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- KAPITEL 10 -

Nachdem wir nach 10 Minuten den Fußboden wieder sahen - es also schneller ging, als ich erwartet hatte - überlegten wir, was wir nun noch anstellen sollten. Wir gingen erst einmal gemeinsam in die Küche, um zu trinken. Mit unseren Gläsern pflanzten wir uns dann auf die Couch im Wohnzimmer. Während ich verlegen mit meinen Fingern spielte, tippte Niall auf seinem iPhone rum. Verklemmt suchte ich nach einem Gesprächsthema, doch Niall kam mir zu abwesend vor. Mir war die bedrückende Stille peinlich.
Niall rappelte sich auf und legte seinen Arm auf der Lehne hinter mir ab. „Erinnerst du dich daran, dass ich dir meine Freunde vorstellen wollte?"
Ich lächelte. „Ich erinnere mich."
„Ich will immer noch, dass ihr euch kennenlernt. Und jetzt meine Frage an dich, soll ich Harry anrufen und fragen, ob sie vorbeikommen wollen?"
Ich zögerte. Gerne wollte ich seine Freunde kennenlernen, doch ich war nie gut in Kontakte schließen und wusste nicht, wie dies bei fremden Jungs sein würde. Abgesehen von Niall. Doch dann fasste ich mir ein Herz, dachte an meine gute Freundschaft zu Niall und Sadie und nickte.
Er tippte erneut auf dem Display herum und hielt sich sein Handy dann ans Ohr. Es tutete.
„Hey Bro, hier ist Niall. Wo bist du? Hast du Zeit?"
Ich beobachtete ihn, während er das Smartphone an sein Ohr presste, sein Arm hinter mir ruhte, er geduldig lauschte was dieser Harry sagte und sich durch die verwuschelten Haare fuhr. Und plötzlich machte mich der Arm hinter mir total nervös und ich versteifte mich automatisch in meiner Haltung. Dieses Gefühl kam mir bescheuert vor und meine Wangen begannen zu glühen.
„Klingt gut. Wieso kommt ihr nicht vorbei? Ich hab hier jemanden sitzen, den ich euch gern vorstellen würde."
Er wartete auf eine Antwort, dann lachte er kurz auf. „Ja, sie ist weiblich."
Ich hörte eine Stimme im Handy, verstand dennoch nichts. „Ja cool, dann bis gleich." Niall wartete erneut kurz und lachte wieder kurz. „Keine Sorge, ich pass auf, dass sie nicht wegrennt."
Er lauschte wieder in den Hörer. „Du bist doch so ein Idiot, Styles. Und jetzt macht und schwingt eure Ärsche hierher." Niall lachte und legte dann auf.
„Die Jungs sind unterwegs. Du musst dir keine Sorgen machen, sie sind echt okay... speziell aber auch echt okay."
Ich nickte. „Okay."
Er lehnte sich zurück, um mich besser in Sicht zu haben. „Und jetzt spielen wir das altbewährte Frage-Antwort-Spiel. Ich fange an."
„O-okay." Ich nickte, da ich das Spiel nicht kannte.
„Was ist dein Lieblingsreiseziel?" Er sah mich auffordernd an und plötzlich verstand ich das Spiel.
„Ähm, ich habe keins... denke ich. Es ist mir eigentlich egal, hauptsache weg von hier", antwortete ich wahrheitsgemäß. Das Spiel eignete sich perfekt, um den Anderen besser kennenzulernen. „Und deins?"
„Schwere Frage, gebe ich zu. Es gibt so viele Länder, die durchaus ihren Vorzug haben. Frankreich mit Paris oder der Atlantikküste, Amerika mit all seinen Sehenswürdigkeiten, Spanien mit seinen Stränden, Australien mit der Exotik, Italien mit seinem Essen. Da ist es schwer sich festlegen zu müssen."
Nun war ich dran. Mir fiel keine Frage ein, doch als ich seine Haare sah, die so unordentlich lagen, dass der braune Ansatz herausstach, sah ich meine Frage. „Was ist deine Naturhaarfarbe, Niall?"
„Braun", er wuschelte sich durch die Haare. „Ich weiß, der Ansatz. Ich muss sie mal wieder nachfärben."
Er sah mich an. „Nun, meine sind von Natur aus ebenfalls braun. Ich habe sie noch nie getönt oder gefärbt. Also das was du im Moment siehst, ist meine Naturhaarfarbe."
„Ich würde es dir auch nicht empfehlen nachzumachen. Du machst deinen Haaren mit der Blondierung wirklich keine große Freude." Er klopfte auf seine Beine. „Jetzt bin ich wieder dran. Lass mich überlegen, was will ich dich fragen?" Er setzte eine überlegende Geste auf, dann grinste er. „Wie alt warst du bei deinem ersten Kuss?"
Ich zog erstaunt meine Augenbrauen hoch. „Mein erster Kuss?" Er nickte und ich murmelte: „Ich hatte noch nie einen."
Nun zog Niall erstaunt die Augenbrauen hoch. „Du machst Witz, oder?"
Unsicher schüttelte ich den Kopf. Seine Kinnlade klappte ein Stück runter. „Du willst mir sagen, dass du 16 Jahre alt und ungeküsst bist?"
Ich zuckte mit den Schultern. Was erwartete er von mir?
„Ungeküsst? Also, noch nie geküsst worden? Sicher?"
Ich lachte kurz. „Niall, jetzt schalt mal wieder einen Gang runter. Ja, ich bin noch ungeküsst. Und ja, ich weiß, was das heißt. Aber allzu ungewöhnlich ist das ja wohl auch nicht... oder?"
„Ähm... irgendwie ja doch?"
„Wirklich?" Ich trank einen Schluck aus meinem Glas und stellte es wieder auf den Couchtisch vor mir ab. „Wieso?"
Niall räusperte sich. „Also, ich denke die Frage ist relativ betrachtet. Der eine findet es vielleicht ungewöhnlich, der andere nicht. Aber im Großen und Ganzen ist es für ein 16-jähriges Mädchen schon ziemlich ungewöhnlich noch nie geküsst geworden zu sein."
„Wann hattest du denn deinen ersten Kuss?"
Er überlegte kurz. „Mit 12."
Die Antwort überraschte mich, doch ich versuchte Cool-Play. „12? Ohh..." Es funktionierte allerdings nicht wie geplant.
Niall lachte als er meine Reaktion bemerkte. „Wieso so geschockt? Andere haben ihren ersten Kuss im Kindergarten bekommen."
„Ich hab nur nicht damit gerechnet, dass du ihn so früh hattest", antwortete ich, teils wahrheitsgemäß. Die ganze Wahrheit allerdings beinhaltete, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass Niall überhaupt schon geküsst wurde.
Er griff nach meiner Hand und strich über sie. Ich schauderte. Hoffentlich hatte er es nicht gemerkt. „Weißt du Tori, deine Antwort ist unüblich, aber unüblich bedeutet nicht gleich, dass es schlecht ist. Im Gegenteil, ich finde es... gut."
Verlegen starrte ich auf meine Beine, da selbst meine Hand in Nialls Besitz war.
„Nächste Frage."
Ich überlegte. „Seit wann lebst du allein?"
„Noch gar nicht so lange. Ich bin ja erst 18 und irgendwann kam dann eben der geniale Einfall, dass ich laut des Gesetzes volljährig bin und somit auch alt genug für eine eigene Wohnung. Also bin ich zu meinen Eltern und hab ihnen davon erzählt. Sie waren anfangs überhaupt nicht begeistert und haben verneint mit der Erklärung, dass ich noch nicht soweit wäre. Das ärgerte mich. Letztendlich hat sich meine Dickköpfigkeit doch ausgezahlt und meine Eltern haben mich bei der Finanzierung unterstützt."
„Und du hast keine Angst? Ich meine, ich bin auch nicht wirklich stolz darauf bei meiner Familie zu leben, aber allein könnte ich glaub ich auch nicht."
Er hob ermahnend einen Finger. „Na, ich bin mit der nächsten Frage dran."
„Tut mir leid, stimmt." Ich lachte.
„Meine Frage an dich lautet... Moment... Wie viele Kinder würdest du später gern einmal haben?"
„Zwei. Ein Mädchen und ein Junge. Ich bin aber auch nicht böse, wenn ich zwei Mädchen oder zwei Jungen kriege. Also ich stoße dann niemanden aus oder so."
Er lachte. „Und ich dachte schon du wärst grauenhaft."
„Deine Antwort, Mr. Horan?"
„Ich schließe ich mich Ihnen an, Ms. Sander."
Niall blickte auf das Display von seinem Smartphone. „Wo bleiben denn die Lahmärsche?"
„Ich hab schon gemerkt, dass ihr echt nett zueinander seid und ich hab deine Freunde noch nicht mal kennengelernt. Aber das Telefonat und das hier erzählen so viel über eure Freundschaft."
„Naja, Freunde zeigen dir, dass du ihnen etwas bedeutest, indem sie sich nett behandeln. Beste Freunde beleidigen dich, lachen dich aus, aber das schweißt irgendwie nur noch mehr zusammen."
Ich guckte anscheinend mehr als verwirrt drein, da ich die Logik dahinter überhaupt nicht verstand und Niall lachte. „Du musst dir das so vorstellen... wenn ich dich jetzt als - sind wir mal nicht so hart - Idiot beleidige, hast du mehrere Optionen. Entweder du haust mir eine rein, rennst heulend weg oder nimmst das Ganze auf die leichte Schulter indem du mich spielerisch boxt, lachst und mich zurückbeleidigst." Ich nickte, er sprach weiter. „Wenn ich den Kuchen vor deinen Augen aufesse - was hier und da schon mal passieren kann - und wir nur Freunde sind, würde ich den Kuchen mit dir teilen oder die Freundschaft wäre gelaufen. Aber wir sind beste Freunde und da verdrückt man das letzte Stück Kuchen direkt voreinander und lacht den anderen dann aus. Derjenige beleidigt einen dann wieder und wir beginnen wieder vom Neuen mit unserem Zyklus, verstehst du?"
„Irgendwie ist die Logik dahinter total unlogisch, aber auch logisch." Ich lachte, doch erinnerte mich im Hinterkopf an all die Momente, in denen ich Niall schon als Depp oder Idioten beleidigte, ihm spielerisch schlug und mit ihm lachte. Hieß das Ganze nun, dass wir Freunde oder beste Freunde waren? Oder waren seine Plätz der besten Freunde schon an die Jungs belegt? Gerne hätte ich ihn gefragt, doch ich beließ es dabei.
„Horan, mach die gottverdammte Tür auf!", brüllte es von draußen und ich konnte mir ahnen, dass dort draußen entweder ein verärgerter Nachbar oder Nialls Freunde standen.
Niall ließ seufzend meine Hand los und stand auf. „Dann werden wir ihnen mal die Tür aufmachen, bevor sie sie aufbrechen. Kommst du?"
Ich nickte, stand auf und folgte ihm zur Tür. „Bereit?"
Erneut nickte ich. „Mach es nicht so spannend, Horan", erwiderte ich ganz cool.
Er grinste. „Wie du willst, Sander."
Kaum hatte er die Türklinge betätigt, stürmten vier Jungs - wortwörtlich - ins Haus. Ich hatte Angst umgerannt zu werden und drückte mich sicherheitshalber gegen die Wand. Niall versuchte die aufgebrachten Jungs etwas zu beruhigen, doch meinem Anschein nach war er genau so verloren. Da ich mit dieser Situation überfordert war, wartete ich einfach bis sich alle wieder beruhigt hatten. Ich sah auf meine nicht vorhandende Armbanduhr in der Hoffnung, es würde jemand bemerken, doch just in diesem Moment fielen sich alle in die Arme.
„Jungs... Jungs. Ich würde euch gern jemanden vorstellen. Also, es wäre ganz nett für einen kurzen Moment eure ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. Ist das möglich?"
Die Jungs - die ich nun besser im Blick hatte, was mich zugegebenermaßen beruhigte - nickten, als wäre das selbstverständlich.
Niall stellte sich neben mich und erst jetzt sahen mich die Anderen. Ich lächelte, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte und ich mir einredete, dass man mit einem herzlichen Lächeln nicht viel falsch machen konnte.
„Hi", sprachen alle 4 im Gleichton. Ich erwiderte es.
„Leute, das hier ist Tori. Also eigentlich Victoria, aber ich denke, sie hat nichts dagegen, wenn ihr sie ebenfalls Tori nennt." Stille. Alle sahen mich erwartend an und ich verstand, dass sie auf eine Reaktion meinerseits warteten.
Ich schüttelte den Kopf. „Ja klar, Tori ist gut."
Einer der Jungs trat zu mir vor, er hatte braune Haare und Augen und einen Dreitagebart. „Hi, ich bin Liam. Ich weiß nicht, ob es dir jetzt viel bringt, wenn wir dir alle Namen auf einmal nennen, also falls du dir unsere Namen nicht sofort merken kannst, frag einfach nach. Vielleicht hat Nialler es dir gesagt, vielleicht aber auch nicht, aber... wir sind nett."
Alle lachten, dann kam der nächste zu mir um sich vorzustellen. Er hatte schwarze Haare und dunklere Gesichtszüge. „Ich schließe mich da Liam an. Mein Name ist Zayn."
In Gedanken sprach ich die beiden Namen immer wieder, um sie mir einzuprägen. Liam. Zayn. Liam. Zayn. Liam. Zayn. Liam. Zayn.
Nun kam wieder ein Junge mit braunen Haaren zu mir. Mir fielen die Tattoos auf seinem Arm auf. „Hi, ich bin Jennifer."
Ich runzelte die Stirn und wusste nicht, wie ich darauf nun am besten reagieren sollte. Die anderen - inklusive Niall - fingen sofort an loszuprusten.
„Nein, nein, tut mir leid. Ein kleiner Scherz am Rande des allüblichen Alltags. Ich bin Louis."
Ich lachte und schüttelte seine entgegenstreckende Hand.
Niall klopfte mir leicht auf die Schulter. „Er ist ein Witzbold. Das wirst du noch früh genug merken."
„Ich glaube, ich merke es jetzt schon", murmelte ich und erntete kurzes Gelächter.
„Eins muss man ihr lassen, doof ist sie nicht", meinte der Junge, der sich mir noch nicht vorgestellt hatte, doch das tat er jetzt. „Ich bin Harry."
Sofort ging ich wieder die Namen durch. Liam. Zayn. Louis. Harry. Liam. Zayn. Louis. Harry. Liam. Zayn. Louis. Harry.
„Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich habe wahnsinnig Lust meinen Hintern auf etwas zu platzieren, dass sich Couch nennt", sagte Louis und rannte ins Wohnzimmer um sich seinen Platz zu sichern. Wir trotteten hinter ihm her. Mir war bewusst, dass wir zu sechst nicht auf die Couch passten. Die Jungs boten mir allerdings einen Platz auf der Couch an und Liam, Niall und Harry trugen Stühle aus dem Esszimmer her, auf die sie sich setzten.
„Also, was geht so ab?", fragte Harry in die Runde.
„Nicht viel. Ihr wisst schon alles. Ich meine, wir sehen uns wöchentlich", lachte Liam.
„Dann muss Tori uns was erzählen. Von ihr wissen wir immerhin nichts", antwortete Louis.
Ich seufzte. „Ich bin darin nicht wirklich gut, fragt Niall."
„Ich weiß nicht was du meinst. Ich kenne dich mittlerweile echt gut. Erzähl einfach das, was du mir alles erzählt hast. Vielleicht fällt dir ja noch irgendetwas ein, was ich auch noch nicht weiß."
Ich dachte über alles nach, was Niall von mir zu wissen vermochte. „Ich heiße Victoria Sander, nennt mich ruhig Tori. Der Spitzname ist von Niall. Mein Leben war ziemlich unspektakulär, bis ich mich mit Niall anfreundete. Ich hasse meinen Stiefvater, meinen leiblichen kenne ich nicht wirklich. Umso mehr liebe ich Bücher, Filme und das Internet."
Das wars. Vielmehr viel mir spontan nicht ein. Doch Niall wäre nicht Niall, würde er mir nicht unter die Arme greifen. „Sie tanzt gerne und ist dazu auch eine super Tanzlehrerin." Seine blauen Augen sahen mich an und schienen mich fast zu durchbohren. „Dazu ist sie bescheiden und denkt, sie wäre nie gut genug, aber das ist Schwachsinn. Sie ist schlau, aber kein Klugscheißer. Sie schiebt sich nicht in den Vordergrund, sondern fällt durch ihr zurückhaltendes Verhalten auf. Sie nimmt sich selbst nicht zu ernst, dafür tun es andere umso mehr. Sie macht mich oft sprachlos, sodass ich aufgehört habe mitzuzählen. Das ist Tori wirklich. Nicht das uninteressante Mädchen, als das sie sich immer verkauft."
Ich starrte ihn fassungslos an, unfähig überhaupt etwas zu sagen. Die Jungs warfen sich verstohlene Blicke zu. Niall grinste zufrieden, als wäre er stolz auf sein Ziel. Ich jedoch versuchte zu verstehen, was sein Ziel war.
„Okay Tori... Vielleicht... Gibt es etwas Neues bei dir? Irgendetwas? Eine neue Situation in deinem Leben?" Eine neue Situation in meinem Leben? Zählt dazu die Situation neben 4 völlig fremden Jungen zu sitzen und mir vom fünften einen Monolog über meine versteckte Persönlichkeit anzuhören? Wenn ja, dann hab ich das ein oder andere zu sagen, dachte ich mir, doch ich sagte nichts und ließ Louis weitersprechen. „Irgendwas von der Schule? Deiner Familie? Erlebnissen, die du in letzter Zeit gemacht hast? Oder auch von einem Jungen? Du musst uns so etwas natürlich nicht anvertrauen, ich meine du kennst uns nicht, aber wenn du reden willst, sind wir da."
„Ähm.. erstmal danke?" Ich formulierte es als Frage, da ich unsicher war, wie ich darauf reagieren sollte. „Und nein, es gibt keinen Jungen, über den ich reden müsste." Ich grinste als ich mich an das Gespräch mit Sadie in Starbucks vor wenigen Stunden zurückerinnerte, indem unser Thema Niall war. „Ansonsten weiß ich auch nicht, was ich sagen soll. Was mir jetzt so spontan einfällt ist, das Aktuellste Thema daheim und das ist, dass meine Mutter schwanger ist."
Louis Augen weiteten sich. „Schwanger? Das ist doch super. Freust du dich schon?"
„Unheimlich", erwiderte ich mit betonter Langeweile.
„Nicht?", fragte Louis mit geschockter Miene.
„Du musst wissen," meldete sich Liam, „er hat sechs jüngere Schwestern und einen Bruder, der noch ein Baby ist." Ich biss mir auf die Zunge. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, musste mein momentaner Standpunkt bei den Jungs noch ziemlich neutral sein, da sie mich nicht kannten und nur wenige Eindrücke von mir bisher hatten. Also sollte ich mich möglichst nicht als Kinderhasserin darstellen, wenn neben mir ein Junge sitzt, der wohl seit klein auf mit welchen aufwuchs.
„Es ist nicht so, dass ich Babys oder Kinder nicht ausstehen könnte, ganz im Gegenteil. Ich verbinde nur eben nicht solche Glücksgefühle mit meiner Familie wie ihr wahrscheinlich mit eurer."
Ich rechnete mit Nachfragen, doch es kamen keine und innerlich dankte ich ihnen dafür, denn ich war wirklich nicht darauf aus, ihnen von meinem gebrochenen Familienverhältnis zu erzählen. Genauso wenig wollte ich Mitleid oder einfühlsame Blicke, die ich danach höchstwahrscheinlich bekommen hätte.
„Aber genug von mir, habt ihr alle solche Großfamilien?", fragte ich mit Aussicht auf ein neues Thema, dass sich nicht um mich drehte.
„Wir haben alle ebenfalls Geschwister, aber den Rekord von Louis werden wir wohl nie toppen", sagte Zayn und lachte. „Ich habe drei Schwestern."
„Ich habe zwei ältere Schwestern", sagte Liam.
„Ich nur eine ältere, die mir aber auch reicht", lachte Harry und fuhr sich durch die Locken.
„Meinen Bruder kennst du sogar schon", erwiderte Niall und streckte den anderen seine Zunge hinaus, als wäre dies ein großer Triumph für ihn.
„Also ist Niall der einzige von euch, der einen Bruder hat?", fragte ich und alle nickten.
„Ich hatte mir auch immer einen Bruder gewünscht", sagte Liam. „Gerade in meiner Kindheit wäre das viel besser gewesen als Schwestern. Nichts gegen sie. Ich hab sie echt lieb. Aber ich wollte einen Bruder, der mit mir Auto spielte und nicht mit Puppen, versteht ihr?"
„Zumal Mädchen das ganze total falsch spielen?", neckte ihn Louis. „Ihnen fehlt die Grausamkeit. Wir Jungs wollen Stunts und alles Mögliche und das haben meine Schwestern nie hinbekommen."
„Hast du ihnen etwa versucht beizubringen, wie man mit Autos spielt?" fragte ich grinsend.
Er nickte. „Wachs du mal mit so vielen weiblichen Wesen auf. Irgendetwas waren sie mir ja wohl schuldig."
Wir lachten. Niall stand auf. „So, ich geh mal kurz aufs stille Örtchen."
Während ich es bei einem Nicken beließ, riefen die Jungs ihm Sachen wie „Viel Spaß, Alter", „Lass laufen" oder „Läuft bei dir" hinterher. Ich musterte sie und als sie mich sahen, lachten sie los.
„Tut mir wirklich leid." entschuldigte sich Harry. „Du musst denken, wir gehören in eine Irrenanstalt."
Aus purer Höflichkeit schüttelte ich den Kopf. Liam, der mir auf dem Stuhl gegenübersaß, lehnte sich weit vor und wir anderen taten es ihm nach. Ich war gespannt, was nun kam.
„Also Tori, erzähl mir mal bitte ein", Ich wartete. „Was machst du mit unserem kleinen süßen Nialler?"
Zayn sah verschwörerisch um die Ecke, in der Niall verschwunden war. Ich zuckte mit den Schultern. „Was meint ihr? Was mache ich denn mit ihm?"
Zayn lachte. „Genau das wollen wir doch von dir wissen."
Ich runzelte weiterhin die Stirn. „Ich verstehe nicht ganz, worauf ihr hinauswollt."
„Klar, sie verstehts nicht", Harry zuckte mit den Schultern, als wäre das das Selbstverständlichste. Meine Augen hefteten sich an ihn.
„Tori, hör mir gut zu", antwortete Liam leise und ich sah ihn an. „Ich habe vor kurzen zufällig Greg getroffen. Das war ein paar Tage nachdem du ihn kennengerlernt hast. Er erzählte mir von dem Abend und auch, dass du und Niall getanzt habt. Ich habe es ihm nicht geglaubt, aber er versicherte es mir. Greg ist eine Person, auf die man sich vertrauen kann, das wusste ich, aber das Ding ist eben... Niall HASST tanzen, solange es sich nicht um irischen Tanz handelt. Und eben hat er selbst zugegeben, dass er mit dir getanzt hat."
Ich sah ihn weiterhin monoton an und fragte mich, worauf sie hinauswollten. Sie kannten Niall immerhin länger und wahrscheinlich auch besser als ich.
Liam redete weiter. „Letztens statteten wir Niall einen spontanen Besuch ab, da wir ihn schon länger nicht mehr gesehen hatten. Er lag auf der Couch und las ein Buch. Für dich mag das vielleicht nicht seltsam sein, für uns aber schon, da wir wissen, dass Niall keine Bücher liest. Macht er einfach nicht. Und dann lag er genau auf dieser Couch und las das Buch als wäre das selbstverständlich für ihn."
„Vergiss nicht den Monolog eben", sprang Zayn ein. „Ich denke, wir müssen dir nicht sagen, dass Niall versucht den Mensch ein Gefühl von Liebe, Besonderheit und Zugehörigkeit zu geben. Aber das, was er eben über dich gesagt hat, war... anders."
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Anders? Sie nickten. „In wie fern anders?"
„Weißt du", sagte Louis. „Wir wollen jetzt auch nichts Falsches sagen. Aber was wir sagen können ist, dass du Einfluss auf Niall hast. Wir haben eine Vermutung auf welche Art der Einfluss bei ihm ankommt, aber wie auch gesagt, wir wollen nichts Falsches sagen."
„Ah ja?", sagte ich, stellte es in meiner Verwirrtheit aber als Frage.
„Wir kennen Niall. Und wir können zu hundert Prozent sagen, dass er nie Fan von Büchern oder Tanzen war. Aber überleg mal, seit du in sein Leben eingetreten bist, scheint ihm das egal zu sein."
„Okay, kann sein", sagte ich. „Aber auf eure Frage zurückzukommen... Was mache ich mit ihm?"
„Manchmal verändern wir Menschen uns wegen anderen Menschen. Das kann verschiedene Ursachen haben: Hass, Trauer, Freude oder auch Liebe", philosophierte Harry. „Egal was du ihm bedeutest, er mag dich. Sehr. Aber die Art, wie er dich mag, ist uns nicht hundertprozentig sicher."

Geplant war heute eigentlich noch kein Kapitel, aber da gestern Valentinstag war und ich sowieso immer Kapitel im Vorraus schreibe (ich bin mittlerweile bei Kapitel 16), ich mir das also mal erlauben kann, "schenke" ich euch jetzt dieses Kapitel.
Ich habe jetzt vor nach jedem Kapitel eine Frage zu stellen, die ihr dann beanworten könnt, aber nicht müsst. Das ist total freiwillig. Schreibt eure Antworten dann in die Kommentare. Voraussetzungen für das Ganze sind, dass
a.) die Sache gut klappt
b.) meine Kreativität nicht nachgibt &
c.) ich es nicht vergesse ( :D )

Frage für dieses Kapitel, passend zum gestrigen Tag:

Wie habt ihr euren Valentinstag verbacht? :)

Unloved (N.H) / German (✔)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt