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- KAPITEL 3 -


„Wie wärs wenn wir mal wieder zusammen richtig schick essen gehen?", fragte Richard meine Mutter beim Abendessen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund bestand meine Mutter heute darauf zusammen zu essen. Ich wusste, dass das Alltag bei manchen Familien war, doch nicht in dieser.

Unser Tisch war gedeckt, meine Mum hatte sich große Mühe beim Essen gegeben und Richard lächelte ihr unentwegt entgegen, während ich mürrisch mein Abendessen aß und mich fehl am Platz fühlte.

„Ganz wundervolle Idee", säuselte meine Mutter. „Ich werde meine Mutter fragen, ob Victoria dann an diesem Abend bei ihr schlafen kann. Ein bisschen Gesellschaft schadet dieser alten Frau sicherlich auch nicht."

Ich verdrehte die Augen. „Mum, ich bin kein kleines Kind mehr. Ich werde den Abend auch ohne euch überleben."

Sie schenkte mir einen skeptischen Blick. „Und du bist dir sicher, Liebes?"

Liebes? Wupps. Hatte sie mich gerade echt so genannt? Ich nickte ihr bestätigend zu.

Nach dem Abendessen räumte ich den Tisch ab und betätigte danach die Spülmaschine. Weder meine Mum, noch Richard hatten Anstalten gemacht, mir dabei zu helfen. Sie standen einfach auf, Richard trug meine Mum auf Händen - wortwörtlich - zur Couch und dort verfielen sie sofort in eine wilde Knutscherei, weswegen mir fast das Essen wieder hochkam und ich mich schnellst möglich auf mein Zimmer verzog und versuchte, die Bilder aus meinem Kopf zu schaffen. Irgendetwas musste passiert sein... Normal war dieses Verhalten sicherlich nicht.

Am nächsten Abend verwirklichten die Beiden ihren Plan und Richard ging mit ihr aus. Total aufgetakelt verließen sie das Haus, meine Mutter in einer Duftwolke aus Parfüm. Ich schmiss mich mit einer Tüte Chips und Gammlerhosen auf die Couch und sah mir einen Film an. Es war wirklich erstaunend, wie friedlich es in unserem Haus sein konnte, waren die Anderen nicht hier.

Ich stellte mir ein Leben vor, in dem ich eigenständig war. Eigenständig im Sinne von „frei". Eine eigene Wohnung, einen angesehenen Beruf und vor allem, ein Leben, das ich führen konnte, wie ich es wollte. Ich würde alles ändern wollen. Raus aus dieser nahezu depressiven Einsamkeit. Ich würde mir Freunde suchen. Nicht viele, denn darum ging es nicht. Feste Freundschaften, die nichts und niemand leichthin zerstören könnten. Nicht zu anhänglich, aber dennoch immer zusammen.

Freundschaften in Filmen waren mir immer zu traummäßig dargestellt. Filme wiederspiegelten in keinerlei Hinsicht die Realität. Schließlich ging in Filmen immer alles gut aus, nur wenige Filme endeten ohne Happy End. Doch meist machte ich mir ein Happy End daraus, in dem ich andere Möglichkeiten offenhielt. Wenn das Mädchen beispielsweise ihren Traumjungen nicht bekam, den sie doch aber abgöttisch liebte, fand sie in meiner Vorstellung einfach heraus, dass er nichts weiter als ein hinterhältiges Arschloch war und fand in einem anderen Jungen ihren Traummann, der sie ebenso zurückliebte, sie auf Händen trug und sie zu schätzen wusste.

Schon früh beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, dass Filmemacher es in dieser Hinsicht echt schwer hatten, es den Zuschauern recht zu machen. Denn prinzipiell vertat ich die Meinung, dass weder Happy Endings, noch Sad Endings es den Menschen recht machten. Bekam das Mädchen beispielsweise ihren Traumjungen (die in Filmen wirklich perfekt dar gestellt waren, kaum Macken aufzuweisen hatten, doch auch dies wiederstrebte der Realität vollkommen, denn heutzutage war es echt schwer solche Typen zu finden), waren die Zuschauer teils befriedigt, denn alles ging gut aus und irgendwie wünschte man sich dies ja auch. Andererseits waren die Zuschauer sauer, dass in Filmen eben immer alles perfekt ausging. Doch ging der Film nun schlecht aus, wäre der Zuschauer auch wieder unzufrieden, denn innerlich betete er für das Mädchen, dass sie die Liebe ihres Lebens bekam. Schlussendlich, Menschen zufriedenzustellen war keine leichte Sache.

Unloved (N.H) / German (✔)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt