Kapitel 12 Chishiya

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„Willst du nicht langsam gehen? So kenne ich dich gar nicht, Chishiya." Ausdruckslos lasse ich meine Augen zu Rizuna wandern, die mit verschränkten Armen vor mir steht. Ihre rechte Braue schiebt sie fragend in die Höhe. Meine Lippen öffnen sich leicht, doch im gleichen Moment schließe ich sie wieder, da mir keine passende Antwort in den Sinn kommt. Das Einzige, was ich weiß ist, dass mein Körper nicht gehen möchte, obwohl mein Verstand seit zwei Stunden dagegen rebelliert.

„Geh wenigstens etwas essen", sagt Rizuna kopfschüttelnd und scheint genauso verwirrt zu sein wie ich. Langsam senkt sich mein Blick wieder, wandert zurück zu dem Krankenbett, das meine Augen die letzten Stunden fixiert haben.

„Sie hat Informationen, die ich benötige", sage ich letztendlich, was Rizuna dazu bringt, ihre Arme zu senken.

„Und deshalb wartest du, bis Miyu aufwacht? Wir könnten dir auch einfach Bescheid geben."

„Ich vertraue euch nicht", gebe ich kühl wieder und blicke Rizuna erneut an, die genervt die Augen verdreht und mir den Rücken zu wendet.

„Mach was du willst", murmelt sie und verlässt kurzerhand das Krankenzimmer. Beim hinaus gehen, wirft Rizuna noch Isamu einen Blick zu, der schmunzelnd mit den Schultern zuckt und den Verband eines Patienten erneuert. Stille legt sich über den Raum und ich erlaube meinem Körper, sich etwas zu entspannen. Seufzend lege ich meinen Kopf von einer Seite zur anderen, spüre, wie die Gelenke im Genick leicht knacken und wiederhole den Prozess ein weiteres Mal. Nachdenklich verharre ich einen Moment. Wieso war ich noch immer hier? Was ging mich das Schicksal von Miyu an? Wieso sorge ich mich um dieses Mädchen so sehr? Seit unserem ersten Treffen in einem der Spiele ging mir Miyu nicht mehr aus dem Kopf. Sie ist intelligent, ohne Frage, doch irgendetwas verheimlicht dieses Mädchen und es machte mich neugierig mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Vielleicht waren Miyu und Akari tatsächlich der Schlüssel, um aus Borderland zu entkommen. Mein Blick wandert erneut zu Miyu. Ihr Gesicht wirkt noch immer blass, an manchen Stellen war die Haut so trocken, dass sie sich löste, doch die Infusionen scheinen zu helfen. Seit einigen Stunden hat sich ihr Zustand weder verschlimmert noch verbessert. Langsam näher ich mich dem Bett, streiche eine lose Strähne aus ihrem Gesicht und merke, wie mein Herz seltsam schnell gegen meinen Brustkorb schlägt. „Ich brauche dich nur, um hier heraus zu kommen. Du bist nichts weiter als einer meiner Schachfiguren", murmel ich leise, in der Hoffnung meinen Herzschlag und das nervöse Gefühl in mir zum Schweigen zu bringen. „Wenn du stirbst, dann sitze ich hier wahrscheinlich noch länger fest." Beinahe energisch greife ich nach Miyus Hand, als könnte sie dadurch aufwachen und starre auf ihre geschlossenen Lider. Frustriert stoße ich mich wieder von dem Bett, als die Tür zum Krankenzimmer mit Schwung aufgestoßen wird und Mako hineinstürmt. Der hat mir jetzt noch gefehlt.

„Wo ist Miyu? Wie geht es ihr?", fragt er Isamu mit Sorge in der Stimme, die mich jetzt schon nervt.

„Sie ist stabil. Es wird jedoch noch etwas dauern, bis sie vollkommen genesen ist", erklärt Isamu ihm geduldig, während Mako ihn mit mehr Fragen durchlöchert.

„Mal im Ernst, Miyu. Was findest du an dem Kerl?", frage ich leise an sie gewandt, wissend, dass sie mich nicht hört. „Ist es, weil er groß und nett ist? Seine dunklen Haare? Die Muskeln? Das Läch-." Räuspernd verstumme ich schnell, als Mako mit hochgezogenen Augenbrauen auf mich zukommt.

„Was machst du hier?", fragt er verwirrt, doch ich antworte nicht. Stattdessen greife ich nach meiner weißen Jacke, werfe sie mir über und verlasse die Krankenstation ohne weitere Worte. Mein Verstand braucht frische Luft.

Der Himmel ist mit dicken Wolken bedeckt und ein frischer Wind bringt den Geruch von Regen mit sich. Kein Stern ist über mir zu sehen und auch vom Mond fehlt jede Spur. Nur die lauten Bässe der Party schallen zu mir hoch. Shibuya war hell erleuchtet. Die Scheinwerfer und riesigen Bildschirme tauchen die sonst dunklen Wolken in ein rötliches Licht, während an manchen Stellen Laser hinab fallen. Nachdenklich schaue ich auf das Beach runter, schiebe meine Hände in die Hosentasche und versuche, die lästigen Gedanken an Mako zu verdrängen. Sie ist nur eine Spielfigur, sage ich mir immer wieder und kopfschüttelnd übermannt mich ein Schmunzeln, wissend das ich mir selbst nur etwas vor mache. Doch so konnte ich bisher in dieser Welt überleben.

A Deal with the DevilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt