2 - Paul

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„PAUL!", schreit mein bester Freund vor meiner Zimmertür und ich schrecke hoch. Schon wieder?
"Was ist?", murre ich. Es ist Samstag, nach dem Tag gestern habe ich beschlossen, heute einfach mal den ganzen Tag im Bett zu bleiben.
Die Tür geht auf und Leon stürmt herein. „Wieso bist du nicht wach?"
Ich blinzele ihn verschlafen an. „Bin ich doch, dank dir. Was willst du?"

"Verarschst du mich? Wir müssen los!"
"Wohin?"
"Alter, Paul. Zum Gericht! Ich kriege doch heute meinen Führerschein wieder!"
"Netter Versuch, aber nein. Da musst du dir schon was anderes ausdenken", antworte ich und drehe mich wieder um. Wütend zieht Leon mir die Bettdecke weg.

„Hey!", protestiere ich.
"Aufstehen. Jetzt. Du hast versprochen, dass du mitkommst."
Ich rolle mit den Augen und nehme mein Handy. Freitag und das Datum von gestern, 8:13 Uhr zeigt mir das Display. Was zur...? Ich schaue Leon entsetzt an.
"Was ist los?", fragt er mich.
"Wir.. wir waren doch gestern schon beim Gericht und du hast deinen Führerschein wiederbekommen", sage ich.
"Dein Optimismus in allen Ehren, aber das wird sich wohl erst gleich zeigen. Und eins steht fest: wenn ich nicht pünktlich bin, kriege ich ihn ganz sicher nicht. Also los jetzt!"

Habe ich das alles nur geträumt? Ich stürze aus dem Bett und stoße mich dabei unsanft am Nachttisch. Fuck! Ich reibe die schmerzende Stelle an meiner Hüfte und humpele durchs Zimmer. Das hätte ich eigentlich kommen sehen müssen.

Schnell reiße ich meinen Kleiderschrank auf und ziehe die erstbesten Sachen an, die ich finden kann. Dann eile ich ins Badezimmer. Ich putze meine Zähne und schaue in den Spiegel. Wieso kommt mir das alles so bekannt vor? Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht und flitze wieder nach draußen.
„Fertig", sage ich und halte mich an der Wand fest. Ich war wohl doch etwas zu schnell unterwegs, alles schwankt.

Wortlos geht Leon nach draußen und ich folge ihm. Im Auto wartet schon Mia.
„Hi Paul", zwitschert sie.
„Morgen", grummele ich zurück.
„Ausgerechnet heute muss er verpennen!", meckert Leon, während Mia losfährt.
Ich rolle mit den Augen. „Ich hab's ja begriffen", schnauze ich zurück.

Zehn Minuten später halten wir vor dem Gerichtsgebäude. Leon zappelt nervös herum. Ermunternd klopfe ich ihm auf die Schulter.
„Du kriegst ihn bestimmt zurück, da bin ich mir sicher."

„Versprechen Sie, in Zukunft umsichtiger zu fahren, Mr. van Beek?", fragt die Richterin. Ergeben nickt Leon und hält dann seinen Blick gesenkt.
„Ihre Probezeit verlängert sich um weitere zwei Jahre, aber Ihren Führerschein haben Sie hiermit wieder. Lassen Sie sich nichts zu Schulden kommen, junger Mann."
Erleichtert seufzt Leon und muss sich ein Grinsen verkneifen.
„Bestimmt nicht, Euer Ehren", erwidert er.

Draußen umarmt er zuerst Mia, dann mich.
„Und jetzt gibt's erst mal Kaffee! Ich fahre!", ruft er ausgelassen und springt ins Auto.
„Gott sei Dank!", sagen Mia und ich wie aus einem Munde. Langsam wird es gruselig.

Leon fährt uns, fast langsam, zum Café. Emma steht am Tresen und kommt freudestrahlend hervor, um uns überschwänglich zu begrüßen. Wir setzen uns an einen freien Tisch und Emma kommt mit einem Tablett mit unseren Getränken herüber und beginnt schon aufgeregt zu plappern, während sie Leon seinen Kaffee vor die Nase stellt.

Das Nächste, was ich merke, ist heiße, milchige Flüssigkeit, die sich über meinen Nacken und meinen Rücken ergießt, weil Emma mal wieder nicht aufgepasst hat und ihr ein Kaffeeglas runtergefallen ist. Fuck! Jetzt fällt es mir wieder ein.

Ich springe auf und Leon hält sich vor Lachen den Bauch.
„Jetzt hast du ja doch noch deine Dusche!"
Ich funkele ihn wütend an und will etwas Bissiges erwidern, doch Emma schlägt sich auf seine Seite und meckert mich an: „Jetzt stell' dich nicht so an, Paul!"
Ohne ein weiteres Wort verlasse ich das Café und mache mich, schon wieder klebrig und ohne Kaffee in meinem Magen, auf den Weg nach Hause.

Wiederholungsfall | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt