𝗉𝗋𝗈𝗅𝗈𝗀;

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𝗃𝗎𝗇𝗀 𝗁𝗈𝗌𝖾𝗈𝗄

"Achtung, sie guckt!", mit einem warnenden Zischen schlug Taehyung mir mein Handy beinahe aus der Hand, worauf er sich einen Ellenbogenhieb eingefangen hätte, hätte nicht auf einmal unsere Lehrerin wie ein lauernder Geier hinter mir gestanden, mich mit ihren wachsamen Augen hinter der dicken Hornbrille in den Boden starrend.

"War das ein Mobiltelefon?"
Aus ihrer Stimme, unangenehm hoch, konnte man den Triumph mich erwischt zu haben förmlich herauszuhören.

"Nein, mein Taschenrechner", erwiderte ich scheinheilig, als ich merkte, wie Jimin, der rechts von mir saß, mir unauffällig unter dem Tisch das Handy aus der Hand nahm und gegen seinen Rechner tauschte.

Mit einem freundlichen Lächeln hob ich das Gerät hoch und winkte ihr damit zu.
Verärgert schnaubte Mahlzahn, wie wir die Trulle heimlich nannten, auf und wandte sich ab, vermutlich enttäuscht dass sie mich nicht endlich mal erwischt hatte.

Zufrieden grinste ich in die Runde und schnitt eine Grimasse, worauf die anderen drei kicherten.
Nur Yoongi sah kurz von seinem Papier auf und schenkte mir einen nicht besonders begeisterten Blick, um sich dann wieder um seine Chemieaufgaben zu kümmern.

Grinsend verdrehte Jimin die Augen, 'der Streber halt', schien sein Blick zu sagen.
Verständlich, ihn interessierte die Gruppenarbeit über die Bromierung von Ethen schließlich genau so wenig wie Tae, Jungkook und mich.
Da wir allerdings alle vier nicht gerade die hellsten in Chemie und garantiert auch nicht die Fleißigsten waren, hatten wir ziemliches Glück gehabt, mit Min Yoongi eine Gruppe geworfen zu werden.

Der zierliche, schwarzhaarige Junge war der Streber schlechthin, einer der in wirklich jedem Fach Bestnoten hinlegte. Während er uns gezwungen davor bewahrte, eine 6 in der Gruppenarbeit zu kassieren, konnten wir die ganze Stunde lang chillen.

Zwar war er garantiert keiner, der gutmütig und großzügig freiwillig alle Arbeit erledigte, aber da es eine allgemeine Note für die Gruppe und keine für Einzelleistungen gab, machte er eben alles selbst.
Ich kannte ihn kaum, aber ich wusste, dass er niemals wegen uns eine schlechte Note hinnehmen würde, lieber erarbeitete er uns allen unverdient eine Eins, solange er sie selbst hatte.

Während Tae einige Minuten später beschäftigt war, Jungkooks ziemlich lang gewordene Haare in Zöpfe zu flechten, dokumentiert von Jimin, war ich still geworden.
Die anderen bemerkten es nicht, aber ich beobachtete unauffällig Yoongi, wie er still vor sich hin rechnete und knobelte, dabei seinen Tintenkiller rhythmisch öffnete und schloss.

Eine Strähne dunkles Haar fiel ihm in die Augen, abwesend strich er sie hinters Ohr.
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, konzentriert las er sich den Versuchsaufbau erneut durch bewegte seine Lippen beim Lesen ein klitzekleines bisschen mit.
Verwundert starrte ich ihn an.

Wir waren schon bald drei Jahre im selben Chemiekurs, wie konnte es sein, dass er mir noch nie richtig aufgefallen war?
Klar, jeder wusste, wer er war, der distanzierte Einserschüler, der immer alleine war. Er wollte nichts mit anderen zu tun haben, weshalb ihn auch niemand beachtete.

Jetzt allerdings betrachtete ich ihn zum ersten Mal bewusst.
Hübsch war er... ganz zarte, blasse Haut, feingliedrige Hände, Katzenaugen.
Mit einem lautlosen Seufzen griff er nach einem Erlenmeyerkolben, den Jungkook vorhin halb mit Wasser gefüllt hatte, um behaupten zu können, mitgeholfen zu haben.

𝘂𝗻𝗽𝗿𝗲𝗱𝗶𝗰𝘁𝗮𝗯𝗹𝗲 ; 𝘀𝗼𝗽𝗲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt