Epilog

345 18 8
                                    

Akari

Ein Monat später

Peng.

Ein markerschütternder Schuss.

Blut.

Überall Blut.

Ein Schrei.

MIYU!

Mörder.

Mörder.

MÖRDER!

Erschrocken fahre ich in die Höhe und schlage meine Hände auf die nassen Augen. Die Tränen fließen unaufhörlich aus mir heraus, lassen meinen Körper erbeben, und leise Schluchzer entweichen meinem Mund. Ich kann kaum atmen, so heftig brennt das Loch in meiner Brust, seit meine beste Freundin, meine Seelenverwandte und selbsternannte Schwester, mich – uns – verlassen hat.

Miyu. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich brauche.

Unter der schweren Bettdecke, ziehe ich die Beine eng an meinen Körper heran, vergrabe das Gesicht in meinen Knien und schlinge die Arme um sie herum, um den Teil von mir zusammen zu halten, der noch nicht auseinandergefallen ist. In meinem Leben habe ich schon viele Menschen verloren. Meine Großeltern, Verwandte, Freunde, Borderlandbewohner, die ich in meiner Rolle als Dealer selbst umgebracht habe, aber kein Ableben hat mich je so sehr aus der Bahn geworfen wie Miyus. Ich habe all die Verluste überwunden, da ich sie bei mir gehabt habe. Aber nun ist sie selbst gegangen und es ist meine Schuld gewesen.

Meine verdammte Schuld!

Wenn ich den Auslöser der Waffe noch einmal getätigt hätte, dann wäre das nicht passiert. Wenn ich gleich richtig gezielt hätte, dann wäre sie niemals auf die Idee gekommen, mich retten zu müssen. Jetzt ist sie tot und ihr Blut klebt an meinen Händen. Chishiya hat Recht gehabt, ich bin genauso sehr ein Mörder, wie er es gewesen ist. Mein Schluchzen wird lauter, kehlig. Mit einer Hand greife ich in mein T-Shirt, genau über der Stelle, an der sich mein Herz befunden hat. Nun ist da nur noch ein großes klaffendes Loch. Ich schreie so laut, dass er von den Wänden widerhallt. Mit einem Tritt befördere ich die Decke beiseite, neige den Oberkörper nach vorne und stoße einen weiteren Schrei aus. Dieses Mal lautlos, dafür mit so viel Schmerz.

Miyu.

Es tut mir so unendlich leid.

Mein Blick wandert zu der freien Hand, die sich in das Bettlaken krallt. Obwohl ich weiß, dass es nicht sein kann, sehe ich an ihr Blut kleben. Das Blut meiner besten Freundin. Meine Hände sind bereits aufgerissen, rohes Fleisch blitzt aus einigen Wunden hervor, da ich ständig Hände wasche, um die Bilder vor meinen inneren Augen loszuwerden. Aber die Wahrheit ist, dass ich sie immer vor mir sehen werde. Seit einem Monat verfolgt mich dieser Tag in meine Träume und lässt mich kaum noch schlafen. Meine – unsere – Freunde machen sich so große Sorgen um mich, dass sie mich kaum noch alleine lassen. Die ersten Nächte haben sie noch bei mir verbracht, doch sie haben schnell gelernt, dass ich durch meine Panikattacken alleine durch muss und sie mir dabei nicht helfen können. Am Tage ist immer einer bei mir. Sie wechseln sich ab und lassen mich in den Spielen nicht alleine. Ich durchlebe sie wie einen Traum. Nichts scheint mir mehr wichtig zu sein, nicht real. Als würde ich nun alles durch ein Tuch betrachten. Ich spreche kaum noch, lächle nicht mehr, starre vor mich hin und brauche meine Ruhe. Ich weiß, dass Isamu, Kiko, Sota und Kuina es gut meinen, wenn sie bei mir sind. Dass sie mir zeigen, wie wichtig Miyu ihnen gewesen ist und ihrer durch kleine Zitate gedenken. Aber es bringt mich innerlich um. Niragi ist vor kurzem ausgeflippt. Er hat mich angeschrien, dass ich wieder zu Verstand kommen soll und weiterleben muss. Er hat mir gesagt, dass er noch am Leben ist und das alles ist, was wichtig ist. Er hat die Bedeutung von Freundschaft nie verstanden, ist mir in diesem Moment klar geworden. Er weiß nicht wie es ist jemanden als Familie zu betrachten. Ich kenne Miyu, seit ich ein Kind gewesen bin. Wie soll ich ihren Eltern nur erklären, dass ihre Tochter niemals zurückkommen wird? Nein, Niragi versteht es nicht. Er wird jeden Tag zorniger, weil ich es immer noch nicht verkraftet habe. Ich beginne mich langsam von ihm zu entfernen und das wissen wir beide. Chishiya weicht mir seit jedem Tag aus. Ich sehe ihn hin und wieder, aber wir haben nie wieder ein Wort miteinander gewechselt. Ich weiß, dass er auf seine Weise trauert. Vermutlich ist er der Einzige in Borderland, der meinen Zustand wirklich nachvollziehen kann. Trotzdem werde ich niemals das gleiche Spiel betreten, wie er, denn ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass er mich umbringen wird, sobald er die Gelegenheit dazu bekommt. Er hat sie geliebt. Der Mann, der niemanden in seinen Kopf schauen lässt, ist unsterblich in meine beste Freundin verliebt gewesen. In den letzten Wochen habe ich beobachtet, wie Kuina versucht hat, sich ihm anzunähern, doch er blockt sie ab. Er braucht noch Zeit. Genauso wie ich.

A Deal with the DevilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt