14: Mach Die Augen Zu Und Kuss Mich*

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Wodka ist großartig. Himbeer-Wodka ist sogar noch besser. Und Cognac ist sogar noch besser als das! Ich sollte das Wissen, denn nachdem ich, immer noch Tränen überströmt von Friedhof weggerannt war, kippte ich mir eine beträchtliche Menge von jedem rein.
Ich war nie jemand gewesen, der seine Probleme einfach so weg trank. Aber die momentane Situation fiel mehr unter die Kategorie 'Katastrophen', und ich fühlte mich irgendwie berechtigt, in einen Rausch zu verfallen.
Ich stellte die Flasche Schnaps auf den Tisch neben meinem Hotel-Bett und stolperte hinüber zu meinem Koffer und zog ein paar bequeme Boxershorts und ein weißes Tank-Top heraus. Nachdem ich mich aus meiner Jeans und meinem Shirt gepellt hatte, zog ich beides an und ließ mich dann wieder in die Kissen fallen.
Aus meinen Ipod Lautsprechern dröhnte 'The Place you have Come to Fear the Most' von Dashboard Confessionals:

Buried deep as you can dig inside yourself
And covered with a perfect shell
Such a charming, beautiful exterior
Laced with brilliant smiles and shining eyes
Perfect posture, but you're barely scraping by
But you're barely scraping by...

Das Bett ist schön, entschied ich, schnappte mir meinen Cognac und nahm einen Schluck, und verschüttete dabei aus Versehen etwas über meine Lippen. Ich leckte die alkoholische Flüssigkeit ab und genoss den harten Geschmack und das Brennen als sie meine Kehle hinunter rann.

This is one time, this is one time
That you can't fake it hard enough to please everyone
Or anyone at all...or anyone at all
And the grave that you refuse to leave
The refuge that you've built to flee
The places that you've come to fear the most,
It's the place that you have come to fear the most...

„Mjam!" schrie ich in die vage Richtung der Deckenleuchte. „Cognac ist der Hammer, Mann!" Ich stellte die Flache wieder ab und rollte mich ein paar Mal auf meinem Bett hin und her. „Wheeee!"

Meine Methode der Flucht vor den Orten, die ich am meisten fürchtete, wie Chris Carrabba es ausgedrückt hätte, war anscheinend, im übertragenen Sinne natürlich, in eine Flasche Schnaps zu kriechen. Auf keinen Fall würde ich durch die klitzekleine Öffnung passen.

Buried deep as you can dig inside yourself
And hidden in the public eye
Such a stellar monument to loneliness
Laced with brilliant smiles and shining eyes
Perfect make-up, but you're barely scraping by
But you're barely scraping by...

Es klopfte laut an der Tür.
„Wer ist da?" fragte ich in einer Sing-Sang Stimme.
Das Klopfen begann erneut, dieses Mal verwandelte es sich in lautes Pochen, als ob die Person, die draußen im Flur stand, absolut verzweifelt versuchte, ins Innere zu kommen, um von einem Machete schwingenden Irren oder etwas in der Art, weg zu kommen. Vielleicht Clowns. Oder animatronische Menschen. Diese Dinger waren einfach gruselig. Die 'It's a Small World After All'-Themenfahrt in Disney World war mehr oder weniger, die Hölle auf Erden für mich.
Nichts von dem Schrecken ahnend, das im inneren der trügerisch Süßen Fahrt lauerte, ging ich mit Hans, während eines Familienausflugs, als ich zwölf Jahre alt war, darauf. Ich flippte total aus und klammerte mich wie ein Blutegel an meinen Bruder, kniff meine Augen zusammen und wiederholte immer wieder, so laut ich konnte, das 'Vaterunser' auf Deutsch. Meine Eltern hatten Stunden gebraucht, um mich zu beruhigen.
„Lotte? Bist du das?" Bäm! Bäm! Bäm!
„Viiiiieeellleiiicht..." neckte ich. „Aber ich könnte auch Attila der Hunnenkönig sein, also passt du besser auf, oder ich töte dich mit meinen Nunchucks!"
Es entstand eine Pause. Ha, er ist ein Angsthase! Mein erneuter Nunchucks Sieg!
„Lotte, ich bin es Kurt, und jetzt ist keine Zeit um Blödsinn zu machen! Lass mich rein."
„Okaaaaay, Mister herrisch!" erwiderte ich ach so intelligent, taumelte hinüber zur Tür und fummelte am Schloss herum. Es öffnete sich und enthüllte einen unglaublich panisch aussehenden Kurt. Seine hellbraunen Haare total unordentlich, seine haselnussbraunen Augen so groß wie Unterteller und er keuchte so stark, als ob er gerade alle sechsundachtzig Treppenabsätze, des Empire State Buildings hinauf gerannt wäre.
Ich hickste und lehnte mich dann lässig gegen den Türrahmen. „Äh...Was ist los, Doc?" Ich lachte hysterisch, wegen meiner unglaublich schlechten Bugs Bunny Imitation und fiel nach vorne, in Kurts Arme.
„Oh, Junge." grunzte er. „Wie viel hast du schon getrunken, Lotte?"
Ich grinste so breit wie möglich. „Ich weiiiiiß nischhhhh....."
„Das ist zu viel." erklärte er, riss mich von meinen Füßen und trug mich zum Bett.
„Hehe." kicherte ich. „Wir sind über die Schwelle gegangen. Das bedeutet wir sind verheiratet. Hehe, Ich wiiiillll."
Kurt schüttelte den Kopf über meinen Irrsinn und legte mich behutsam auf meine Kissen. Er schaltete meine Musik aus, und begann dann im Zimmer auf und abzulaufen.
Ein fragte, tauchte plötzlich in meinen berauschten Schädel auf. „Warum bist du hier?"
Er musste Superman sein. Er wusste, das ich in Schwierigkeiten war und kam um mich zu retten! Ich wette, ich bin in Wirklichkeit Lois Lane. Meine Mutter ist so dumm, das sie mir das nie gesagt hatte.
Superman, auch bekannt als Kurt, drehte sich zu mir und starrte mich unglaublich Ernst an. „Eden und Jane machen sich wahnsinnige Sorgen um dich, Lotte! Ich hab sie zufällig am Potsdamer Platz getroffen und sie fingen an, davon zu erzählen, das du auf eine Sauftour gegangen bist. Sie suchen in der ganzen Stadt nach dir! Du kannst von Glück reden, das ich dich gefunden habe, bevor du dich ins Koma gesoffen hast."
Ich hickste erneut.
Kurt fuhr sich aufgeregt mit einer Hand durch die Haare. „Gott, hast du irgendeine Ahnung, wie viel Sorgen ich mir gemacht habe, Lotte? Ach, wem mache ich was vor? Du hast keine Ahnung. Du wirst es nie verstehen...." er warf seine Hände frustriert in die Luft. „Ich hatte Angst, das dir etwas Schreckliches zugestoßen ist. Und doch hier bist du, in deinem Hotelzimmer, betrunkener als Bluto Blutarsky bei einer verdammten Toga Party!"
„Toga!" rief ich fröhlich. „Toga! Toga!"
Kurt schlug sich mit einer Hand gegen die Stirn. Ich konnte einfach nicht mit dem dummen Grinsen aufhören. Haha, er wurde leicht rot im Gesicht. Vielleicht würde ja auch noch Dampf aus seinen Ohren kommen...ich griff nach meinem Cognac.
„Davon gibt es nichts mehr!" schimpfte Kurt und riss mir die Falsche aus der ausgestreckten Hand. Er marschierte zielstrebig zu dem großen Holzschrank auf der anderen Seite des Zimmers und stellte sie oben drauf, wo ich sie nicht erreichen konnte. Verdammt sei er und seine abnormalen langen Beine. Blöde Ruderer.
„Neiiiiinnnnn, Kurt, biiiiittttee!" jammerte ich.
Er verschränkte seine Arme vor der Brust. „Warum hast du überhaupt so viel getrunken?"
Oh nein....
Ich hatte versucht, die Erinnerungen von den Vorkommen des Tages mit Alkohol auszulöschen, aber sie überkamen mich ziemlich schnell wieder. Der Friedhof....die Rose.....Alfons....Will......
Ich wechselte schneller als Paris Hilton ihre Boy-Toys wechselte, vom Schwindelig-Kichernden-betrunkenen-Modus, in den Depressiv-heulenden-betrukenen-Modus. Als Kurt sah wie die Tränen begannen meine Wangen hinunterzulaufen, ließ er langsam seine Arme wieder sinken. Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, und er war im Nu an meiner Seite.
„Oh Gott, Lotte, was ist passiert?"
„Will Buckley!" klagte ich.
Er versteifte sich. „Was ist mit ihm?"
Sturzbetrunken wie ich war, war es eher schwierig für mich die Ereignisse des Nachmittags, in zusammenhängende Sätze zu übersetzen. Daher entschied ich mich für eine einfachere Erklärung. „Er ist ein Arschloch!"
Kurt schnaubte. „Was du nicht sagst. Was hat er gemacht?"
„Er hat auf meinen Onkel gespuckt." grölte ich.
„Er hat was?"
Ich schniefte. „Er hat auf meinen Onkel Alfons gerotzt."
„Was hat Onkel Alfons getan?" Kurt bemühte sich angestrengt (und versagte), das amüsierte Grinsen aus seinem Gesicht zu halten.
„Er ist TOT, Kuuuuuuurt, tot!"
Alle Spuren von Heiterkeit verschwanden sofort aus Kurts Gesicht. „Oh....wow,....ich...das tut mir wirklich leid, Lotte....warte...." er runzelte die Stirn. „Was hat es dann mit ihm und Buckley auf sich?"
„E-er hat auf Onkel Alfons Grab gespuckt!" wimmerte ich. „Er hat ge-gesagt, das sie ihm hätte zum verrotten zurück lassen sollen! Und...und...oh, Kurt!" Ich warf meine Arme um seinen Nacken. „Ich fühl mich so schreeeeecklich! Ich weiiiiiiß das er in der S.S war, aber er war Familiiiiiiieee und ich liiiieeebbbeeeeee meine Faaaamiiiiiiliiiie und ich haaaaassssseee Will Buckleeeeeey!"
Für Kurts Ehre, er wurde ziemlich gut darin, sich durch meine emotionalen Zusammenbrüche zu arbeiten. Es war nicht so, als würden sie besonders häufig Auftreten, aber nicht viele Leute konnten mit zwei in einer Woche umgehen. Er ging jedoch mit der Situation, wie ein erfahrener Veteran um, setzte sich zu mir auf das Bett und zog meinen bebenden Körper an seine Brust. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge, als er begann mit seiner Hand beruhigend über meinen Rücken zu fahren.
Nachdem fünf Minuten oder so vergangen waren, hatte ich mich mehr oder weniger beruhigt. Ja, ich war immer noch verärgert, und ja, ich war immer noch betrunken, aber die Wasserwerke, hatten sich mehr oder weniger abgestellt. Kurt setzte mich aufrecht hin, damit er mich richtig ansehen konnte.
„Geht es dir jetzt besser?" fragte er, musterte meine Züge und suchte nach unvergossenen Tränen.
Ich nickte, aber nicht ohne einen kleinen Hickser.
„Gut." antwortete er. „Also, wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss los und einen gewissen Hurensohn namens Will Buckley finden."
Ich schmollte, wütend darüber das er einfach ging. „Warum?"
„Ich schulde ihn eine Tracht Prügel."
„Aber Kuuuuuurt." jammerte ich.
„Nein, Lotte." unterbrach er mich. „Er hat es verdient. Er hat absolut kein Recht, deine Familie so herablassend zu behandeln!"
„Kuuuuurt, bleib bei mir, verlass mich niiiicchhht!" ich warf ihn den besten, flehenden Blick zu, den ich in meinen betrunkenen Zustand aufbringen konnte. „Ich braaaaauuuuuuche dich!" Das stimmte; ich fühlte mich verletzlich und brauchte eine Art moralische Unterstützung.
Er schaute mich ziemlich ernst an und nickte dann verständnisvoll. „Solange du mich brauchst, werde ich für dich da sein. Versprochen."
„Kleiner Finger-Schwur?" fragte ich hoffnungsvoll und streckte besagten Finger aus.
Er lächelte ach so leicht und verhakte dann seinen kleinen Finger mit meinen. „Kleines Finger-Versprechen."
Blöd grinsend versuchte ich aufzustehen, nur um gleich wieder auf das Bett zu fallen. Kurt lachte leise. „Ich denke es ist an der Zeit, zu versuchen dich wieder etwas nüchterner zu machen."
Ich drehte mich um und starrte ihn an. „Und wie genau wollen wir das Anstellen?"
„Mit einer kalten Dusche." antwortete er locker, hob mich in seine Arme und trug mich ins Badezimmer, als ob er jeden Tag betrunkene in Badewannen verfrachten würde.
„Neiiiin." protestierte ich und schlug schwach mit meinen Fäusten gegen seine (zugegebenermaßen gut gebauten) Brust. „Dann werde ich ganz nass!"
Seine Mundwinkel hoben sich in ein Grinsen. „Das ist Sinn und Zweck der Sache." Damit ließ er mich in die Badewanne Plumpsen und griff nach dem Wasserhahn.
„Warte!" wandte ich ein. Ohne Berücksichtigung des offensichtlichen Potenzials für Peinlichkeit, zog ich hastig meine Boxershorts und mein Tank-Top aus, und hoffte sie vor dem Wasser zu retten, damit ich, nachdem Kurt fertig war mich zu foltern, etwas Warmes zum Anziehen hatte. Zufrieden sank ich zurück in die Wanne und trug nur mein nicht zusammenpassendes Höschen und BH.
„In Ordnung, Houdini, mach mich nüchtern!"
Kurt starrte mich für eine Minute mit offenen Mund an, bevor er wieder zur Besinnung kam und den Wasserhahn einschaltete. Eine Welle vom eiskalten Wasser kam in Kontakt mit meiner Haut, was mir einen schrillen Schrei entlockte. Ich bin ehrlich überrascht, dass das Badezimmerfenster nicht zerbrach.

Six weeks with Satan | deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt