»Weißt du, ich warte nur noch auf den Moment, wenn dein Traumtyp mal vor dir steht und du hoffnungslos verknallt bist«, seufzt Nico auf meine Antwort hin. Ich verziehe verächtlich das Gesicht. »Das wird nie passieren« Ich meine jedes meiner Worte ernst. Bitterernst. Ernsthaft, wie kann man sich so einen anhänglichen Typen nur freiwillig an den Fuß binden? Ich habe Lancelot. Er ist eindeutig männlich. Und ein kompletter Arsch.
Okay, okay, ich denke nicht, dass ich einen Kater mit einem Menschen vergleichen kann. Das Bedürfnis nach einer anderen - männlichen - Person verspüre ich trotzdem nicht. Anders als Nico oder die vielen anderen Mädchen in meinem Alter, für die Jungs so etwas wie Sauerstoff sind. Und ja, ich gehöre zu der seltenen Sorte der Ungeküssten, was das angeht. Sagen wir einfach, es gab nie einen Typen in der Nähe.
Wobei das so nicht ganz stimmt. Es gab einen. Ein Ekel von Enkel einer der Bewohner hier. Ein richtiger Schleimbatzen. Alleine bei seinem Anblick wollte mein Frühstück guten Tag sagen und ich hätte nicht übel Lust gehabt, es auf seinen weißen Markenklamotten zu verteilen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie es überhaupt dazu kam, dass er sich mir auf zehn Zentimeter nähern konnte. Was ich aber weiß, ist, dass sich sein Gesicht genauso schwabbelig angefühlt hat, wie es aussah. Ich muss es wissen, schließlich habe ich ihm meine Faust ins Gesicht gerammt. Danach war er sauer und hat mich die restliche Zeit in Ruhe gelassen. Mir war es nur recht.
Was kann ich denn dafür, wenn dieser Typ nicht checkt, dass eben nicht jeder auf eine schlabbrige Schnecke hereinfällt? Jedenfalls hatte ich seitdem eigentlich zu keinem Jungen mehr Kontakt - jedenfalls keinen in meinem Alter. Und das kann auch liebend gerne so bleiben!
Ich verstehe sowieso nicht, was alle daran so toll finden, sich eine Zunge in den Hals stecken zu lassen. Okay, viele sind einfach zu inkompetent, um das Wort „Hygiene" überhaupt verstehen zu können, aber ich für meinen Teil lege da ziemlich viel wert drauf. Ich war nie herausragend gut in der Schule, aber selbst ein Dummer weiß, wie viele Bakterien in den stinkenden Kauhöhlen hausen. Deshalb verzichte ich auch dankend auf die Keimschleuder.
»Das sagst du immer!«, meckert Nico. Klar, was sollte ich auch sonst sagen? Dass ich eines Tages meinen Traumprinzen treffen und mit ihm in sein schwanenweißes Schloss ziehe werde? In einen pinkfarbenen Prinzessinentraum mit fünf riesigen Kleiderschränken, wo mir jeder aus der Hand frisst, als wäre ich die Queen höchstpersönlich? Nicht zu vergessen, dass meine Liebe stinkreich wäre und mir die ganze Welt zu Füße legen würde, als gäbe es nichts Wichtigeres als mich in seinem Leben. Schon alleine die Vorstellung bringt meinen Mageninhalt in Wallung. Das hört sich wie aus einem beschissenen Kitschroman an, wo die Protagonisten am Ende mit einer Kutsche durch den schneebedeckten Park fahren und alle mit ihrem Psychogrinsen anstecken! Ehrlich, da verbringe ich lieber einen Tag alleine mit Lancelot! Und ihr wisst selbst, was für ein Biest er ist.
»Ja und?« Nico geht nicht weiter auf meinen Einwand ein, sondern quasselt einfach weiter. Manchmal frage ich mich echt, ob sie nicht irgendeinen On-Off-Knopf hat, der aktiviert wird, sobald ich den Mund aufmache. Oder das Thema »Jungs« beginnt. So oder so, ich muss endlich mal hinter das Geheimnis des Off-Knopfes kommen.
»Stellst du dir das nicht romantisch vor? Stell dir vor, du wachst jeden Tag neben einem süßen Typen auf und er küsst dich und-« »...er hat Mundgeruch«, unterbreche ich Nicos hoffnungslose Schwärmereien. Naiv und unrealistisch, so würde ich das Ganze nennen. Aber ich bin auch nicht Nico und zeige zudem zum Pessimismus. Was soll man also anderes erwarten?
Für mich hört sich das, was sie da so verträumt vor sich hin brabbelt, nach einem Horrorfilm der höchsten Stufe an. Gruselig, dass sich manche Menschen tatsächlich so etwas wünschen. Ich meine, was soll bitte daran so schön sein, eine Klette an dir kleben zu haben? Ich bin schließlich an meinen verfluchten Rollstuhl gebunden, also weiß ich, wovon ich spreche. Mädchen wie Nico saßen aber noch nie in einem Rollstuhl. Jedenfalls nicht für so lange Zeit. Da kann ich schlecht erwarten, dass sie mich kapiert. Das heißt dann, dass ich mal wieder die Arschkarte gezogen habe. Glück sieht anders aus.
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Engel haben keine Flügel
Novela Juvenil»Du bist wie ein Engel ohne Flügel« »Und wer sagt, dass Engel Flügel haben?« *** Wenn man einen sprechenden Kater und die Fähigkeit, Auren zu sehen besitzt, kann man mit Fug und Recht behaupten, sein Leben sei alles andere als normal. Falls man dann...