13: Sag Mir Wo Die Blumen Sind*

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„Der Kerl muss wohl der offensichtlichste Tourist sein, den ich je gesehen habe."

Ich schaute in die Richtung, in die Jane fast unmerklich zeigte. Ein Mann wartete, wie wir alle, in der langen Schlange, um in den Reichstag zu kommen. Frau und Kinder im Schlepptau. Er trug, was wohl das bunteste und grellste Hawaii-Hemd auf der Welt sein musste. Ich rümpfte die Nase. „Warum sollte er so was tragen wollen?"

„Vielleicht hat ihn seine Frau dazu gezwungen." schlug Eden vor.

„Warum sollte sie das tun?" fragte Jane. „Ich würde ganz sicher nicht mit einem Kerl in der Öffentlichkeit gesehen werden wollen, der aussieht wie ein Möchtegern-Surfer-Heini."

Eden zuckte mit den Schultern. „Damit sie ihn in der Menge nicht verliert, wenn er herumwandert?"

„Eden, das ist ein ausgewachsener Mann von dem wir da reden." teilte ich ihr mit. „Es ist ziemlich unwahrscheinlich, das er glänzenden Objekten hinterherjagen geht oder so etwas, und dabei verloren geht."

Sie hob ihre Hände ergeben. „Es war nur ein Gedanke."

Janes Augen weiteten sich und sie stieß mir heftig mit den Ellbogen in die Seite.

„Au!" schrie ich. „Wofür zum Teufel war das?"

„Shh!" zischte sie. „Kurt ist auf dem Weg hier her."

Ich spähte über meine Schulter. Und tatsächlich, kam die ach so vertraute, große Gestalt auf mich zu, sein Blick auf den Gehweg gerichtet.

„Scheiße!" murmelte ich.

Jane tätschelte meinen Rücken. „Bleib einfach cool."

„Cool. Genau, cool." Ich atmete tief ein und bereitete mich auf die bevorstehende Begegnung vor. Kurt räusperte sich, um mir zu signalisieren, das er neben mir stand. Ich schaute zögernd auf und entschied mich, mich auf sein Kinn zu konzentrieren (was leicht stoppelig war, aber nicht so sehr, das es total ekelig oder so war), anstatt auf seine Augen, von denen ich mir nicht sicher war, ob ich in Moment mit ihnen umgehen konnte.

„Äh, Lotte" begann er. „Können wir, äh..."

Ich nickte. „...Ja, wir müssen..."

„...ähm, später?" Er scharrte verlegen mit seinen Füßen.

„Ja..." erwiderte ich murmelnd und wandte meinen Blick von ihm ab und auf das große Steingebäude vor mir. Die Inschrift, über dem Eingang 'Dem deutschen Volke' wurde plötzlich total faszinierend.

„Also..." er verstummte. „Ähm...wir sehen uns dann später..."

„Sicher..."

Ich hielt es erst für in Ordnung ihn anzusehen, nachdem er mir bereits seinen Rücken zugewandt hatte, um zurück zu seinem Platz zu gehen.

„Also, wenn das nicht mal unangenehm war..." bemerkte Jane sarkastisch. „Du musst wirklich an deinen Sozialen-Kompetenzen arbeiten, Schätzchen."

„Also, wirst du dich bei ihm entschuldigen?" erkundigte sich Eden.

Ich seufzte. „Ja, ich denke schon." Ich musste nur eine temporäre Lagereinheit finden, in der ich für ein oder zwei Stunden meinen Stolz verstauen konnte. Vielleicht würde mir Brigid ihren Koffer ausleihen...

Die Eintrittskarten bitte." forderte der stämmige Wachmann am Eingang des Reichstags, und unterbrach somit meine Gedanken. Ich übergab ihn meine Karte und deutete Eden und Jane an, dasselbe zu tun.


Als wir das Gebäude betraten, trafen wir auf einer Reihe piepender, Flughafen-ähnlicher Sicherheitseinrichtungen, die von einer handvoll gepanzerter Beamter besetzt waren.

Six weeks with Satan | deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt