Kapitel 12

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William Jones

*FLASHBACK*

"Mehr! Mehr!", rief der fünfjährige, der auf der Schaukel saß und sich von mir Anschwung geben ließ. Seine glatten schwarzen Haare wehten um Wind und wenn man genau hinsah, sah man den leichten Schweiß auf seiner blassen Haut glitzern. Es war mal wieder so ein heißer Sommer.

Sein Onkel und mein Vater saßen mit einem Bier auf der Terrasse, während die Frauen in der Küche kochten. Eigentlich wäre ich noch in der Schule gewesen, doch war ich mal wieder krankgeschrieben. Ich war gerade mal dreizehn und besuchte die achte Klasse. Eigentlich ging ich gern zur Schule, doch stieg mir die Hitze immer zu Kopf. Fast den ganzen Sommer lang lag ich krank im Bett und versäumte alles. Meine Mitschüler sagten sogar, dass ich es absichtlich machte und ich einfach keine Lust auf Schule hätte. Aber das stimmte nicht, ich wollte ja immer zur Schule, doch wollte meine Mutter das nicht. Schließlich kippte ich mindestens einmal am Tag um, da mein Kreislauf nicht mitspielte. Das war ihr dann zu gefährlich, mich gehen zu lassen. Trotz allem schrieb ich gute Noten in der Schule. Ich hatte schließlich einen Traum, den ich um jeden Preis verwirklichen wollte. Alle erklärten mich für verrückt, doch ließ ich mir von niemandem ausreden, dass ich Lehrer werden wollte.

"Jungs? Trinkt ihr denn auch genug?", rief der Onkel des Jungen uns zu.

"Jaaa!", schrie ich zurück, blickte dann aber zu der Wasserflasche, die neben der Schaukel lag. Wir hatten sie kein einziges Mal angerührt. Also nahm ich sie mir, drehte den Deckel ab und trank einen großen Schluck.

"Ich will auch!" Der Junge sah mich mit großen Augen an. Er war wirklich zum anbeißen niedlich. Wäre er ein Mädchen, würde ich ihn sofort heiraten. Aber das ging nicht. Außerdem gab es da schon ein anderes Mädchen. Jedoch kam sie nicht von hier und ich hatte sie bis jetzt nur einmal gesehen. Im Urlaub. In einer größeren Stadt, wo es viel kälter und nasser war als hier.

"Starr mich nicht so an", piepste der Kleine und streckte seine Hände nach der Flasche aus.

Leicht schüttelte ich den Kopf. Immer wieder verlor ich mich in diesem dunklen Grau seiner Augen. Ich reichte ihm die Flasche und den Deckel, hielt ihn etwas fest, damit er nicht von der Schaukel fiel, während er trank.

"Ich hab keine Lust mehr zu schaukeln", sagte er und ließ sich runter rutschen. Ich nickte leicht und nahm ihm die Flasche ab.

"Und was möchtest du jetzt machen?", fragte ich ihn und strich ihm durch die weichen Haare.

Er sah zu mir hoch. "Ich weiß es nicht."

Ich grinste und meine Zahnspange kam zum Vorschein. "Komm, wir klauen uns bei Mum was zu essen", meinte ich und nahm seine Hand. Zusammen liefen wir ins Haus, wo wir von den Erdbeeren naschten, die eigentlich für den Nachtisch gedacht waren.

"Willy, lass das", meinte meine Mutter und sah mich mahnend an. "Bring dem Kleinen nicht so einen Mist bei."

"Ist aber leckerer Mist", nuschelte ich und schob mir noch eine Erdbeere in den Mund. Mum verdrehte nur die Augen und strich sich eine Locke hinter das Ohr, ehe sie wieder im Topf rührte. Sie machte Tomatensoße für den Makkaroni Auflauf. "Wann ist das Essen fertig?", fragte ich

"Gleich, dauert nicht mehr lang."

Ich nickte leicht und sah zu Greyce, die dem schwarzhaarigen ein Taschentuch gab, damit er sich das rote Zeug von den Erdbeeren wegwischen konnte. Kleines Schweinchen nannte sie ihn, was ich äußerst amüsant fand.

"Bin kein Schweinchen", schmollte er.

Ich schlang grinsend meine Arme um den kleinen Engel. "Genau, er ist kein Schweinchen. Er ist viel zu hübsch dafür." Ich vergrub mein Gesicht in seinem Haar.

Er kicherte wie ein kleines Mädchen. Zu süß! "Willst du später etwas von meinem Schokoladeneis abhaben?", fragte ich den Jungen, der genauso gut aus einem schwarzweiß Film hätte stammen können.

"Schokoladeneis? Jaa!", rief er begeistert und warf seine Arme um mich. "Wenn du mir was abgibst, Lockilein." Er lächelte mich zuckersüß an. Lockilein nannte er mich, weil ich total die Locken hatte. Mich störte es etwas, aber er fand sie toll, was er mir jedes Mal sagte, wenn wir uns sahen. Er war einfach zu goldig. Ich kannte auch seinen Bruder, aber der war einfach nur frech. Er sah zwar fast genauso aus, doch war mir mein Engelchen lieber.

"Natürlich gebe ich dir etwas ab, Schatzilein."

Er grinste mich mit seinen strahlend weißen Milchzähnen an. Er hatte eine Zahnlücke vorn, was wirklich putzig aussah.

"Duuuu, Lockilein? Wenn ich groß bin, heirate ich dich", grinste er mich an.

Ich lachte. Süßer ging es echt nicht! "Wenn nicht, dann bin ich dir auch böse." Ich drückte ihm einen Kuss auf die blasse Stirn, woraufhin er total rot wurde. Hatte ich schon erwähnt, dass er einfach ein Engel war?

*FLASHBACK ENDE*

Ich wurde wach, als mein Kopf auf die Tischplatte knallte. "Auaa!", jammerte ich müde und rieb mir die Stirn. Wieso passiert mir das andauernd? Hoffentlich gab das keinen blauen Fleck. Mit der Hand fuhr ich mir durch die lockigen Haare und blickte auf die Deutscharbeiten meiner Klasse. Gerade lag die von Jack vor mir. Ich musste nur noch die punkte zusammen rechnen. Das konnte ich mir jedoch eher sparen, weil er die volle Punktzahl hatte. In Deutsch schien er einfach nicht zu toppen zu sein. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass er die ganze Zeit nur hinter seinen Büchern hockte und las. Da eignete man sich die Grammatik und Rechtschreibung natürlich an. Zudem schrieb er auch seine eigenen Geschichten, hatte sogar ein eigenes Buch angefangen. Ich würde da zu gern mal reinlesen, doch durfte ich von ihm aus nicht. Das konnte ich jedoch verstehen. Ich schrieb ebenfalls selbst Bücher, doch wusste niemand davon. Ich traute mich auch nicht, sie zum Verlag zu bringen, damit sie eventuell veröffentlicht werden konnten. Keine Ahnung wovor ich Angst hatte. Wenn es überhaupt Angst war. Aber manchmal verstand ich mich halt selbst nicht.

Jemand schlang seine Arme von hinten um mich. "Schatz, komm endlich ins Bett", sagte meine Frau leise und küsste meinen Nacken. "Die Arbeiten haben doch keine Eile. Du musst sie ja nicht gleich Montag zurück geben."

Leise seufzte ich. "Es sind nur noch zwei oder drei. Das geht schnell. Danach komme ich auch ins Bett."

Sie schien etwas beleidigt zu sein. "Wir haben endlich mal wieder ein Wochenende für uns. Das erste mal, seid unser Krümel auf der Welt ist. Und dann willst du nicht mal zu mir ins Bett?"

Seit der Geburt unserer Tochter lief zwischen uns nichts mehr im Bett. Ich kam damit klar, schließlich war ich trotzdem glücklich. Eine Beziehung drehte sich ja nicht nur um Sex. Aber sie schien etwas Entzug zu haben.

"Ich bin heute auch nicht in Stimmung." Ich setzte meine Brille auf und nahm mir die nächste Arbeit.

"Ich hab das Gefühl, dass du nie in Stimmung bist...", schmollte sie.

"Sei mir nicht böse. Ich kann halt nicht, wenn mir nicht danach ist." Ich sah über die Schulter zu ihr.

"Ich glaub der neue Job stresst dich zu sehr. Sonst warst du immer der, der immer wollte." Sie fuhr mit der Hand unter mein Shirt und strich mir über die nackte Brust. "Oder gefalle ich dir etwa nicht mehr?" Traurig sah sie mich an.

"Natürlich gefällst du mir noch! Was denkst du denn?" Ich strich ihr über den Arm.

"Dann küss mich wenigstens..."

Manchmal war sie echt stur... Aber ich liebte sie auch mit ihren kleinen Macken über alles. Die einzige andere Person, die ich genauso sehr liebe war unsere Tochter. Ich zog meine Frau, die nur ein dünnes Nachthemd trug, auf meinen Schoß und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. "Ich liebe dich", sagte ich und küsste sie liebevoll. "Das weißt du doch."

Sie nickte und schlang ihre Arme um meinen Nacken. "Ich weiß... Ich liebe dich auch, Will."

"Wieder alles gut?"

Sie nickte und küsste mich nochmal. "Beeil dich aber bitte... Es ist so einsam im Bett, ohne dich."

Ich nickte und sah ihr nach, als sie wieder in unser Schlafzimmer ging.


My Teacher [boyxman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt