Kapitel 1

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Jack

Hier sitze ich also... in einer Schule, in der ich ignoriert werde. Ich wäre eh viel lieber auf eine ganz normale Schule gegangen. Aber da kann man nichts machen! In der Pause schlenderte ich wie immer alleine durch die Gänge. Plötzlich rempelte mich jemand an, lässt dabei seine Bücher fallen. Aber als ich die Bücher aufheben wollte, packte mich der Typ und schubste mich gegen die Wand. "Fass meine Sachen nicht an, du Schwuchtel!", zischte er. Es verletzte mich wirklich sehr, dass man hier nicht mal mehr helfen durfte. Ich glaube, die würden mich am liebsten in einen Plastikbeutel stecken. Schwul sein könnte ja ansteckend sein! Ich rieb mir meinen Oberarm und sah niedergeschlagen auf meine Schuhspitzen. "Alles okay bei dir?", hörte ich plötzlich jemanden sagen. Ich fühlte mich nicht angesprochen, mich spricht hier neimand an! Ich spürte eine Hand auf meine Schulter. "Hey? Ist alles okay?"

Ich fuhr total zusammen und drehte mich um. Ein Mann stand vor mir. Er war recht groß, muss noch ziemlich jung sein. Seine braunen Haare kringelten sich ganz leicht. Ein Schüler ist er aber nicht, er trägt keine Schuluniform. Ich nickte nur hastig und sah schnell weg. Er sah gut aus... Aber was will der von mir? "Du sprichst nicht viel, was?", fragte er und lächelte leicht. Ich sah ihn wieder kurz an, schüttelte den Kopf. Als es klingelte, drehte ich mich schnell um und ging in meine Klasse. Gleich haben wir Klassenstunde. Meine Klassenlehrerin will uns jemanden vorstellen...

Ich schob die Klassentür auf und tapste zu meinem Platz, ganz hinten in der Ecke am Fenster. Meine Bücher, die ich mir aus der Bücherei ausgeliehen hatte, ließ ich in meine Schultasche verschwinden. Ich liebe Bücher über alles! Zuhause haben wir einen ganzen Raum voller Bücherregale. Und ich habe glaube, ich habe schon fast alle spannenden Bücher durch... Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl sinken. Wieder sah ich aus dem Fenster, in die grünen Bäume draußen. Ich mochte diesen Ausblick sehr. Trotzdem kann ich ihn nicht genießen, da ich ja in der Hölle auf Erden bin! Es gibt für mich keinen schlimmeren Ort als die Schule. Zwar schreibe ich gute Noten, aber wie man weiß, ist das ja eh nicht mein Problem. Ich mein, was haben hier alle gegen Homosexualität? Das ist menschlich, das ist ganz normal. Und dass ich nicht an den Jungs in meinem Alter interessiert bin ist doch auch nichts Schlimmes. Die Mädchen sehen doch auch den jungen Männern hinterher! Das ist so ungerecht! Jeder Mensch sollte gleich behandelt werden. Oder sehe ich das falsch? Ach ja, ich sehe ja immer alles falsch, ich bin ja nicht normal!

Ich legte meinen Kopf auf meine Arme und sah weiter ins Grüne. Manchmal wünschte ich echt, ich wäre entweder nicht schwul oder ein Mädchen... Dann hätte ich diese Probleme nämlich nicht! Meine Eltern nerven mich auch schon immer, wann ich ihnen denn endlich mal meine erste Freundin vorstellen würde. Sie sind auch total gegen Homosexualität. Warum? Ich hab keine Ahnung! Ich hoffe nur, dass sie es nie erfahren werden... 

In der Klasse wurde es ruhig, doch ignorierte ich es einfach. Die Klasse stand auf, um unsere Klassenlehrerin zu begrüßen. Wie immer blieb ich einfach sitzen. Ich werde eh nicht beachtet. Und... ganz ehrlich, wenn sie mich nicht so respektieren, wie ich bin... brauche ich doch auch keinen Respekt zeigen. Am liebsten würde ich sie einfach so behandeln wie sie mich. "Hey, du! Schläfst du etwa?", vernahm ich eine Bekannte Stimme. Ich hob meinen Kopf. Jemand stand direkt vor mir am Tisch. Das ist doch der Mann, dem ich auf dem Flur begegnet bin... Was will der hier? "Na los! Steh auf, wir wollen uns begrüßen", sagte er. 

"Ach, Mr Jones! Beachten sie ihn am besten gar nicht", sagte einer von meinen Mitschülern. Mr Jones...? Heißt er so? Ganz langsam erhob ich mich. Zufrieden lächelte der Mann und ging wieder nach vorne. "Außerdem sollten sie sich eh lieber von Jack fern halten!", kam es aus einer anderen Ecke. 

Jones drehte sich zu dem Mädchen um. "Warum das denn?", fragte er irritiert. Ich sah zu dem Mädchen. Hoffentlich sagt sie nichts! Er soll mich nicht auch ignorieren. "Männer in Ihrem Alter sind ihm am liebsten, wissen Sie?"

Die Klasse lachte. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Das sind solche Schweine! Ich nahm mir einfach meine Tasche und verließ den Klassenraum. Schnell verschwand ich in den Toiletten, schloss mich dort ein. Schluchzend ließ ich mich auf den Klodeckel sinken. Das kann doch nicht wahr sein! Warum haben sie es ihm gesagt? Ich vergrub mein Gesicht in meiner Armbeuge und weinte. Ich konnte gerade nicht anders. 

Plötzlich hörte ich die Tür aufgehen. Ich verstummte. "Jack? Bist du hier?", hörte ich Mr Jones. Ich zog meine Beine an meinen Oberkörper, damit er meine Füße nicht sah, dabei rutschte mir aber mein Handy aus der Hosentasche und fiel zu Boden. Verdammt! "Hey... Jack. Komm raus..." Ich hörte, wie er sich neben die Kabinentür an die Wand lehnte.

Leise schniefte ich und wischte mir die Tränen mit dem Ärmel weg. "Was haben deine Mitschüler vorhin damit gemeint?", fragte er leise. "Das geht Sie gar nichts an!", sagte ich ganz leise. Meine Stimme zitterte und hörte sich kratzig an. Es war eine Weile still. Vielleicht war er erstaunt, dass ich geantwortet hatte. 

"Stimmt, das geht mich nichts an", hörte ich ihn sagen. "Aber Jack? Das ist doch sicher nichts, weshalb man weinen müsste..." 

Jetzt reicht es mir! Jetzt lügt er mich auch noch an! Ganz sicher findet er es abstoßend! Ich stand auf, nahm mein Handy und meine Tasche und verließ die Kabine. "Sie haben doch keine Ahnung!" Ich sah zu ihm hoch. "Lassen Sie mich doch einfach in Ruhe! Sie sind doch sicher auch nicht anders als die anderen hier an dieser Schule. Ich hasse es hier!!", schrie ich, bevor ich die Toiletten verließ und durch die Gänge lief. Er ist ein Mann, natürlich findet er es abstoßend! Sicher hat er Angst, dass ich mich an ihn ran machen könnte. 

Wieder liefen mir die Tränen über die Wangen. "Jack!", hörte ich ihn rufen. "Lasst mich einfach alle in Ruhe!", schrie ich, als ich mir kurz umdrehte. Dann lief ich aber einfach weiter.

Mr Jones

Ich stand an den Klos und sah dem Jungen nach. Was hatte er denn nur? Warum weint er? Warum läuft er vor mir weg? Hab ich denn was falsches Gesagt? Ich weiß doch nicht mal was seine Mitschüler damit gemeint hatten... Männer in meinem Alter sind ihm am liebsten...? Ich verstehe das nicht. Okay, ich gebe zu, ich bin wirklich nicht der hellste, was sowas angeht! Und dann haben mich seine Mitschüler und seine Lehrerin auch noch so komisch angesehen, als ich ihm gefolgt bin. Was geht hier ab? Ob es wirklich so schlimm ist? Vielleicht übertreibt dieser Jack es ja nur? Alles Fragen, auf die ich keine Antwort wusste. Seufzend fuhr ich mir mit der Hand durch meine leicht gelockten Haare. Also eins ist klar: hier muss etwas geändert werden! Und da ich jetzt der neue Klassenlehrer seiner Klasse bin... werde ich auch etwas verändern! In meiner Klasse wird niemand ausgeschlossen, es wird niemand gemobbt und jeder wird mit jedem klarkommen, auch wenn einem das Aussehen des anderen nicht passt! Ja, genau das nehme ich mir vor. Optimistisch lächelte ich und machte mich auf den Weg zurück zur Klasse. Den Jungen kann man sicherlich eh nicht aufhalten. 


My Teacher [boyxman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt