Engel haben keine Flügel

8 - Psychopatischer Maulwurf

Der alte Kauz taucht aber irgendwie immer dann auf, wenn man ihn am liebsten zu den Löwen schicken würde. Wobei das eigentlich immer ist. Besitzt er irgendwie so etwas wie ein Ich-finde-die-Leute-deren-Nerven-ich-killen-kann-Radar? Wundern würde es mich nicht, schließlich ist der Typ noch gruseliger als Nicos Kitschromane und dass er über fragwürdige, dunkle Kräfte verfügt, wäre angesichts meiner Fähigkeiten auch nicht sonderlich unwahrscheinlich.

Ich beschließe, mich schnell vom Acker zu machen, um möglichen intelligenzschädigenden Kommentaren aus dem Weg zu gehen, als das Dummerchern aka Nico den Mund öffnet.

»Oh, hallo Mr. Petersen! Wie geht es Ihnen?«, fragt sie doch tatsächlich und ich überlege, zum Gartenzaun zu kriechen und meinem Kopf ein paar Gehirnzellen weniger zu verpassen. Diese verdammte Freundlichkeit kann mich mal kreuzweise und sollte verboten werden. Erstens kommt das Stellen dieser Frage einem Todesurteil gleich – jedenfalls bei dieser Person – und zweitens meint keine Person auf diesem Planeten diese gottverdammte Frage ernst.

»Wie geht es dir?« Wie viel Prozent würden wohl ehrlich antworten? Vielleicht kommen wir ja mit Ach und Krach auf die 1 %. Aber nur, wenn man großzügig überschlägt. Jeder andere Mensch zieht sich eine Antwort von wegen «Super» aus den Finger, meint aber meist das Gegenteil oder will die Worte »geht dich einen Scheiß an« einfach nicht aussprechen. Klar, das wäre ja auch so unfreundlich. Was dann auch ein erstklassiger Beweis der Oberflächlichkeit unserer Gesellschaft wäre. Was Nico und andere Menschen allerdings nicht davon abhält, dieser Frage so oft zu stellen, wie sie auf die Toilette gehen. Also sehr, sehr oft.

»Hä?«, krächzt der Ordnungsfanatiker dämlich wie eh und je und mein Blick wandert zu den weißen Latten. Mein Kopf wird es mir sicherlich verzeihen, wenn ich ihn von diesen Qualen erlöse. Selbst wenn das heißt, dass ich in den nächsten Tagen als Einhorn mit Hornwachstumsproblemen herumlaufen muss.

»Geht es Ihnen gut?«, fragt Nico erneut, immer noch mit dem hässlichen Zahnpastagrinsen auf den Lippen und mindestens genauso ekelhaft freundlich. Himmel, darf ich bitte kotzen?

»Wer hat mit dir gesprochen, heh? Und überhaupt, was sitzt du da draußen so rum?« Eins muss man diesem Griesgram lassen: Er haut nicht die gleiche Klischeescheiße raus, wie jeder andere gehirnamputierter Dummkopf. Allerdings habe ich mich zu früh gefreut, als ich dachte, das Gespräch sei damit beendet. »Die Jugend von heute! Faul wie ein Hund und nützlich wie ein Stück Scheiße! Hast du nicht was zu tun? Putze oder kochen, heh? Mach dich mal nützlich und sitzt hier nicht so faul in der Sonne herum! Andere müssen auch arbeiten!«

»Ich...ich...«, stottert Nico überrumpelt und ich blicke zu ihr. Das sonst so steinfeste Lächeln ist etwas verrutscht und sie wirkt mehr als nur unsicher. Und auch etwas gekränkt. Bei jedem anderen hätte ich jetzt gelacht oder zumindest Genugtuung verspürt, weil er endlich mal auf seiner Schleimspur ausgerutscht ist. Aber nicht bei Nico. Bei ihr werde ich sauer. Und zwar verdammt sauer.

Langsam drehe ich mich zu dem Mann am Gartenzaun herum und fixiere ihn mit festem Blick. Niemand verletzte Nico, wenn ich dabei bin. Niemand. »Höflichkeit ist wohl ein Fremdbegriff für Sie, was?« Sagt genau die Richtige... Mr. Petersen dreht sich mit maulwurfähnlichen Augen zu mir und blickt mich an, als wäre ich eine fette, hässliche Spinne, die man abmurksen sollte. Was dann wohl auch Gegenseitigkeit beruht.

»Wagen Sie es noch einmal, meine Freundin so anzufahren und ich schwöre Ihnen, ich werde in Ihrem Garten so viele Maulwürfe aussetzen, dass Sie über einen dieser verdammten Hügel fliegen, sobald sie Ihre stinkenden Drecksfüße auch nur aus der Tür strecken!«, fauche ich ihn wütend an und versuche trotz meiner alles andere als günstigen Position respekteinflösend rüber zu kommen. Wahrscheinlich fühlt sich Mr. Petersen gerade wie ein Riese, der von einem winzigen Zwerg zusammen geschissen wird. Die Wirksamkeit muss ich wohl kaum sagen.