23 - Mordgedanken

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Um mich herum bricht die Hölle los. Also nicht im Sinne von Feuer, dass aus dem Boden schießt oder der durchdringende Gestank von verbranntem Fleisch. Genauso wenig steht plötzlich ein Typ, mit Hufen, zu-lange-in-der-Sonne-gebadet-und-deshalb-Krebsrot-Hautfarbe und Ziegenbärtchen vor mir. Oder wie auch immer der Teufel in Person aussehen soll. Ich meine eher, dass die Menschen um mich herum aufgescheucht werden wie eine Haufen Hühner und sich panisch aneinander vorbei quetschen, immer darauf bedacht, dem anderen auch ja ihren Ellbogen in die Fresse zu rammen. Auch mir. Okay, vor allem mir.

Als mein Gesicht schließlich mit dem fünften, immer noch nicht netten Ellbogen Bekanntschaft gemacht hat, ist mein Toleranzpegel schon um das doppelte übersteigen. Was auch zur Folge hat, dass ich mit mörderischem Gesicht zur nächstgelegenen Wand fahre und dabei jedem über die Latschen fahre, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Schon fraglich, warum so viele Menschen Unmengen ihres Einkommen in kleinen Schönheitssalons inklusive Massagestudios verplempern, wenn man sie hier gleich gratis bekommt. Geldsorgen wären damit zumindest reduziert.

»Ein Wohnwagen brennt!«, brüllt jemand mit eindeutig etwas zu wenig Hirnschmalz in den Raum und veranlasst die übrigen Insassen, vor Panik beinahe einen rekordverdächtigen Sprung gen Decke zu machen. Ohne Helm, der wegen des fehlenden Hirn aber wahrscheinlich auch vollkommen überflüssig wäre.

Genervt aufseufzend warte ich in neben meinem neuen Freund - der Wand - bis der Raum endlich so weit leer ist, dass ich keine Angst mehr haben muss, demnächst infolge von Hirnzellenverlust in der Intensivstation zu landen. Was mein Hirn nicht bedacht hat? Dass in der ganzen Hysterie mehr als nur ein Gegenstand den Boden knutschen durfte und praktisch der ganze Flur von umgefallen Kram blockiert wird. Für Fußläufer nur eine Stolperfalle, mit der man sich Ellbogen und Knie blutig schlagen kann, für mich wie zig riesige Mauern.

Die Kurzfassung? Meine werten Mitmenschen, von denen ich im übrigen immer noch nichts halte, haben sich wohl vollends dem Schwachsinn hingegeben und nicht nur eine behinderte Person hier drinnen eingesperrt, sondern auch Bewiesen, dass ihnen die Schauspieler genauso sehr am Herzen liegen, wie die seit hundert Jahren tote Katze der Großtante dritten Grades.

»Ihr wollt mich doch verarschend!«, knurre ich nicht so wirklich begeistert von der Situation, wobei kochen-und-vor-Wut-schäumend wohl treffender wäre. Alleine werde ich schon mal nicht herauskommen, so viel steht fest. Es sei denn, ich werde plötzlich zu Elasticgirl oder Miss Super-Starke-Arme. Da ich allerdings nach wie vor mit meinem Glück auf Kriegsfuß stehe und zudem nicht an Superhelden glaube, steht das schon mal nicht zur Debatte. Mal ganz davon abgesehen, dass ich keine Lust habe, wie eine geschmolzener Käse oder Hulk in weiblich auszusehen.

Bleiben also nur noch zwei Optionen. Option eins wäre, hier zu warten, bis sich irgendein Idiot dazu bequemt, seine wertvollen Utensilien vom Boden aufzukratzen und mich damit irgendwie auch befreit. Da mein Solz sich aber lieber umbringen würde, als auf die Hilfe anderer zu warten, bleibt nur noch Option zwei: Die Flucht durch einen anderen Weg. Beispielweise die Tür bei der Fensterfront. Besser, als hier den ganzen Tag zu verbringen, allemal.

Mit einem nervten Seufzend bahne ich mir den Weg über den Teppich bis hin zu besagten Fenster. Der Schrott liegt hier nur spärlich verteilt und ist auf der Skala der zu überqueren Dinge relativ weit unten. Das nächste Problem ist dann eher die Tür selbst. Wer auch immer dieses Haus gebaut hatte, musste eindeutig einen Hass gegenüber Kleinwüchsigen und Rollstuhlfahrern haben. Und Kindern. Als kleiner Erwachsener kommt man gerade noch so an die Klinke, aber für mich ist das wieder eine Sache für Elasticgirl. Oder stahlharte Nerven, gute Körperspannung und der Versuchung, die Scheibe einfach einzuschlagen. Tja und da sich meine Einstellung zu Superhelden immer noch behauptete, bleibt mir nur noch letztes übrig.

Engel haben keine FlügelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt