Verwundert lasse ich das Messer und den Apfel sinken und gehe im Kopf alle möglichen Menschen durch, die jetzt kommen könnten. Ein Einbrecher oder Auftragskiller stehen ganz oben auf der Liste, aber die würden wohl kaum die Klingel bestätigen. Außer wir haben es hier mit einem selten dämlichen Exemplar zu. Wobei der einem dann schon leid tun kann. Seine Kariere wird wohl enden, bevor sie überhaupt angefangen hat. Einbrecher oder ein skrupelloser Killer zu sein, erfordert halt auch ein gewisses Talent.
Falls ihr euch jetzt fragt, warum ein alltägliches Geräusch so anormal ist, hier kleine kleine Begründung. Wie schon einmal gesagt sind alle in diesem Dorf nervig Neugierig und haben Vertrauen in alles und jeden. Weshalb die Türen auch zu jeder Tageszeit offen stehen. »Wir haben sowieso nichts wertvolles hier«, lautet immer die Begründung. Ich habe ehrlich keine Ahnung, was genau die Leute so ein Vertrauen haben lässt, aber bitte, wenn sie es wollen. Es ist ja nicht mein Problem, wenn dann plötzlich der ach so teure Familienschmuck auf unerklärliche Art und Weiße verschwunden ist. Was ich eigentlich damit sagen will: Niemand hier im Dorf klingelt. Also kann es schon einmal niemand von hier sein. Was wiederum die Frage aufwirft, welcher verfahrene Idiot uns stört.
»Ich gehe!«, sage ich, bevor Oma reagieren kann. Ich sehe schon, wie ihr Arm zuckt, aber ich habe keine Lust, nachher verbrannte Bratkartoffeln zu futtern. Oder selbst auf diese Dinger aufzupassen. Zumal Oma viel zu lieb ist. Am Ende bietet sie dem Störenfried auch noch Tee an! Nee danke, da übernehme ich das rausschmeißen lieber direkt!
Leise ächzend lasse ich mich in meinen Rollstuhl plumpsen und fahre durch die enge Küche in den Flur. Meine ekelhaft klebenden Hände wische ich notdürftig an meiner Hose ab. Ich hasse das Gefühl von schmierigen Händen und bereue es zutiefst, sie nicht gewaschen zu haben. Wer auch immer stört, er oder sie hätte auch noch ein paar Sekunden länger verkraftet. Und sollte es ihm oder ihr doch zu lange dauern, müsste ich mich wenigstens nicht mehr um die Entsorgung kümmern.
Schließlich habe ich die hölzerne Türe erreicht und reiße sie schwungvoll auf. Mit meinem besten verpiss-dich-Gesicht stelle ich mich mitten in den Türrahmen und vespere den Weg ins Innere. Der oder die soll bloß nicht glauben, er wäre hier Willkommen!
Im nächsten Moment springt mich jemand oder etwas an. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, zu sehen, wer nervt. Und gerade kreisen mir nur zwei Dinge durch den Kopf: Heilige Scheiße, der ist Irre! und Das wird ein verdammt schwerer Entsorgungsprozess!
Ich erwarte schon fast, dass der oder die Irre - keine Ahnung welches Geschlecht - mir heulend erzählt, er oder sie hab sich verfahren und das Ganze so dermaßen miserabel herüberbringt, dass ich kotzen muss. Dass ihr ihm oder ihr dann mehr oder weniger deutlich verklickern würde, dass hier nicht die Seelenheilstätte ist und er oder sie sich doch bitte verdünnisieren soll, versteht sich von selbst.
Allerdings bricht die Person weder in Tränen aus, noch muss ich die Unfreundlichkeit in Person spielen. Ich hatte wirklich vor, ihm oder ihr zu sagen, dass sie gefälligst ihren oder seinen fetten Arsch von mir bewegen soll, aber die Person kommt mir zuvor.
»Ich habe dich so vermisst!«, quietscht die Person, eindeutig weiblich und zieht das »o« dabei unnötig lang in die Länge. Ich kann richtig hören, wie es in meinem Kopf »Klick« macht und ich schließlich weiß, wer die Irre auf meinem Schoß ist. Was nicht heißt, dass ich auch zu einhundert Prozent sicher bin.
Um ehrlich zu sein habe ich die starke Vermutung, dass ich es hier mit einem Klon zu tun hatte. Nico hat schließlich noch vorhin am Telefonat gesagt, dass sie noch viel zu hatte und wir uns diese Woche nicht würden sehen können. Das war vor nicht einmal einer Stunde. Wieso also sollte sie es sich plötzlich anders überlegt haben? Es sei denn, die hat mich angelogen. So oder so, der Nico-Klon muss von mir runter!
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Engel haben keine Flügel
Teen Fiction»Du bist wie ein Engel ohne Flügel« »Und wer sagt, dass Engel Flügel haben?« *** Wenn man einen sprechenden Kater und die Fähigkeit, Auren zu sehen besitzt, kann man mit Fug und Recht behaupten, sein Leben sei alles andere als normal. Falls man dann...