Kapitel 2 Miyu

1.1K 45 1
                                    


Misstrauisch beugt sich Akari über das Geländer und wirft einen Blick in die Tiefe, als ein Windstoß ihre Haare zurückwirft und sie Nase kräuselnd blinzelt.

„Und dann wird das Seil gekappt, sobald die Zeit abläuft", ende ich meine Erklärung und mache mir Notizen auf dem Pad, das wir mitbekommen haben.

„Das ist grausam. Ich hoffe, wir müssen nicht an diesem Spiel teilnehmen", murmelt meine Freundin und tritt einen Schritt von dem Geländer zurück. Schulterzuckend werfe ich ebenfalls einen Blick nach unten. Das Gebäude war so hoch, dass die Straßen und Bäume unter uns winzig aussahen, fast wie Spielfiguren auf einem Brett. Bei dem Gedanken klappe ich das Pad zu und genieße für einen Moment die atemberaubende Aussicht die sich uns bot. Von hier oben wirkt die Metropole Shibuya klein und friedlich, nichts deutete auf die mörderischen Spiele oder das Chaos hin, was in der Nacht herrschte. Am Tag glich es einem Paradies. Nachdenklich kaue ich auf meiner Lippe herum, fahre mit den Fingern mehrmals über die abgerundeten Ecken des Pads, ehe ich mich zu Akari umdrehe, die ungeduldig an der Treppe steht und mit dem Fuß wippt.

„Können wir?", fragt sie und mit einem Lächeln nicke ich ihr zu. Seit dem Morgen waren wir auf dem Weg hierher gewesen, nachdem wir eine Nachricht der Kommandozentrale erhalten hatten, eines der Hochhäuser für ein Spiel vorzubereiten. Es war einer der einfacheren Aufgaben, doch die Vorstellung, dass in ein oder zwei Nächten Menschen hier in die Tiefe stürzen könnten, wegen unserer Ideen, lässt meinen Körper erzittern. Es gibt Tage, an denen mich diese Gedanken nicht mehr stören, doch manchmal bricht auch meine Mauer, die ich zum Schutz errichtet habe, und die Emotionen stürzten wie eine Welle über mich herein. Doch die Nächte, in denen ich wach liege und weine, werden mit jedem Tag weniger, zumindest habe ich das im Gefühl. Vielleicht trügt mich aber auch meine eigene Wahrnehmung.

„Deine Verbrennungen scheinen gut zu heilen", beginne ich ein neues Thema, als wir die endlos wirkenden Stufen hinab steigen.

„Ja. Nach drei Tagen sollte das auch so sein", scherzt Akari und hebt triumphierend ihre Arme in die Luft, die sich noch immer schälten.

„Jetzt kann sich wenigstens niemand mehr über deine Hautfarbe lustig machen", kichere ich und bekomme im selben Moment einen wütenden Blick von ihr zugeworfen. Ich bewundere Akari, dass sie sich gegen andere gut durchsetzen kann, vor allem bei den Leuten vom Militärtrupp. Während sie die mutige und vorpreschende von uns beiden ist, bin ich eher die ruhigere und bedachte Person. Zumindest in den Spielen. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte wieder zu meiner fröhlicheren Persönlichkeit zurückkehren, doch seit wir in Borderland gelandet sind, hat sich vieles geändert. Schweigend machen wir uns auf den Weg zur Zentrale, die in den Tunneln der U-Bahnen liegt, verborgen von den anderen Mitspielern. Trotz der heißen Temperaturen und der brennenden Sonne, fröstelt es mich, als wir durch den dunklen Gang schlendern und nur die Taschenlampe uns Licht spendet.

„Denkst du sie werden mit unserer Arbeit zufrieden sein?", frage ich Akari, die daraufhin einen seltsamen Laut von sich gibt und ihren Kopf in den Nacken legt.

„Bisher waren sie immer erfreut über unsere Ideen. Aber ehrlich gesagt ist mir das auch egal, solange sie uns nicht in ein Wasserbecken sperren."

„Ich würde das Wasser der Dunkelheit vorziehen", murmle ich vor mich und bleibe vor der eisernen Tür stehen, die uns einen Schritt näher zu der Zentrale bringen würde.

„Sag das nicht zu laut, sonst nutzen die Spielmacher noch unsere Schwächen aus", sagt Akari, während sie den Pin eingibt und mir anschließend mit der Taschenlampe in das Gesicht leuchtet. Lachend blocke ich das Licht mit den Händen ab und trete durch die geöffnete Tür, die sich hinter uns wieder schließt.

A Deal with the DevilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt