Wiederholungsfall | ✓

8 - Oscar & Paul

Mein Wecker auf dem Smartphone weckt mich pünktlich um 7:00 Uhr. Ich taste danach und schaue aufs Display. Freitag und das Datum von gestern leuchten mir entgegen. Ich grinse breit. Heute ist es das erste Mal, dass ich mich freue, dass ich diesen Tag wieder erlebe, denn gestern bin ich mit Paul ein entscheidendes Stück weitergekommen. Immerhin hat es mich zwei Wiederholungen gekostet, dass er mir zumindest zugehört hat.

Erst hatte ich Emma auf Nicoles Party mit Wodka Rosé so redselig gemacht, dass sie mir alles über ihren hübschen, aber in ihren Augen einsamen Bruder erzählt hat. Den Rest hat Jane übernommen und so konnte ich gestern meinen nächsten Versuch starten, nachdem die Kaffeedusche diesen Dickkopf ja zur Vernunft bringen sollte.

Um den Rest des Tages meine Ruhe zu haben, schreibe ich meine üblichen Nachrichten an Steve und Katherine. Danach wähle ich eine Nummer, die ich gestern Abend auswendig lernen musste und halte mir mein Telefon ans Ohr. Es klingelt. Einmal. Zweimal. Dreimal.

"Hallo?", fragt eine weibliche Stimme, die recht alt klingt. Verwirrt sehe ich auf das Display und lege schnell auf. Ich krame in meinem Gedächtnis und versuche es erneut. Vielleicht ein Zahlendreher.
Nächster Versuch - Nummer nicht vergeben.
Dann - Mailbox von Agneta.
Zwei ältere Männer und ein Kind später gebe ich auf.

Seufzend stehe ich auf, gehe ins Badezimmer und mache mich mit meinen üblichen Kosmetikresten fertig. Direkt danach flitze ich nach unten und begegne Mrs. Rogers erst unten an der Haustür, da muss sie heute ihr Telefonat leider verpassen.
"Hallo Oscar", lächelt sie mich an.
"Hallo Mrs. Rogers. Ich wünsche Ihnen einen zauberhaften Tag!", schmeichle ich und sie kichert, während ich weitergehe und mich auf den Weg zum Café mache.

Am Tresen fragt mich Emma nach meiner Bestellung, wie jeden Morgen kennt sie mich nicht.
„Einen Kaffee bitte. French Press. Mein Name ist Luke Skywalker", sage ich und lege das Geld auf den Tresen. Sie schaut mich verblüfft an, grinst kurz über den Namen, kritzelt ihn aber auf einen Zettel und sagt dann nur: "Okay, ich bringe es dir gleich zum Tisch, Luke."

Ich setze mich heute wieder an meinen kleinen Tisch am Fenster. Kurze Zeit später bringt mir Emma eine Kaffeetasse und die French Press.
„Warte noch vier Minuten bis du runterdrückst", weist sie mich an und geht dann zurück zum Tresen. Ich schaue auf meine Uhr und während ich warte, denke ich zurück an den gestrigen Abend.

Nachdem Paul sich von mir überreden ließ, zumindest eine Wiederholung - wir beide sprechen mittlerweile nicht mehr von Tagen - einmal nicht das zu tun, was wir immer taten, tauschten wir unsere Nummern aus.
Kurz bevor jeder seiner Wege ging, fiel mir ein, dass seine Nummer heute früh nicht mehr in meinem Handy sein würde und so sagte ich sie mir den ganzen Nachmittag vor, um sie mir einzuprägen.
Dass Auswendiglernen nicht zu meinen Stärken zählt, habe ich ja heute früh feststellen dürfen.

Abends ging ich allein auf Nicoles Party und erzählte Jane, die etwas enttäuscht war, nicht uns beide anzutreffen, dass ihn eine Migräneattacke ereilt hatte. Ich glaube, er nahm mir das mit dem Kuss immer noch übel, obwohl er kein Wort mehr darüber verloren hat.

Die Tür öffnet sich und Leon und Mia kommen mit Paul rein. Sobald er das Café betritt, sieht er in meine Richtung und zögert kurz, bevor er sich bei den anderen entschuldigt und auf mich zukommt.
"Wieso hast du nicht angerufen?", flüstert er.

Ich lächele ihn an. "Guten Morgen, Paul. Leider sind Zahlenfolgen nicht so meine Stärke."
Er scheint verwirrt. "Was?"
"Ich hab die Nummer wohl durcheinandergebracht und nach dem fünften Versuch habe ich verzweifelt aufgegeben, denn ich wusste ja, wo ich dich finde."
Er seufzt und fährt sich mit der Hand durch seine wuscheligen Haare.
„Ich musste schon wieder mit zum Gericht. Das ist so langweilig", jammert er.
Ich lache. "Okay, ich werde heute fleißig deine Nummer üben, damit ich dich morgen früh anrufen kann."