28.12.~Amber~ *edited

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„Amber?", rief ich, als ich das Haus betrat. Ich klopfte mir den Schnee von den Schuhen und zog die Kapuze von meinem Kopf. Mit ihr folgten ein paar lästige braune Haarsträhnen, die ich sofort wieder hinter mein Ohr verbannte. Ich hörte wie jemand die Treppe herunter polterte. „Hey, Kleine!", begrüßte ich das kleine Mädchen, dass auf mich zu gerannt kam. „Ich hab schon den ganzen Tag auf dich gewartet!", meinte sie und legte ihre kleinen Arme um meine Taille. Sie war zu klein, als dass sie mich richtig umarmen könnte, also hob ich sie hoch. „Den ganzen Tag?" „Ja, du warst schon soooooo früh weg." Ich liebte es, wie sie das ‚so' in die Länge zog. „Ich habe etwas für dich.", meinte ich. Ihre Augen wurden ganz groß. Ich setzte sie wieder auf dem Boden ab. Dann holte ich etwas aus meiner Tasche und kniete mich vor sie. „Hier. Alles gute zum Geburtstag." Ich hielt ihr eine kleine Rose hin. Sie war tiefrot, so wie sich der Schnee immer verfärbt. Die Dornen so spitz, wie Messerspitzen. Amber holte tief Luft und sah die Rose an. „Ist die wirklich für mich?", fragte sie aufgeregt. Lächelnd nickte ich. Das Mädchen sprang vor Freude dreimal in die Luft. Vorsichtig nahm sie ihr Geschenk entgegen. Mit ihren kleinen, zierlichen Fingern strich sie über die dunkelroten Blütenblätter und die Spitzen Dornen. „Pass auf, dass du dich nicht pickst.", meinte ich zu ihr. Sie nickte so heftig, als hätte ich ihr gerade das größte Geheimnis der Welt anvertraut. Das war einer der Gründe, weshalb ich Kinder so gerne mochte. Vorsichtig legte sie die Rose, wie als wäre sie aus Porzellan, auf den niedrigen Tisch. Ich stand auf, um eine Vase holen zu gehen. Naja, jedenfalls etwas, in das wir die Rose hineinstellen können. Und mit dem Schnee haben wir auch genug Wasser und müssen nicht auf kostenpflichtiges zurückgreifen. Ich griff nach einem Behälter, der einer Vase relativ ähnlich sah, dann drehte ich mich wieder zu Amber um. „Magst du ein bisschen Schnee hier rein füllen?", fragte ich sie. Sie strahlte förmlich und verschwand mit dem Behälter hinter der Tür. Während Amber den Schnee einsammelte, sah ich hier zu. Sie war so unschuldig, noch. Seufzend holte ich zwei Portemonnaies, drei Kreditkarten und vier Handys aus meinen Taschen. Ich hatte schonmal eine schlimmer Ausbeute. Mit kleinen schnellen Schritten lief Amber wieder ins Haus hinein. „Hier!" Sie hielt mir den Behälter hin, der bis oben mit Schnee gefüllt war. „Danke.", bedankte ich mich und nahm die Rose. Vorsichtig steckte ich sie in den Schnee. „Wow..", flüsterte Amber und sah die Rose mit ihren riesigen, blauen Augen an. „Das ist deine.", meinte ich und überreichte ihr ihr Geschenk. Ihre kleinen Hände umfassten es und hielten es fest, sodass es nicht runterfallen kann. „Ich bringe das hoch in mein Zimmer, dann kann jeder vom Fenster aus sehen, wer das tollste Geburtstags Geschenk hat.", erklärte sie mir aufgeregt und lief die Treppe hoch. Kurz war ich besorgt, dass sie hinfallen könnte, doch sie schaffte den Weg ohne weiteres und verschwand in ihr Zimmer.

Es war spät geworden und Amber lag schon in ihrem Bett. Die Rose hatte sie liebevoll auf ihr Fensterbrett gestellt.
„Rosé!", hörte ich eine tiefe Stimme hinter mir bedrohlich sagen. Ich schluckte. „Ja, Vater?" „Wo sind meine Geschenke?" Er kam näher und drängte mich an die Arbeitsplatte vom der Küche. Wortlos und mit gesenktem Kopf überreichte ich ihm alles, was ich heute besorgen konnte. Es wäre sinnlos gewesen etwas für mich zu behalten. Er hätte es sowieso herausgefunden. „Das ist also alles?", fragte er. Langsam beugte er sich zu mir runter. „Das ist alles?", wiederholte er flüsternd. „Ja, Vater.", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Und wovon sollen wir leben, hm? Wovon sollen ich Amber bezahlen, hm?", seine Stimme wurde immer lauter. Er trat einen Schritt zurück und holte weit aus. Seine Hand schnellte gegen meine Wange und mein Kopf flog zur Seite. „Jetzt geh. Und komm erst wieder, wenn du Amber bezahlen kannst.", befiel er mir drohend leise. Er verließ die Küche und nahm beim herausgehen einen neuen Kasten Bier mit ins Wohnzimmer.
Der Schlag tat mir nicht weh. Das tuen sie schon lange nicht mehr. Inzwischen wurde es kaum noch rot. Vielleicht sollte er mal die Wangenseite wechseln? Vielleicht trifft es mich ja dann härter als sonst. Ich zog die Kapuze wieder in mein Gesicht und verließ das Haus. Mir bleib ja keine Wahl, oder?

Dunkelrote Rose || Avengers ff. EDITINGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt