2 Jahre, 14 Stunden, 38 Minuten

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"Lieber Felix, da ist viel mehr zwischen uns, als wir es uns selber eingestehen wollen. Wir fungieren perfekt zu zweit, aber ich muss dich verlassen, weil es einfach nicht mehr geht, solche Gefühle in deiner Gegenwart zu zulassen. Du verstehst das bestimmt, ich meine du verstehst auch den größten Hurensohn aka mich, oder? Hau rein! (Und mach's besser!)
Dein Sebastian.

2 Jahre, seit 2 Jahren fühle ich mich unwohl, lasse mich krank schreiben, aufgrund irgendwelcher unlegitimer Beschwerden. Ich weiß nicht, ob ich es je schaffen werde wieder normal zu leben. Die Zeit heilt alle Wunden, aber wer kümmert sich um die Schmerzen die man mit den Narben hat? Ich blicke auf die Uhr, ich war nicht alleine hier. Viele Mädchen im Alter von 13 bis 17 Jahren waren auch hier, schon krass, wie viel sich ändert, wenn man das falsche Schönheitsideal überall vorgesetzt bekommt. Es waren schöne Mädchen. Ich fahre mir durch meine Haare und nippe an meiner Wasserflasche. Ich war noch nie so aufgeregt wie heute, ich wusste, was er sagen würde. Ich werde aufgerufen, drücke mich vom Stuhl ab, und trabe langsam zur Tür. Als ich die Klinke herunter drücke, hätte ich schwören können, jemand hätte zu mir geflüstert, dass ich es schaffen muss. Wie ein Windstoß. Dr. Friedlander lächelt mich an, reicht mir seine Hand und bittet mich, Platz zu nehmen. Ich lasse mich auf den gewohnten Stuhl fallen und falte meine Hände. Dr. Friedlander legt meine Akte weg und kniet sich vor, "So Felix, wie geht's dir heute so?", bewusst betonte er das heute. Ich streiche mir mein Hemd glatt, und sage monoton, dass es mir nicht viel anders als die anderen Tage ginge. "Felix, du kannst mir alles sagen, dass ist dir doch bewusst, oder? Hast du es geschafft, worum ich dich gebeten habe?" Ich schüttel mit meinen Kopf und flüster, dass es nicht geht. Noch nicht. "Felix, wie willst du wieder normal leben, wenn du es nicht schaffst, das Bild von euch zu zereißen? Es ist wie ein Hindernis, du musst darüber springen um ins Ziel zu rennen. Verstehst du mich?" Ich nicke, und stimme ihn zu. "Gut, Felix. Das war's dann auch mit unserer heutigen Sitzung, wir sehen uns wieder am Mittwoch den 18. Wenn du mir etwas dringendes sagen möchtest, was Sebastian betrifft, dann ruf einfach an.", er steht auf um mir die Hand zu geben. Ich stehe auf und verlasse den Raum, 1 1/2 Jahre Therapie die mir rein gar nix gebracht hat. Würden meine Eltern nicht drauf bestehen, dass ich hier her gehe, hätte ich es nicht mal in Erwägung gezogen zu einen Psychologen zu gehen. Ich vermisse doch nur meinen besten Freund, kann das niemand verstehen?

Mit VerachtungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt