𝖾𝗅𝖿;

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Eine Stunde später fand ich es wieder schlimm.
Nachdem wir die Hündin bei Hoseok zuhause abgeliefert hatten, war ich von dem Dunkelhaarigen schnurstracks in die Innenstadt geschleppt worden.

Wir würden einfach und unkompliziert anfangen, hatte er gesagt.
Was genau er mit 'einfach' und 'anfangen' meinte, hatte ich noch nicht ganz durchschaut. Bis jetzt hatte ich seinen Plan soweit gecheckt, dass seine Hauptmission war, mich zu 'spaßigen' Aktivitäten zu zwingen.
Die ich auf keinen Fall planen durfte, aka ihm blindlings folgen und angstvoll erwarten musste, was ihm für ein Müll einfiel.
Was dabei für ihn raussprang und wieso er das Bedürfnis hatte, mich zu bekehren, wusste wohl niemand.

Als wir dann vor dem Kino standen, war ich fast erleichtert.
Ich ging so gut wie nie ins Kino, bis jetzt war ich glaube ich erst zwei oder dreimal gewesen. Aber allzu schlimm durfte das wohl nicht werden, dachte ich.
Bis er die Tickets in der Hand hielt und mir begeistert den Filmtitel nannte.
"Das nennst du spaßige Aktivität?"
Missmutig starrte ich auf das Filmplakat des Horrorfilms.

"Natürlich! Lass mich wetten, wann warst du das letzte Mal im Kino? Drei Monate, sechs Monate?"
Siegessicher grinste er mich an, wobei seine tiefen Grübchen sichtbar wurden.

"Drei Jahre, wenn dann." Unberührt drehte ich mein Ticket herum, um es genauer anzusehen, überhörte Hoseoks fassungsloses Geräusch des Schocks.
"Drei Jahre? Gottes Willen, zum Glück ziehen wir das jetzt durch... gut, dass wir erstmal klein anfangen, hm?"

Genervt legte ich den Kopf schief.
"Ich will gar nicht wissen, was du noch so alles im Kopf hast, wenn wir heute nur klein anfangen."
Er kicherte vergnügt, "Das sag ich dir doch nicht, Dummerchen! Dass du unvorbereitet ins Geschehen geschmissen wirst, ist doch der Sinn der Sache, Mister Organizer!"

"Ich sagte ja auch, dass ich es nicht wissen will, Depp", murmelte ich, was Hoseok unbekümmert so stehen ließ.

"Komm, Snacks!", er griff nach meinem Arm und zog sich hinter mir her, die plötzliche Berührung ließ mich beinahe zusammenzucken.

Lautlos seufzte ich. Ich hatte wirklich besseres zu tun, als mit Hoseok einen auf beste Freunde zu machen und im Kino rumzugammeln.
Wieso genau hatte ich nochmal nachgegeben und diesem Irrsinn zugestimmt?

Eine Viertelstunde später saß ich mit Hoseok auf der rechten und einem Mann um die 30 auf der linken Seite in bequemen, weinroten Kinosesseln und wartete darauf, dass das Licht ausging und die Werbung begann.

Vergnügt raschelte Hoseok mit unserem Popcorn, während ich nur abwesend an einer Spezi nippte.
Hoseok hatte zu den Tickets auch noch meine Snacks zahlen wollen, aber ich war rechtzeitig mit meinem Geldbeutel dazwischengegrätscht.
Reichte ja schon, dass er die Karten zahlte, wobei da der kleine feine Unterschied war, dass ich den Film nicht freiwillig sah, also hatte ich es geschehen lassen.

Eigentlich mochte ich es gar nicht, bei anderen in der Schuld zu stehen.
Aber eigentlich wollte ich auch gar nicht hier sein.

Etwas unwohl warf ich einen Blick auf meine Uhr, der Film ging ca. zwei Stunden.
Soviel zu unserem Deal mit den zwei Stunden... Ich würde erst gegen 19 Uhr zuhause sein, schaffte ich danach noch ein paar Vokabeln? Vermutlich.

"Weißt du", flüsterte Hoseok da und lehnte sich etwas zu mir herüber, "Ich hab eigentlich unglaublich Schiss vor Horrorfilmen!"

Huh? Was machten wir dann bitte hier?
Ungläubig starrte ich ihn an.
"Bitte? Du magst keine Horrorfilme?"
"Doch, doch! Irgendwie ist der Nervenkitzel ja schon geil. Aber... Ich bin bei sowas total der Angsthase."

Resigniert seufzte ich und stützte den Kopf auf die Hand.
"Wieso hast du dann einen Film ausgesucht, bei dem du Angst hast? Wir haben ja schon bezahlt und alles."
Etwas verlegen grinste er.
"Ich dachte, das ist gut für unsere emotionale Bindung. Wenn man zusammen eine brenzlige Situation durchlebt, ist das doch immer gut für die Beziehung zwischeneinander."

Unverständlich schüttelte ich den Kopf.
Emotionale Bindung, am Arsch.
"Du hast echt einen an der Klatsche. Wehe, du schreist in mein Ohr."
"Kann ich nicht versprechen. Machen dir Horrorfilme keine Angst?"
Neugierig blickte er mich an, worauf ich den Blick abwendete, bevor ich antwortete.

"Naja, geht so. Hab schon länger keinen mehr geschaut, aber ist ja immer nur im Film."
Zum Glück fing da endlich die Werbung an, die nächsten zehn Minuten verfolgten wir schweigend die Filmvorschauen und etlichen Eiswerbungen.

"Langnese, gibt's auch hier im Kino...", flüsterte Hoseok im Einklang mit der dämlichen Werbestimme und grinste mich an.
Belustigt verdrehte ich die Augen und nahm schnell einen Schluck meines Getränks, um mein Grinsen zu verstecken.
Er hatte es allerdings gesehen und lächelte warm zurück, weshalb ich tadelnd auf die Leinwand deutete.

Der Film selbst war überraschend gut gemacht und an manchen Stellen wirklich ziemlich gruselig.
Jumpscares gab es nur wenige, was für mich einen eher guten Horrorfilm auszeichnete, denn Jumpscares waren nur wirklich kein Qualitätsmerkmal.

Hoseok war ungewohnt still, mit aufgerissenen Augen verfolgte er den Film, die Beine eng zusammengepresst, und krallte sich etwas angespannt in seine Armlehnen.
Jedes Mal, wenn etwas unerwartetes geschah, zuckte er merklich zusammen.

Geschrien hatte er bis jetzt zum Glück noch nicht, aber der Höhepunkt des Filmes stand noch bevor.
Immer mal wieder warf ich ihm einen prüfenden Blick zu, jedes Mal saß er in der selben verkrampften Position in seinem Sessel, die Augen klebten an der Leinwand.
Auch wenn ich ihn bei diesen Lichtverhältnissen kaum sehen konnte, war offensichtlich, dass er sich nicht so ganz wohl fühlte.

Nach einer Weile lehnte ich mich ein winziges Stück zu ihm herüber, irgendwie tat er mir auf einmal leid.
"Alles okay?", flüsterte ich, worauf er merklich zusammenzuckte.
"Hm?", ertappt griff er nach seinem Popcorn, "Jaja, alles gut..."

Die Lüge stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Denk dran, das ist nur ein Film", versuchte ich ihn leise aufzumuntern.
"Mh-hm", war die Antwort, aber so richtig zu entspannen schien ihn das nicht.

Kritisch betrachtete ich ihn. Ob ich einfach den Film weiterverfolgen sollte? Vielleicht rappelte er sich ja wieder.
Wenn es gar nicht mehr ging, konnten wir auch gehen, aber ich hatte keine Ahnung, ab welchem Punkt es besser wäre, Hoseok raus zu bringen.

Da tippte er mich sanft an.
"Yoongi?"
"Hm?", fragend schaute ich ihn an, im Dunkel des Kinosaals erkannte ich nur seine glänzenden Augen und seine rechte Wange.
"Kann ich mich an dir festhalten?"

Irritiert hielt ich inne. Händchen halten oder was? Ich fand Hoseok zwar nicht mehr ganz so nervig wie zu Beginn, aber das war wohl etwas zu viel des Guten.
Allerdings blickte er mich echt hilflos an, ein wenig wie ein verschrecktes Reh, so wie er da in seinem Sitz kauerte.

Also hob ich wortlos meinen Arm, worauf er sich blitzschnell mit seiner Hand bei mir einhakte und seine Finger in den Stoff meines Pullovers grub.
Für meinen Geschmack war er etwas nah, aber ich vermutete, dass ihm etwas Körperkontakt Trost spenden würde, also ließ ich es schweigend geschehen.

Oh Mann, was für ein Chaos. Jung Hoseok, sein Plan, meine Pläne außer Kraft zu setzen, schien irgendwie aufzugehen.
Dass ich nämlich mit ihm am Arm im Kino sitzen und den Fels in der Brandung spielen würde, hätte ich nie und nimmer erwartet.
Aber gut, jetzt war es so, was wollte ich auch machen?

Der Funke Sympathie für Hoseok in mir brachte es nicht übers Herz, ihn auf Distanz zu halten.






Der Funke Sympathie für Hoseok in mir brachte es nicht übers Herz, ihn auf Distanz zu halten

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𝘂𝗻𝗽𝗿𝗲𝗱𝗶𝗰𝘁𝗮𝗯𝗹𝗲 ; 𝘀𝗼𝗽𝗲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt