Kapitel 28

5.2K 298 52
                                    

William Jones

„Will, sprich mit mir. Bitte! So kann das nicht weitergehen. Ich weiß, dass etwas vorgefallen ist, sonst würdest du dich nicht so merkwürdig verhalten. Es geht schon eine Weile so. Ich mache mir Sorgen um dich. Du scheinst dich gar nicht mehr wohl zu fühlen, du bist nicht mehr du selbst. Mit mir kannst du über alles reden, das solltest du doch wissen. Aber wenn du nicht sprichst, kann ich dir nicht helfen." Meine Frau hielt meine Hände in ihren. Wir saßen zu zweit am Küchentisch. Es war nun eine Woche her, dass ich mit Jack im Strandhaus war. Ich fühlte mich schrecklich, wenn ich Jack in der Schule sah. Ich fühlte mich schrecklich, wenn ich bei meiner Frau war. Beide betrog ich. Beide hatten etwas besseres verdient als mich. Und ich musste verdammt nochmal endlich mit der Sprache raus rücken! Aber ich hatte schreckliche Angst. Schreckliche Angst alles zu verlieren. Doch würde ich noch länger warten, würde alles noch viel schlimmer werden.

Ich drückte sanft ihre Hände. „Ich... ich hab großen Mist gebaut." Ich schluckte schwer, meine Stimme zitterte. „Das hab ich wirklich nie so gewollt. Ich wollte nicht, dass alles so kommt. Es ist einfach passiert. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich weiß nicht, warum mir plötzlich alles so egal war. Keine Ahnung!" Tränen liefen mir über die Wangen.

Meine Ehefrau strich mir sanft über die Hände, sah mich besorgt an und ließ mich einfach reden.

„Es tut mir so schrecklich leid! Bitte verzeih mir..." Natürlich wusste ich, dass ich es nicht verdient hätte. Schließlich hatte ich sie betrogen. „I-Ich liebe dich. Ich liebe dich wirklich. Und ich liebe unsere Tochter. Sie ist das wertvollste in meinen Leben. Wirklich! A-aber... oh Gott... aber ich liebe auch ihn..."

Ihr Griff um meine Finger wurde fester. „William..."

„Ich liebe ihn so sehr, dass es wehtut. Diese Gefühle betäuben mich regelrecht. Wenn ich bei ihm bin, blende ich alles andere aus. Ich blende euch aus. Ich bin so unglaublich dumm! Es ist als wäre ich wieder 16. Ich wollte nie, dass es so kommt!" Ich schluchzte auf.

„Warst du letztes Wochenende mit ihm zusammen?" Ihre Stimme war ernst.

Ich nickte, traute mich nicht, sie anzusehen.

„Hast du ihn geküsst?"

Wieder nickte ich.

„Hast du mit ihm geschlafen?"

Wieder ein Nicken. Alles in mir zog sich schmerzhaft zusammen.

„Wie lang geht das schon so?"

Ich zögerte. „Kurz nachdem ich angefangen hab, ihm Privatunterricht zu geben", gestand ich meiner Frau.

Sie ließ meine Hände los und erhob sich. Ihre Schritte wanderten hin und her. Schließlich blieb sie vor mir stehen. Kurz darauf traf mich ihre flache Hand hart im Gesicht. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Schließlich hatte ich nichts besseres verdient. Ganz im Gegenteil.

Sie setzte sich mir wieder gegenüber. Noch nie war sie jemand gewesen, der rasend vor Wut das ganze Haus verwüsten würde oder ähnliches. Doch wusste ich gerade nicht, was schlimmer wäre.

„Mir war klar, dass irgendwas nicht stimmt. Und mir war auch klar, dass zwischen uns nichts mehr lief. Ich gestehe, das lag auch nicht nur an dir. Aber, William, du hättest von Anfang an die Eier in der Hose haben müssen und mit mir reden! Früher oder später hätten wir sowieso ein Gespräch geführt, um gemeinsam zu überlegen, wie es weitergeht. Aber, dass du es so weit kommen lässt. Ich bin maßlos enttäuscht von dir. Kannst du dir vorstellen, wie weh es tut, so hintergangen zu werden? Wann verdammt bist du so feige geworden? So ein Arschloch? Und hast du mal an deine Tochter gedacht? Wäre es nicht besser gewesen, wir hätten von Anfang an darüber geredet und hätten eine friedlicheren Weg gefunden, um das hier zu beenden? Wie soll ich dir denn jetzt noch vertrauen können? Denkst du wirklich, ich gebe mein Kind jetzt gern in deine Arme? Einem Lügner? Einem Betrüger? Herrgott, Will, wer hat dir ins Hirn geschissen?" Sie weinte. Es war unerträglich sie so zu hören, zu sehen. Sie zerbrach. Und das obwohl die Flamme der Leidenschaft beiderseits bereit erloschen war. Wir hatten es beide gewusst. Und trotzdem tat es so weh.

Ich wusste nicht, wie lang wir beide still weinend dort saßen und schwiegen.

„Hat er wenigstens von mir gewusst?", brach mein Gegenüber irgendwann die Stille.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein."

Sie seufzte und fasste sich an die Stirn. „Mich zu verletzten ist eine Sache... Aber du behauptest, diesen Jungen abgöttisch zu lieben und hintergehst ihn genauso?" Sie packte mich am Kragen. „Willst du die nächste Beziehung etwa von Anfang an auf Lügen aufbauen? Was bist du nur für ein Scheißkerl? Mir ist egal, ob du daran zerbrechen wirst, wenn du ihn wieder verlierst, das interessiert mich nicht. Du hast es eigentlich verdient ebenfalls so verletzt zu werden. Aber warum tust du es einen unschuldigen Jungen an? Wahrscheinlich bist du seine erste große Liebe. Und von Anfang an betrügst du auch ihn. William, das ist nicht fair." Sie ließ mich wieder los. „Was ist nur falsch mit dir?"

Ich blickte ihn ihr wütendes Gesicht. Sie hatte Recht. Mit allem, was sie sagte. „Ich weiß es nicht..." Ich raufte mir die Haare. „Es tut mir so leid. Es tut mir so schrecklich leid!"

„Entschuldige dich lieber bei ihm! Mit uns ist es sowieso vorbei. Sieh zu, wo du bleibst. Und überleg dir, wie du es unserer Tochter beibringst. Ich will dich nicht mehr sehen. Geh jetzt bitte. Pack deine Sachen und verschwinde. Hau ab. Ist mir egal wohin." Sie tippte mir auf die Brust. „Und tu ihm nicht noch mehr weh. Er hat es sicher nicht verdient, so verarscht zu werden."

Ich packte also meine wichtigsten Sachen, verabschiedete mich von meiner Tochter und ging. Es regnete. Der Regen vermischte sich mit meinen Tränen.

My Teacher [boyxman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt