Chalter 20

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P.o.V. Oriel

...

„Ich wusste garnicht, dass heute Besucher-Tag ist".

Ich drehe mich ruckartig um und schlage gleichzeitig das Buch zu. Ertappt schaue ich nach rechts und entdecke einen jungen Mann, der ca. 3m entfernt am Bücherregal lehnt und mich interessiert mustert.
Auch ich tue dies und mir stockt sofort der Atem.

Vor mir steht ein Weißer!(0. Rang)

Seine Augen gleichen eiskalten Schnee und ich kann nur die schwarze Pupille in seinen Augen erkennen. Es sieht gruselig, aber gleichzeitig auch wunderschön aus. Ich habe noch nie einen genau vor mir in Farbe gesehen. Dazu hat er weiße Haare, die am Ansatz pechschwarz sind. An seinem Kinn erkenne ich weiße Bartstoppeln die sich entlang seines Kiefers weiter ausbreiten. Er ist vielleicht einen halben Kopf größer als ich und trägt ein schelmisches Grinsen im Gesicht.

Er kommt einige Schritte auf mich zu und ich muss unweigerlich ein paar Schritte zurück weichen, da das gerade zu viele Faktoren auf einmal auf mich einwirken.
Ich bin in meiner Traumbibliothek, ich habe herausgefunden, dass ich meine Augen in eine andere Farbe färben könnte und ich treffe zum ersten Mal einen Weißen.

„Was machst du hier?", fragt er mit einem weichen Blick in den Augen.

„Ich bin hier mi-mit Neven und...", mehr bekommende gerade nicht heraus.
Plötzlich fängt er an zu lachen. Ich schaue ihn verwirrt an und warte auf seine Erklärung.

„Neven bringt nie jemanden mit ins Schloss. Das kann nicht sein", lacht er weiter vor sich hin.
Er kommt näher und näher, aber meine Beine sind wie eingefroren und ich kann mich nicht von meinem Platz bewegen. Er stellt sich direkt vor mich und stützt einen Arm neben meinen Kopf gegen das Regal.

„Besonders nicht so hübsche Mädchen. Das ist aber kein Problem... Ich kann mich ja um dich kümmern", flüstert er leise in mein Ohr und einer seiner Mundwinkel zieht sich hoch zu einem spitzbübischen grinsen. Er sieht mit dem Grinsen fast so aus wie Neven, wenn er mich immer ärgert.
„Dass du dann auch noch in der geschichtlichen Abteilung bist, wundert mich noch mehr. Was sollte ein Mädchen wie du hier le...", verstummt er leicht als er runter in meine Hände schaut und den Titel des Buches liest.

Überrascht verstecke ich das Buch hinter meinem Rücken und versuche es wieder in das Regal zu stecken. Währenddessen schaut der Weiße mir wieder in die Augen, aber dieses Mal ist etwas anders. In seinen Augen liegt eine viel tiefere Kälte als gerade eben noch und sein Blick jagt mir Angst ein. So viel Angst, dass sich sogar eine Gänsehaut über meine Arme zieht.

„Ich muss-muss dann mal los", bringe ich gerade noch raus, schlüpfe unter seinem Arm hindurch und bewege mich langsam rückwärts von ihm weg.

Ich habe mal gehört, dass wenn man vor einer giftigen Schlange steht, man sich langsam rückwärts von ihr wegbewegen sollte. Bloß keine hektischen Bewegungen. Und genau so fühlt es sich auch gerade an. Als würde ich vor einer Schlange davon rennen.

Nach zwei Schritten knalle ich gegen jemanden, der mich auch sofort an den Oberarmen sanft packt und festhält. Mir entfährt ein leiser Schrei.

„Was machst du hier, Will?", fragt Neven direkt hinter mir mit fester, wütender Stimme.
Sogleich entspanne ich mich und Neven lockert den Griff um meine Arme.

Der sogenannte Will dreht sich nun komplett zu uns um und lächelt uns nun mit einem noch breiteren Lächeln entgegen.

„Neven! Auch schön dich mal wiederzusehen. Du hättest dich ja mal melden können, aber ich verstehe natürlich auch, dass du viel mit deiner Arbeit zu tun hattest. Ich habe gerade deine kleine Freundin hier getroffen, wie sie in den Büchern herumstöbert. Ich musste als erstes Lachen als sie sagte, dass sie mit dir hier wäre, da du ja sonst nie Leute hier hin einlädst, aber wenn ich euch so sehe, macht das ganze ja dann doch Sinn."

Look me in the eyes!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt