Wiederholungsfall | ✓

3 - Paul

„PAUL!", schreit mein bester Freund vor meiner Zimmertür und ich schrecke hoch. Okay, irgendwas läuft hier richtig falsch. Ich nehme mein Telefon und blicke ungläubig auf das Datum. Freitag, 8:13 Uhr. Schon wieder? Bin ich Bill Murray?
Die Tür geht auf und Leon stürmt herein.
„Wieso bist du nicht wach?"

Ich reibe mir die Augen und murmele: "Ich bin wach, Leon. Und ich weiß, wir müssen zum Gericht. Und du wirst deinen Führerschein zurückbekommen. Und ich stehe gleich auf, du kannst schon mal draußen im Auto bei Mia warten."

Verdutzt klappt Leons Mund auf und zu und er geht wortlos aus dem Zimmer. Ich stehe langsam auf und vermeide dabei meinen Nachttisch. Check!
Sachen raussuchen, anziehen, Zähne putzen und dann zu Leon und Mia ins Auto.
„Hi Paul", zwitschert sie.
„Morgen", antworte ich.
„Ausgerechnet heute muss er verpennen!", meckert Leon, während Mia losfährt.
Ich rolle mit den Augen. Check!

Zehn Minuten später halten wir - wieder - vor dem Gerichtsgebäude. Leon zappelt nervös herum. Ermunternd klopfe ich ihm auf die Schulter.
„Alles wird gut, Kumpel."
Eine Stunde später kommen wir wieder heraus und er umarmt zuerst Mia, dann mich.
„Und jetzt gibt's erst mal Kaffee! Ich fahre!", ruft er ausgelassen und springt ins Auto.
„Gott sei Dank!", sagen Mia und ich wie aus einem Munde. Check!

Leon fährt uns, fast langsam, zum Café. Emma steht am Tresen und kommt freudestrahlend hervor, um uns überschwänglich zu begrüßen. Wir suchen uns den gleichen Tisch wie immer, doch bevor Leon sich setzen kann, dränge ich ihn weg und setze mich dort hin, wo er sonst immer saß.

Während ich mich setze, fällt mein Blick auf einen Tisch am Ende des Cafés und dort sitzt dieser eine Typ von meinem Zusammenstoß vor dem Supermarkt, den ich auch abends bei Nicole gesehen habe. Aber gestern war ich gar nicht im Supermarkt. War er jeden Morgen hier?

Wie erwartet kommt Emma mit einem Tablett mit unseren Getränken herüber und beginnt schon, aufgeregt zu plappern, während sie heute einen Kaffee vor meine Nase stellt. Ich beobachte amüsiert, wie das große Glas Latte Macchiato auf ihrem Tablett beginnt zu schwanken und schließlich kippt, um seinen Inhalt über Leons Nacken und Rücken zu ergießen. Ich kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Check!

Leon springt auf und meckert los, während Mia sich die Hand vor den Mund hält und leise kichert. Emma unterbricht sein Meckern mit einem deutlichen: „Jetzt stell' dich nicht so an, Leon!"
Mir fällt ein, dass ich gleich noch meine Arbeit in Analysis schreibe, dummerweise habe ich heute früh nicht daran gedacht, direkt meinen Rucksack mitzunehmen. Ich entschuldige mich bei den anderen und mache mich auf den Weg nach Hause.

Ich überquere die Straße und habe das merkwürdige Gefühl, dass mich jemand verfolgt. Als ich mich umdrehe, sehe ich den Supermarkt-Nicht Supermarkt-Typen, der mich anstarrt. Vor ihm steht ein dunkelhaariger Typ und will ihn offenbar gerade küssen und ich wende meinen Blick ab, um schnell nach Hause zu kommen und meinen Rucksack zu holen.

Vor allen anderen betrete ich den Vorlesungssaal und suche mir einen Platz in der hintersten Reihe, um nochmal in Ruhe meine Aufzeichnungen durchzugehen. Nach und nach füllt sich der Raum mit Studenten und schließlich kommt auch der Professor und verteilt die Aufgabenblätter. Zumindest bin ich heute nicht mehr ganz so planlos, aber alles weiß ich dennoch nicht.

Drei Stunden später strömen alle aus dem Saal und mir fällt ein, dass draußen im Flur Jane lauert. Fuck! Ich überlege krampfhaft, wie ich der Situation entkommen kann. Ich weiß, ich kann nur verlieren, egal, was ich mache. Just in diesem Moment klingelt mein Handy. Meine Mutter ruft an und dieses Mal bin ich mehr als erleichtert darüber.
"Hi Mom", rufe ich freudig ins Telefon.
"Hey mein Schatz. Ist alles okay bei dir?", fragt sie überrascht.
"Na klar, wieso?"
"So gut gelaunt gehst du sonst nie ans Telefon."
Während ich mit ihr weiterplaudere und sie nach einem Rezept frage, damit sie bloß weiterredet, gehe ich aus dem Vorlesungssaal.