7 - Irgendwo zwischen halb tot und Tiefschlaf

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»Oh mein Gott, das ist so aufregend!«, quietscht die Nervensäge vom Dienst neben mir und hüpft wie ein Gummiball auf und ab, als wolle sie den neuen Rekord im Springen ohne Seil schaffen.

»Oh mein Gott, warum bin ich heute Nacht nicht gestorben?«, ahme ich sie schlecht gelaunt nach und lehne mich zurück. Ich bin nicht einmal mehr genervt. Meine Nerven habe schon vor einer viertel Stunde »Adiós« gesagt. Und so schnell werden sie wohl auch nicht mehr zurückkommen. Da kann ich mich hervorragend auf Nico verlassen.

Vielleicht sollte ich euch mal von den ganzen Fragezeichen erlösen. Seit Nicos Ankunft sind geschlagene siebzehn Stunden vergangen. Über acht davon haben wir mit schlafen verbracht. Gerade ist es kurz nach zehn und wir beide sind schon hellwach. Wahrscheinlich, weil wir keine besonders langen Langschläfer sind und meist schon um neun Uhr vollkommen betriebsfähig sind. Jedenfalls was meinen Teil betrifft. Nico kann man um neun Uhr noch nicht wach nennen. Es ist eher so ein Stadium zwischen halb tot und Tiefschlaf. Aber ich schweife ab.

Inzwischen ist sie seit einer guten halben Stunde auf fünfzig Ecstasys, obwohl sie keinen einzigen dieser ekelhaften Dinger getrunken hat. Allerdings lässt sich ihr Verhalten so am besten beschreiben. Der Grund ist ganz einfach: Das Filmteam soll heute kommen. Tja und als der Sonnenschein in Person diese grausame Nachricht erfahren hat, ist sie zu einem nervenraubenden Flummi mutiert. Im Gegensatz zu meiner Wenigkeit, die mit dem Gedanken spielt, sich zu ertränken.

»Man Angi! Jetzt sei mal nicht so! In euer Kaff kommt endlich mal Leben und du bist so mies drauf! Jetzt freu' dich mal!«, protestiert Nico und ich rolle mit den Augen. Sie wird wohl nie kapieren, dass es Menschen gibt, die andere Menschen hassen. So wie ich.

Verschwörerisch lehnt sie sich zu mir rüber. »Und vielleicht finden wir ja einen süßen Typen für dich«, flüstert sie mir ins Ohr, richtet sich wieder auf und zwinkert mir zu. Ich verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke. An manchen Tagen scheinen sich die Gehirnzellen meiner Freundin ein paar Stunden zu viel in der Sonne aufgehalten zu halben. Jedenfalls würde das erklären, warum so viele zu Brathähnchen mutiert und nicht mehr einsatzfähig sind.

»Bitte was?!«, würge ich hervor und überlege zum zweiten Mal an diesem Tag, ob der Tod nicht die bessere Karte wäre. Hatte Nico ernsthaft vor, mich zu verkuppeln? Mich, die die männliche Spezies generell hasst und definitiv keine Lust auf eine Beziehung hat?

»Was denn? Du hattest noch nie einen Freund!«, verteidigt Nico sich und ich verkneife es mir, ihr zu sagen, dass es bei ihr nicht anders ist. So gemein bin ich dann auch wieder nicht. Jedenfalls nicht zu ihr.

»Schon mal daran gedacht, dass das einen guten Grund hat?«, grummele ich und lehne mich etwas nach vorne, um ihr ins Gesicht sehen zu können. In diesem spiegelt sich ekelhafte Hoffnung gepaart mit klebriger Vorfreude auf die kommende Hölle. Die perfekte Mischung, damit mein Mageninhalt auf Wanderschaft geht.

»Ja! Weil du nur hier bist und es keine Jungs in deinem Umfeld gibt!«, gibt Nico prompt ihre Vermutung kund und scheint diesen Schrott auch noch ernsthaft zu glauben. Wäre irgendwo in der Nähe ein Gegenstand - vorzugsweise eine Tür - hätte ich mir wohl freiwillig ein paar Gehirnzellen abgetötet, in der Hoffnung, das alles mit Humor nehmen zu können.

»Das glaubst du doch selbst nicht!« »Warum denn nicht? Ist doch so! Oder ist hier auf wundersame weiße irgendwer in deinem Alter hingezogen, den du mir verschwiegen hast?« Neugierig hebt sie eine perfekt gezupfte Augenbraue und blickt mich hoffnungsvoll an. Ich unterdrücke den Drang, die Flucht zu ergreifen.

»Nein, zum Glück nicht! Und ich hasse Jungs, das weißt du ganz genau! Also lass mich mit dem ganzen Geschnulze bloß in Ruhe! Ich werde für immer eine glückliche Single sein, kapier das endlich!«, gebe ich aufgebracht von mir. Mein das-meine-ich-verdammt-ernst-Blick unterstreicht meine Worte hoffentlich. Ansonsten bleibt mir wohl nichts anderes, als meinem Intellektuell zuliebe das Weite zu suchen, bevor ich noch mit diesem Mist verseucht werde.

Engel haben keine FlügelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt