Wiederholungsfall | ✓

4 - Oscar

Mein Wecker auf dem Smartphone weckt mich pünktlich um 7:00 Uhr. Ich taste danach und schaue aufs Display. Freitag und das Datum von gestern leuchten mir entgegen. Wieder. Zwei Anrufe in Abwesenheit von Steve. Eine Nachricht von Katherine. ‚Bist du wach?' Von 1:47 Uhr.
Auch wieder.

Bevor ich aufstehe, beschließe ich allerdings, dass ich die beiden Nervensägen gleich von Anfang an ausschalte.

Sorry, es bleibt bei dem
einen Mal. Bin kein Typ
für Beziehungen. Bitte
ruf' nicht mehr an.

Diese Nachricht schicke ich an beide und hoffe, dass ich damit weiteren unangenehmen Begegnungen aus dem Weg gehen kann.

Anschließend stehe ich auf und gehe ins Badezimmer. Ich schaue in die Dusche und nehme mein Duschgel hoch. Es ist fast alle. Wieder. Das gleiche mit der Zahnpasta und dem Haargel. Ich wühle in der Schublade und finde in der hintersten Ecke der Schublade die alte Probepackung Haargel. Wieder. Vielleicht spare ich mir den Einkauf heute. Ich habe das ungute Gefühl, dass auch morgen wieder Freitag sein wird.

Nachdem ich aus dem Badezimmer komme, mache ich mir gar nicht erst die Mühe, nach Kaffee zu suchen und gehe gleich nach unten. Mrs. Rogers versucht wieder ihr Apartment aufzuschließen. Ich nehme ihr lächelnd den Schlüssel aus der Hand und öffne ihre Tür.
"Ach Oscar, das musst du doch nicht..", beginnt sie zu widersprechen, doch in dem Moment klingelt schon ihr Telefon und sie blickt mich dankbar an, bevor sie in ihre Wohnung eilt.

Ich springe die restlichen Treppen runter und stoppe kurz vor unserem Postboten. Bevor er mich fragen kann, ob ich das Paket annehmen kann, sage ich schon: „Sorry, keine Zeit, aber Mrs. Rogers ist da", und mache mich auf den Weg zum Café.

Am Tresen fragt mich Emma nach meiner Bestellung.
„Einen Kaffee bitte. French Press. Mein Name ist Oscar", sage ich und lege das Geld auf den Tresen. Sie schaut mich verblüfft an, kritzelt meinen Namen auf einen Zettel und sagt dann nur: "Okay, ich bringe es dir gleich zum Tisch."

Wieder wähle ich den kleinen Tisch am Fenster und warte, dass das übliche Theater beginnt. Heute habe ich vor, wenn der Große wieder keinen Kaffee abbekommt, ihn darauf anzusprechen.
Emma bringt mir eine Kaffeetasse und die French Press.
„Warte noch vier Minuten bis du runterdrückst", weist sie mich an und geht dann zurück zum Tresen. Ich schaue auf meine Uhr.

Die Tür öffnet sich und wie erwartet, kommen Leon und Mia rein. Wo ist der Große? Emma begrüßt beide und ich starre nach draußen. Was ist hier los?
Leon und Mia setzen sich und Emma bringt ihnen ihre Getränke. Kein Glas fällt runter, ich sehe auf meine Uhr und vier Minuten sind um. Ich drücke den Stab herunter und kann mich darüber nicht freuen. Irgendwas ist heute komisch.

Während ich meinen Kaffee trinke, der übrigens mit einer Vier-Minuten-Ziehzeit einfach fantastisch schmeckt, zermartere ich mir mein Hirn, was ich nun tun soll. Ich war mir sicher, dass er bescheid weiß, aber um meine Theorie zu beweisen, hätte er hier sein und dem Glas ausweichen müssen. Okay, indem er nicht da war, ist er dem Glas auch ausgewichen, aber irgendwie zählt das nicht richtig.

Mürrisch mache ich mich schließlich auf den Weg nach Hause. 'Erweiterte Grundlagen der Statik' habe ich jetzt schon zwei Mal gesehen, heute habe ich keine Lust darauf. Tino ist, wie erwartet, noch im College, darum bin ich allein zu Hause und kann vor mich hingrübeln. Ich werde wohl oder übel warten müssen, bis wir heute Abend bei Nicoles Party sind und auch dann habe ich keine Garantie, dass er diesen Tag genauso wiederholt erlebt wie ich.

Ich lümmele mich aufs Sofa, lehne mich zurück und schließe meine Augen, vielleicht fällt mir später noch eine Lösung dazu ein.
„Oscar?", weckt mich Tino. Ich schrecke hoch und muss mich kurz orientieren.
„Was?", murmele ich verschlafen.
„Wieso bist du schon zu Hause?"
„Hä?"
„Hast du heute keine Vorlesungen?"
„Keine Lust", murmele ich.
Er lacht auf und lässt sich neben mich aufs Sofa plumpsen, nachdem er seine PlayStation eingeschaltet hat.
„Eigentlich bin ich immer derjenige, der sowas sagt."

„Heute Abend Party bei Nicole?", frage ich Tino.
Er blickt gar nicht vom Spiel auf und macht nur: „Hä?"
Ich rolle mit den Augen.
„Wollen wir heute Abend zu Nicoles Party?"
„Nicole schmeißt eine Party?", fragt er. In dem Moment piept sein Handy mit einer Nachricht. Er setzt das Spiel auf Pause und sieht nach.
„Nicole schmeißt heute Abend eine Party und fragt, ob wir auch kommen", erklärt er.
„Sag' ich doch", grinse ich. Wieder.

Ein paar Stunden später stehe ich wieder unten vor der Haustür von Nicoles Haus. Viele Leute gehen an mir vorbei und sehen mich argwöhnisch an, weil ich wohl wie ein Freak wirke, aber ich will ihn dieses Mal auf jeden Fall ansprechen.
Emma, Leon und Mia passieren mich wieder und beachten mich auch dieses Mal nicht weiter.

Eine halbe Stunde später ist er immer noch nicht da. Fuck! Was ist passiert? Habe ich ihn mir nur eingebildet? Ich überlege, nach Hause zu gehen, entscheide mich dann jedoch dagegen. Ich habe eine bessere Idee. Wenn morgen wieder Freitag ist, hilft mir dieser Einfall vielleicht weiter. Schnell gehe ich nach oben und betrete Nicoles Wohnung.

Da ich später dran bin als beim letzten Mal, stehen Emma, Leon und Mia schon bei Nicole und unterhalten sich angeregt mit ihr.
"Und dann hab' ich ihr gesagt, dass er schwul ist", kichert Emma und hält sich die Hand vor den Mund.
"Was?", ruft Leon und lacht lautstark los.
Nicole schaut die beiden belustigt an und sagt dann etwas ernster: "So abwegig finde ich den Gedanken gar nicht."

Emma reißt die Augen auf und fragt: "Wie bitte?"
"Naja.. ich habe einen ganz guten.. hey Oscar!", ruft Nicole erfreut, als sie mich hinter ihren Gästen erblickt. Lächelnd gehe ich auf sie zu und umarme sie liebevoll.
„Sorry, wurde etwas später."
"Kein Problem. Leute, das ist meine Sandkastenliebe, Oscar. Oscar, das sind Emma, Leon und Mia", stellt Nicole uns einander vor. Wieder.

Ich lächle mild und reiche allen die Hand.
„Liebe ist übertrieben, Nicole hat mich bislang immer abblitzen lassen", erkläre ich lächelnd.
Emma schaut mich grübelnd an.
„Warst du heute früh nicht im Café?", fragt sie mich geradeaus.
Grinsend nicke ich. „Wow, dass du dir das gemerkt hast. Habe ich so einen bleibenden Eindruck hinterlassen?", schmeichle ich.

Sie lacht und nickt. „Ja, wir haben nicht viele Gäste, die direkt wissen, wie man bestellt und ich fand deinen Namen so auffällig."
Ich lächele sie an und frage: "Was kann denn an einer Kaffeebestellung so schwer sein?", frage ich, wohlwissend, dass ich bis vor ein paar Tagen - in meiner persönlichen Zeitrechnung zumindest - einer dieser Idioten war.

"Du hast ja keine Ahnung! Manche wissen nicht mal, was der Unterschied zwischen Pour Over und French Press ist", lästert sie los.
"Nicht dein Ernst!", entsetze ich mich und wir geraten in ein witziges Gespräch über die Absurdität von Gästen des Cafés.

"Warum lasst ihr Oscar das nicht austesten?", fährt Nicole plötzlich dazwischen.
Emma und ich blicken sie fragend an. Leon und Mia, die sich während meines Gesprächs mit Emma mit Knutschen die Zeit vertrieben haben, blicken nun ebenfalls auf.
"Was?" fragt Emma.
"Ob Paul schwul ist", strahlt Nicole.
"Nicole, das war ein Witz! Ich sollte nur Jane für ihn loswerden", erwidert Emma.
"Wer ist Paul?", frage ich.
"Emmas Bruder", erklärt Nicole.

Mir schwant, um wen es geht und ich werde hellhörig.
"Nein, Nicole. Was soll denn das? Außerdem kannst du doch nicht von Oscar erwarten, sich an einen Mann heranzumachen", protestiert Emma.
"Warum nicht? Oscar ist nicht besonders wählerisch", kichert Nicole und ich schubse sie entsetzt.
"Was soll das denn bitte heißen?", empöre ich mich.
"Ich wollte damit nur sagen, dass Oscar in.. sagen wir.. allen Meeren fischt", grinst sie.
Emma schaut mich mit großen Augen an.

Ich tue so, als ob ich überlege. „Sieht dein Bruder denn gut aus?", frage ich, obwohl ich die Antwort schon kenne.
"Hallo?", mischt Nicole sich wieder ein. "Dass er nur studiert und nicht modelt, ist mir bis heute schleierhaft."
Ich hake mich interessiert bei Emma ein und sage nur verschwörerisch: "Erzähl' mir alles."