Kapitel 8 - Wir nehmen uns hier nicht so ernst

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Immer wieder überlegte ich, ob ich nicht absagen sollte. Crossfit war nun wirklich nicht mein Sport. Doch die Vorstellung zumindest Bela wiederzusehen, ließ mich am Dienstagabend tatsächlich zu der Sporthalle gehen. Er war zur Zeit der einzige Mensch, dessen Anwesenheit ich genoss.

Ich hatte mich mit Bela direkt vor dem Eingang der Halle verabredet. Als ich ankam, stand dort jedoch eine Gruppe von drei jungen Leuten, sodass ich ein wenig Abstand hielt.

Ich konzentrierte mich auf meinen Handybildschirm und stellte fest, dass Bela schon 5 Minuten zu spät war. Für einen kurzen Moment überlegt ich, ob ich ihm schreiben sollte.

Ein "Hallo" ließ mich aufblicken.

Die Stimme war jedoch zu tief, um von Bela zu sein.

Es war ein Mann, der bis eben noch zu der Dreiergruppe gehört hatte. Er war groß, hatte einen Bart und ein breites Kreuz. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass auch er mit Crossfit seinen Körper trainierte.

"Ähm, hallo", sagte ich etwas eingeschüchtert von seiner Statur und kratzigen Stimme.

"Du bist Lilly, oder?" Zögernd nickte ich. MIr war nicht ganz wohl bei der Sache. "Ich bin Pepe, ein Freund von Bela. Er lässt sich entschuldigen, aber er kann heute leider doch nicht kommen. Ihm ist ein Termin dazwischen gekommen und er hat mich gebeten, dass ich dich unter meine Fittiche nehmen soll."

Ein wenig zornig zog ich meine Stirn in Falten. Bela war der einzige Grund, warum ich mich überhaupt hierher geschleppt hatte.

"Bela hat mir gar nicht geschrieben", sagte ich mehr zu mir selbst als zu Pepe.

Er lächelte erstaunlich sanft.

"Ich weiß", sagte er und legte mir seine Hand auf die Schulter, als würden wir uns kennen. "Bela meinte, du wärst nicht aufgetaucht, wenn er vorher bei dir abgesagt hätte."

Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust, denn mir wurde bewusst, dass er nie geplant hatte hier aufzutauchen. Das hier war ein Trick von ihm gewesen, um mich ins kalte Wasser zu schmeißen. So sehr ich Bela auch mochte, mit dieser Aktion hatte er nicht bei mir gepunktet.
"Nun schmoll nicht", sagte Pepe so liebevoll, sodass ich es ihm nicht einmal übel nehmen konnte. "Wir machen uns einen schönen, wenn auch anstrengenden Abend. Dahinten sind Amirah und Vito. Die beiden unterstützen dich auch."

Ich sah zu den Zweien hinüber. Sie lächelten mich freundlich an. Trotzdem wollte ich nur noch nach Hause.

Warum tat Bela mir das an? Er hatte mich belogen. Das war das letzte, was ich im Moment brauchte. Ich war schon viel zu oft in meinem Leben belogen worden.

"Komm, das Training geht gleich los", erinnerte mich Pepe und schob mich ein wenig an.
Dann führte er mich in die Halle, in der es muffig und schwitzig roch. An den Wänden blätterte die Tapete ab und wo sie noch dran war, hatte man sie mit Schmierereien verziert. Worauf ließ ich mich hier nur ein?

Ich war schon umgezogen, sodass mir immerhin der Gang in eine noch üblere Umkleidekabine erspart blieb.

"Da du das erste Mal hier bist, steht für dich vor dem Aufwärmen noch etwas anderes an", ließ mich Vito wissen, der eine ähnliche Statur wie Pepe hatte, dessen Gesicht jedoch noch das eine kleinen Jungen war. Er grinste mich schelmisch an, was ich als kein gutes Zeichen wertete.

"Was denn?"

Er zog eine Fotokamera aus seiner Tasche.

"Wir machen von allen Neulingen ein Foto. Und zwar genau vor dieser gelben Wand hinter dir. Und dann wird es bei uns im Aufenthaltsraum aufgehangen. Das ist bei uns so Tradition. Jeder, der hier ein Training überstanden hat, wird verewigt."

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