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-Jaemin-

Ein vorsichtiges Klopfen an meiner Zimmertür riss mich aus meinem erholsamen Schlaf. Gestern beziehungsweise heute war ich erst spät nach Hause gekommen, weshalb mir das Aufstehen besonders schwer fiel.
"Jaemin steh bitte auf! Dein Unterricht beginnt in einer halben Stunde.", teilte mir meine Mutter vor der Tür mit und sofort schreckte ich hoch. Verdammt, jetzt musste ich mich echt beeilen. Ich hatte zwar Heimunterricht mit Privatlehrern, aber zu spät kommen durfte ich mir nicht erlauben.

Schnell sprang ich unter die Dusche und zog mir danach das Erstbeste aus meinem Kleiderschrank heraus, bevor ich die Stiegen hinauf zu unserem Eingangsbereich lief. Mein Zimmer war im Keller, ich mochte die Ruhe dort. Außer mir und ab und zu meine Eltern, wenn sie mich gerade brauchten, hielt sich dort normalerweise keiner auf. Der ganze Kellerbereich gehörte mir und darüber war ich sehr froh. Als ich noch kleiner war, wohnte ich im ersten Stock neben meinen Eltern, da mir der Keller immer Angst gemacht hatte. Seit ein paar Jahren aber war ich hinunter gezogen, da die Möglichkeit mich hinauszuschleichen viel einfacher und unauffälliger war.

Ich schlitterte um die Ecke in die Küche und schnappte mir mein Frühstück, welches mir meine Mutter schon gerichtet hatte, bevor ich mich in das Zimmer, in welchem ich unterrichtet werde, begab. Seufzend ließ ich mich dort auf den Schreibtischstuhl fallen und kramte die heutigen Unterrichtsmaterialien heraus. Kurz nachdem ich den letzten Bissen heruntergeschluckt hatte, betrat auch schon mein Privatlehrer den Raum und begrüßte mich freundlich. Ich verstand mich ziemlich gut mit ihm, weil ich ihn schon lange kannte und er mich seit einigen Jahren unterrichtete. Da ich sonst keine wirklichen Freunde hatte, war ich froh, jemanden zum Reden zu hatten, der nicht meine Mutter oder mein Vater war.

Zwar verbrachte ich ab und zu Zeit mit den Kindern von Freunden meiner Eltern, wenn wir zusammen einen Abend bei einer Veranstaltung verbrachten, jedoch war dieses ganze Berühmtheitsding nicht meine Welt. Meine Eltern berücksichtigten dies zwar und versuchten mich so gut wie es geht aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, aber manchmal konnte man es nicht vermeiden und ich musste sie begleiten.
Meistens waren es Premieren von Filmen, in welchen meine Mutter mitspielte oder welche, bei denen mein Vater Regie führte. Sie selbst hatten sich bei einem Filmdreh kennengelernt und seitdem arbeiteten sie auch des Öfteren zusammen. Viel zu Hause waren sie deshalb nicht, denn sie mussten an verschiedensten Orten dehen und auch mehrmals ins Ausland fliegen. Früher hatte ich ein Kindermädchen und war nie alleine, doch seit ich 15 geworden war, verbrachte ich die meiste Zeit in meinem Zimmer und fühlte mich einsam.

Deswegen suchte ich nach Möglichkeiten mich hinauszuschleichen. Meine Eltern waren immer sehr vorsichtig und hatten Angst um mich, weshalb ich nicht wirklich irgendwo hingehen durfte, ohne dass mich jemand begleitete. Da das meistens viel Aufsehen erregte, wenn ich mit einem Bodyguard herumspazierte, verzichtete ich gerne darauf. Somit hatte ich eine gefühlte Ewigkeit nach dem Schlüssel der Kellertür gesucht, der einzige Fehler in ihrem Sicherheitssystem.
Seit ich diesen Schlüssel nachmachen hab lassen, schlich ich mich regelmäßig nachts aus dem Haus, da nicht mehr so viele Menschen unterwegs waren, die mich erkennen könnten. Deswegen hatte ich mir auch die abseitsgelegene alte Bar ausgesucht. Zwar verdeckte ich immer so gut wie es geht mein Gesicht, aber eigentlich waren die Gäste hauptsächlich irgendwelche alkoholabhängige Menschen, die nichts weiter taten, als ihr restliches Leben zu versaufen und die Wahrscheinlichkeit, dass mich jemand von ihnen kannte, war sehr gering.

Aber jetzt gab es diesen neuen Barkeeper. Vielleicht kannte er mich. Womöglich sollte ich mir einen neuen Platz suchen, er könnte gefährlich werden. Gestern schien er mich jedoch nicht erkannt zu haben und falls er das weiterhin nicht tun würde, wäre das ein Chance auf einen ersten wirklichen guten Freund. Mögen tat ich ihn auf jeden Fall und er schien auch nicht all zu abgeneigt von mir, sonst hätte er mich bestimmt nicht ausgefragt. Es wäre schön jemanden in meinem Alter zu kennen, den ich mag und der mich mag. Jemanden mit dem ich Zeit verbringen konnte und nicht mehr allein sein musste.

Seufzend konzentrierte ich mich nun endlich auf den Unterricht und beschloss, heute erneut zu der Bar zu gehen, wenn das möglich war. Doch zuerst musste ich das ganze Schulzeug erst einmal hinter mich bringen.

Nach vier Unterrichststunden hatte ich eine Mittagspause und schlenderte hungrig in die Küche, in welcher meine Mutter bereits wartete.
"Alles gut gegangen?", fragte sie und reichte mir einen befüllten Teller. Lächelnd nickte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich an den Esstisch setzte. Kurz darauf setzte sie sich mit ihrem Teller mir gegenüber und wir begannen zu essen.
"Es könnte sein, dass dein Vater und ich nächste Woche für ein paar Tage verreisen müssen. Es geht um seinen neuen Film."
Mit vollem Mund nickte ich und sie begann sanft zu lächeln.
"Ist es okay, wenn du ein bisschen alleine bist?", ein besorgter Unterton war deutlich herauszuhören, aber ich nickte wieder, um ihr keine Sorgen zu machen. Ich wusste, dass meine Eltern sich immer wieder Vorwürfe machten, da sie zu wenig Zeit mit mir verbrachten, aber ich konnte es verstehen. Sie liebten beide ihre Arbeit und ich nahm es ihnen nicht übel. So konnte ich mich wenigstens herausschleichen und das vielleicht auch tagsüber, falls sie mir keine Bodyguards auf den Hals hetzten.
"Ich muss sowieso viel lernen zurzeit, mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon klar, es sind ja nur ein paar Tage.", beruhigte ich sie und strich über ihre Hand.

Nach dem Mittagessen half ich meiner Mutter noch schnell beim Abwasch und wartete auf meinen nächsten Privatlehrer, der den restlichen Unterricht für den heutigen Tag übernahm.

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