„Wie alles begann."

134 6 36
                                    

Dresden

Unerreichbar.
Die gewählte Nummer war unerreichbar.
Der Verrat hinterließ einen bitteren Nachgeschmack.
Der Anruf war seine letzte Lösung gewesen, die sich auch nun in Staub verwandelte. Sein Brustkorb erhob sich erheblich bei jedem Atemzug.
Außer Atem stand er.

Sie würden ihn finden. Ganz sicher, erfassten ihn die Behörden diese Nacht.
Erstarrt festigte sich sein Blick auf den Ziffernblock. Aus Verzweiflung wollte er die Nummer noch einmal wählen.

Das Prasseln des Regens dröhnte in seinen Ohren.  Wie Kieselsteine, die vom Himmel herabfielen, klangen sie. Der Griff um das Kabeltelefon wurde fester. Ihm war es danach, es gegen die Wand zu zerschmettern und die Telefonbox zu zertreten.

Das war sein Ende. Er wurde hängen gelassen.

Alte Erinnerungen kreisten im Schnelldurchgang durch seinen Kopf. Die Erlösung aus dem Waisenhaus, die Anerkennung und Aufträge, die ihm Maraz gegeben hatte - die Brüder, die mit ihm aufwuchsen. Auf einmal kam ihm alles leer vor. Sie hatten keine Bedeutung mehr.
Dieses Mal, war alles vorbei. Das Geben und Nehmen endete diese Nacht.

Wollte er sich seinem Schicksal begeben? So wie damals? Die Hand ballten sich zu Fäusten und prallte gegen die Glastür. Die Polizei war ihm auf den Fersen.
Schwer schluckte er und zückte ohne länger zu Zögern die Waffe aus dem Hosenbund heraus. Die Pistole klickte beim Justieren. Er trat aus der Telefonzelle heraus und schaute sich um.

Die Pistole richtete sich auf ihn. Allerdings nicht um Selbstmord zu begehen. Sonst hätte er sie an die Schläfe gedrückt und nicht an den Oberarm. Wenn er eins in den Jahren gelernt hatte, dann war es das Überleben unter den härtesten Bedingungen.
Die Zähne biss er zusammen und drückte skrupellos ab.
Dieses Mal würde alles nach seinen Regeln ablaufen.

Ein Tag zuvor

Man sagte mir, wo es Licht gibt, gibt es Hoffnung. Hoffnung? Das ist nur eine Illusion zum Überleben auf der kalten Welt.

Nicht jeder kennt die Kälte. Es gibt Kälte, die umbringt und Kälte, die wach macht. Mich brachte sie zuerst um, dann machte sie mich wach.
Dort wo ich herkomme, gibt es kein Licht. Es gibt Dunkelheit. Man lebt nicht, man überlebt. Unser Kodex ist töten oder getötet werden.

Wir ziehen die Skimaske auf und lassen die Waffen reden. Wir sprechen nicht, unsere Taten schon.
Du fragst dich, warum wir das durchziehen?
Frage einem Gefallenen nicht, weshalb er gefallen ist.

Wir stellen nicht viele Fragen, wir hinterfragen nicht. Wir tun das, was uns gesagt wird. Und gerne beantworten wir Fragen auch nicht.
Keiner fragt, woher die S-Klasse oder die Rolex kommt. Wir werden angenommen, wie wir sind, denn jeder weiß wer wir sind.
Die Jungs von Maraz.
Maraz der Unbesiegbare. Ein schiefer Blick und dein Kiefer ist gebrochen. Also geh Maraz aus dem Weg...


„Vuro!", wurde nach mir gerufen.
„Maraz will mit dir reden.", nickte mich Yaser zu sich und begleitete mich ins Büro.
Maraz war dabei Geldbatzen zu zählen und zu stapeln. Ein amüsantes Lächeln zierte sich auf seinem Gesicht. Seine Augen glänzten. Heute war sein glücklicher Tag.

Jeder, an seiner Stelle, wäre gut gelaunt. Sladjana saß auf der Tischkante und band die Geldbatzen in Bündel.
„Ich muss euch loben Jungs! Ihr macht mich stolz.", sah er uns an.
„Besonders auf dich, Vural. Du hast sauber gearbeitet.", fanden Maraz Blicke zu mir.

Er erhob sich von der Stelle und steuerte sich auf uns zu.
„Eure Anteile.", beschenkte er uns mit den Batzen.
Ich war seine rechte Hand. Sein Planer und Macher. Ohne mich wäre Maraz schlichtweg ein Mann mit Mundwerk. Aber seine Jungs, wie er uns nannte, machten ihn mächtig.

ALS ER KAMWo Geschichten leben. Entdecke jetzt