gut! Du brauchst nicht weinen und ich lass dich auf keinen Fall allein. Klar ist es ein kleiner Schock für mich, aber es ändert doch nichts daran, wer du bist und dass ich dich mag."

Mein Herz klopfte daraufhin wild. Er mag mich? Oh mein Gott, er mag mich wirklich!
"I-ich mag dich auch Jeno!", erwiederte ich ein bisschen verlegen, weshalb er zu kichern begann.
Gut, dass er mich beim Telefonieren nicht sehen konnte, ich war nämlich komplett rot angelaufen.
"Was genau machen deine Eltern?", fragte er, nachdem er sich von seinem Lachen beruhigt hatte, interessiert.
"Meine Mama ist Schauspielerin und mein Vater ist Regisseur."
"Oh wow, das ist ja voll cool!", staunte er, was mich kurz schmunzeln ließ.
"Eigentlich ja, aber sie sind nicht oft zu Hause, weil sie so beschäftigt sind und das Berühmt sein hat auch viele Nachteile.", seufzte ich anschließend, weswegen er sich für seine unbedachten Worte entschuldigte. Er war so verständnisvoll, sojemanden hatte ich noch nie kennengelernt. Er war einfach Wahnsinn.

Wir quatschten noch eine Weile, bis ich während unserem schönen Gespräch einschlief, da ich auf einmal so erschöpft war und mich Jeno's Stimme unheimlich beruhigt.

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Vielen Dank an jeden, der diese Geschichte weiterverfolgt. Ich freue mich über jeden einzelnen Read und ein special Danke an hey_you24 fürs immer wieder kommentieren und motivieren <3

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