DUNYA
Je länger ich das Foto anschaute, umso mehr Erinnerungen stiegen mir hoch.
Unser Haus am Waldrand. Der große Garten. Die frische Luft am Berg. Die bunten Gardinen der Küche.
Unser schriller Gartenhund. Meine Freunde. Die frischen Falafel meiner Mutter, die ich mit ihnen teilte. Das reine Wasser der Flüsse. Die Wölfe, die in der Nacht jaulten.Und zugleich auch...
Die Dunkelheit der Berge. Stromausfälle.
Die Schüsse, die irgendwann in der Nacht ertönten.
Gewalt. Flucht. Trennung.
Die Trennung meiner Eltern. Die Trennung von meiner Kindheit. Von dem Frieden. Die Trennung von meiner Heimat.Ich war zu klein, sagten sie mir. Dabei war ich nie Kind gewesen. Immer auf der Hut. Immer bereit auf Angriffe. Denn mein Vater trug ein dunkles Geheimnis mit sich...
„Dunya?", erfüllte Imrans Stimme den Raum. Meine Aufmerksamkeit widmete ich ihm mit einer Umdrehung.
An der Türschwelle blieb er stehen.
„Was schaust du da an?", trat er rein. „Nichts", erhob ich mich von der Stelle.
Das Foto nahm mein Bruder zu sich. Einige Sekunden lang begutachtete er es.
Wo ich das gefunden habe, fragte er mich trocken.„In einem Umzugskarton. Mama wollte das damals wegwerfen."
Seine Miene verschärfte sich.
„Warum hast du es behalten?", gab er in urteilendem Ton von sich.
„Weil es das einzige Foto mit meinem Vater ist."
Plausibel genug? Ich konnte nicht zusehen, dass es vernichtet wurde. Denn trotz Allem, das er uns antat, er war unser Vater.
„Komm ans Esstisch.", legte er prosaisch das Foto auf die Kommode und machte sich fort.An unserem Tisch war es wieder zu leise. Es hing nicht davon ab, dass wir zu zweit waren.
Imran war abwesend. Und ich war in Gedanken unterwegs. Wir schwelgten in Gedanken und vergaßen uns dabei.
Die Suppe rührte keiner von uns an.
„Was ist los mit euch?", versuchte Nesime besorgt zu verstehen, als sie die Hauptspeise brachte.„Nichts. Wir spielen wer länger still bleibt.", entgegnete ich schelmisch. Eine werfende Geste machte sie mit der Hand.
„Wie alt seid ihr? Fünf? Los, los! Isst was! Morgen kommt endlich Amina zurück. Soll sie euch so sehen?", schimpfte die Haushälterin. Ach, wenn wir sie nicht hätten, unsere liebe Nesime!
Ihre Worte klangen so schön. Doch sie waren zu schön um wahr zu sein.„Da hast du recht, Tante Nesime. Setz dich zu uns.", bat Imran. Müde entgegnete ich ihr Lächeln. „Sei nicht so pessimistisch! Die Ärzte haben dieses Mal gute Nachrichten mitgeteilt.", munterte sie mich auf.
Erst wenn Amina Lamari hier vor mir stand, würde die Ruhe in mir einkehren.Ich suchte einen Film für unseren Filmabend aus, nachdem Imran vorschlug seine freie Zeit mit mir zu verbringen. Es war lange her, dass wir gemeinsam etwas unternahmen.
Trotz allem blieb meine Laune im Keller. Die Reise nach London zog meine Motivation wie ein Magnet von mir weg. Als ob es nicht reichte, dass mein Bruder mit Azad verreiste, war er auch noch der Schuldige für meine verlorene Perlenkette!
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ALS ER KAM
Mistério / SuspenseEr hätte nie in diese Stadt kommen dürfen. Doch es war schon zu spät. Denn als er kam, veränderte sich alles... Aufgewachsen zwischen Kriminalität und Härte verwandelt sich Vural in einen skrupellosen Verbrecher. Das Schicksal wendet sich für ihn, n...