𝗓𝗐𝗈̈𝗅𝖿;

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Ich hasste Dinge ohne System, weil sie unvorhersehbar waren.
Und genau das war Jung Hoseok: unvorhersehbar.

Dass er ständig den Plan änderte, ihn verwarf, oder - im schlimmsten Fall - gar keinen hatte, lernte ich in den nächsten Wochen.
Wir trafen uns jeden Samstag nach dem Tag, an dem wir zusammen den Horrorfilm geschaut hatten.
Ob ich wollte oder nicht, Hoseok hatte verschiedenste Ideen, mich auf Trab zu halten.

Meine Eltern hoben jedes Mal interessiert die Augenbrauen, wenn ich mich ausgehfertig von ihnen verabschiedete.
"Freut mich ja wirklich, dass dieser Hoseok dich so mitreißt", lächelte meine Mutter mich an, als ich im Vorbeigehen Tschüss sagte, was mich fast ein bisschen wunderte.
"Mh-mh", brummte ich, wenn die bloß wüsste... Dass ich das keinesfalls freiwillig machte, sondern nur, weil ich Hoseoks beknacktem Deal zugestimmt hatte.

"Wie kommt's denn, dass du auf einmal so viel raus gehst? Klappt's nicht in der Schule?"
Na also, endlich rückte sie damit raus, was sie wirklich wissen wollte.
Schnell schüttelte ich den Kopf, Blödsinn.

Natürlich dachte sie an meine Noten, war ja auch komisch, wenn so ein fleißiger Schüler wie ich auf einmal jeden Samstag munter Ausflügchen machte.

Meine Eltern waren nicht so, wie man es sich vielleicht vorstellen würde, sie waren keine herzlosen Rabeneltern, die nur Wert auf Status und Erfolg ihrer Kinder legten.
Ihnen war zwar wichtig, dass ich mich anstrengte und dem Beispiel Seokjins folgte, aber sie zwangen mich nicht, zu lernen.

Ich hatte selbst den Drang entwickelt, meine Schulkarriere makellos zu absolvieren. Vielleicht lag es an dem stets leuchtendem Vorbild meines großen Bruders - ein kläglicher Versuch, nicht in seinem Schatten zu stehen.

Aber ich war überzeugt, dass es auch in meiner Persönlichkeit lag, mit Ehrgeiz und Fleiß alles in meiner Kraft liegende zu erreichen.

Heute, beim dritten Treffen, latschten wir fast zwei Stunden durch die Gegend, liefen mehrmals im Kreis und verirrten uns hoffnungslos in unserer eigenen Stadt, bis wir den Ort Hoseoks Begehrens erreichten - eine kleine, versteckte Aussichtsplattform ein Stück über der Stadt.
Im Grunde war es nur ein einsames Holzbänkchen am Rand eines großen Hügels, geschützt von Bäumen, zu der man einen etwas steilen, holprigen Waldweg hoch musste. Insgesamt aber war es ziemlich idyllisch.

Etwas außer Atem vom langen Weg ließ ich mich neben Hoseok auf der Bank nieder, achtete aber darauf, dennoch ein wenig Abstand zu bewahren. Dass ich ihn letztens im Kino so nah an mich herangelassen hatte, sollte eher eine Ausnahme bleiben. 

"Hübsch, nicht?", grinste Hoseok, griff in seine Jackentasche und reichte mir einen Schokoriegel.

Schweigend nahm ich ihn an und riss das Papierchen auf. Mit Hoseok aß ich viel mehr Süßes als sonst... Aber das lag daran, dass er immer und überall etwas dabei hatte. Unterzuckert würde ich dank ihm nicht so schnell sein.

Für einen Moment schwiegen wir, schauten jeder an seinem Schokoriegel kauend auf die unter uns liegenden Häuser.

"Wie zur Hölle haben wir uns eigentlich so sehr verlaufen?", brummte ich, "Man könnte fast meinen, nach 17 Jahren Lebenszeit in dieser Stadt kennst du dich einigermaßen aus."

Hoseok lachte, seine Augen verschmälerten sich mit seinem breiten Grinsen.
"Ich wusste echt nicht, wo das Plätzchen hier ist. Jimin hat es mir empfohlen, und ich dachte wir checken es mal aus."
Ich seufzte.
"Siehst du, hättest du einfach von vornherein die Route rausgesucht und ein bisschen geplant, hätten wir uns nicht verlaufen."

Ein Plan war einfach sinnvoll, es war immer besser vorbereitet zu sein.

"War doch auch so ganz nett, oder?"
Hoseok lehnte sich ein Stück zu mir, ich wich dem Körperkontakt automatisch aus.
"Und schau, wir haben so lange hier hochgebraucht, dass bald die Sonne untergeht. Romantisch, hm?"
Provokant grinste er mich an, unwillig wendete ich meinen Blick ab und schnaubte verächtlich.
"Romantisch, am Arsch", murmelte ich.
Was redete er wieder für einen Stuss?

𝘂𝗻𝗽𝗿𝗲𝗱𝗶𝗰𝘁𝗮𝗯𝗹𝗲 ; 𝘀𝗼𝗽𝗲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt