6 - „Lass die Waffe fallen!"

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Der Papierstrohhalm war genau so unnötig wie die Person gegenüber mir.
Das bestellte Essen schlang ich ganz in Ruhe runter. Alles Bodyguard zuliebe. Damit sie in ihrem Dickkopf einprägen konnte, dass ich einen *** auf ihre Meinung gab und außerdem gefiel mir, dass meine Anwesenheit sie störte.

„Wie fandest du den Burger? Erstklassig, oder?", warf Arya einen erwartungsvollen Blick auf mich. Unnötig teuer, aber schmeckt man raus. Fast hätte ich sie mit Prinzessin angesprochen.
„Absolut. Die Aussicht ist auch super.", nickte ich ihr zu.
Die Papierserviette in der Hand zerknüllte Dunya, sodass es fast in ihrer Hand verschwand.

Papierstrohhalm samt Deckel riss ich vom öko Papierbecher weg und nahm einen großzügigen Schluck von dem Getränk.
Überrascht schaute mir Arya dabei zu, als ob ich etwas Verbotenes gemacht hätte. „Oh nein, was machte der vornehm höfliche Galerist Schnösel?" Mir doch egal. Was auch immer.

„Papier ist zum Schreiben gut. Oder?", kratzte ich mich am Hinterkopf und wandte mich dem Fenster. Der Rhein floss vor sich hin.
„Auf jeden Fall.", kam die Zustimmung seltsamerweise von Bodyguard.
„Und zum Zeichnen! Dunya kann echt gut-"
„Nein, Arya.", schnitt sie das Wort ab. Moment, Moment. Jetzt wird's interessant.
„Lass sie doch ausreden.", widmete ich mich Arya.

„Was? Das stimmt doch! Du kannst sensationell zeichnen.", teilte sie begeistert mit, wofür sie die missfallenen Blicke ihrer Freundin kassierte.
Begeistert lehnte ich mich auf den Sitz zurück.
„Du zeichnest?", fragte ich lachend und kreuzte die Arme aufeinander. Im Moment konnte ich mir null Prozent eine zeichnende Dunya vorstellen.

Wie ich mitbekam tauchte sie sogar manchmal in ihrem Atelier ein. Ja, genau Atelier!
Man durfte nicht zu vorenthalten sein.
„Wie wäre es, wenn wir Dunyas Gemälde in deiner Galerie ausstellen?", fragte Arya zuletzt, bevor ein Anruf das Gespräch unterbrach und sie die nette Runde verließ.

Nun verblieben wir zu zweit Miss Khasbulat. Keine Sorge, ich halte auch nicht viel von dir. Deine süße Freundin ist nur Teil meines Plans und du bist mir egal.

„Was zeichnest du so?", fragte ich irgendwann.
Zunächst ignorierte mich Bodyguard. Dann nahm sie schnaubend die Cap runter und fuhr einmal durch ihre dichten Haare, während sie den Rhein ins Visier nahm.
„Sachen eben."
„Welche Sachen?", beließ ich die Ablenkung mit dem Papierbecher und lehnte mich nach vorne.

„Weiß du, Azad?", baute sie den Blickkontakt auf.
Zwei müde Augenpaare, die mehr als Müdigkeit in sich trugen. Die versuchten trotz allem zu glänzen.
„Was, Dunya?"
„Du gefällst mir ganz und gar nicht.", offenbarte sie zweifellos ihre Gedanken.

Ehrlichkeit - ein Charakterzug, das die Wenigsten trugen. Die Lüge, in die ich mich steckte, nahm mir diese Eigenschaft weg. Samt meine Identität.

„Was muss ich tun, um dir zu gefallen?", stellte ich dieses mal die Fragen.
In Stille versetzte ich die temperamentvolle Frau gegenüber mir.

„Verschwinde aus dieser Stadt!", stieß sie gedämpft aus und verließ den Platz. Die Lederjacke warf sie sich beim Abgang über die Schulter. Filmreif, die Dame.
Adieu, Madame. Mission Provokation erfolgreich beendet.

IMRAN

Es ist erstaunlich wie viel Menschen gemeinsam haben, obwohl sie die unterschiedlichsten Leben führen.
Der eine versteckt die Wahrheit hinter einem Lächeln, der andere sieht sie erst gar nicht an.
Und dann gibt es noch eine Minderheit, die der Wahrheit ins Gesicht blickt, auch wenn der Anblick hässlich ist.

Mit trägen Schritten ging er durch die Reihe und prägte sich das Gesicht der Fußballspieler noch einmal ein.
„Als ich in eurem Alter war - habe ich bis in den späten Abend nach der Schule gearbeitet, um Brot nachhause zu bringen.", begann er zu erzählen. „Man sagte mir, ich sei zu klein, um die Gäste im Restaurant zu bedienen, ich könne den Unterhalt nicht unterstützen.", blieb er stehen und verlor den Blick in der Ferne.

ALS ER KAMWo Geschichten leben. Entdecke jetzt