Wie man sich trösten lässt

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Der Nachtwind peitscht über meine Haut und jagt mir eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper. Es ist vielleicht unüberlegt gewesen einfach, in den naheliegenden Wald zu rennen, obwohl es stockfinster ist und ich keine Ahnung habe welche Kreaturen hinter den Bäumen lauern. Nur der Mond, der heute in seiner vollen Größe am Himmel strahlt, spendet mir das nötige Licht, um überhaupt etwas sehen zu können. Meine Schuhe sinken mit jedem Schritt tiefer in den moosigen Boden hinein, sodass es für jeden ein Leichtes wäre mich zu finden, selbst wenn man wie ich nur ein Mensch ohne jegliche Begabung auf die Welt gekommen ist. Aber wer würde mich schon suchen? Mein Vater hat wahrscheinlich noch nicht mal bemerkt, dass ich nicht in mein Schlafgemach zurückgekehrt bin. Und König Rowan ... ein Teil von mir wünscht sich das er mich suchen soll, der andere Teil, der größere Teil, wünscht sich nicht sehnlicher nicht so von ihm gesehen zu werden. Niemand soll mich so sehen. Mein Kleid ist dreckig, da ich vorhin über eine Baumwurzel gestolpert und direkt in eine Pfütze geknallt bin. Bei dem Versuch aufzustehen ist ein Teil des Stoffes an einem Ast hängen geblieben und hat das Kleid reißend gekürzt. Wer mir auch immer diese edle Kleidung geschenkt hat, wird mit absoluter Gewissheit nicht sehr erfreut sein, was ich damit angestellt habe. Seufzend lehne ich mich an einen Baum und höre meiner Umgebung zu. Alles ist so still. Beinahe gefährlich still. Ob sich wohl jemand in diesem Moment leise an mich heranpirscht, um mich zu erlegen?
     Zitternd presse ich meinen Körper an den Baum und spähe langsam an ihm vorbei. Ein Schrei löst sich aus meiner Kehle und lässt die Vögel krächzend aus dem Wald fliehen.
     »Verflucht, Davina!« Keuchend fasse ich mir an meinen Brustkorb, der unter meinem wilden Herzschlag leidet, während die glitzernde Frau vor mir, mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre Ohren zuhält.
     »Asena?« Die Fee vor mir verengt ihre Augen zu einem schmalen Strich und stemmt ihre Hände auf ihre Hüften. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Sie scheint nicht sehr erfreut darüber zu sein, wie ich sie begrüßt habe. Wäre ich wahrscheinlich auch nicht, wenn sie geschrien hätte, als sei der Tod höchstpersönlich hinter ihr her. Zu meiner Verteidigung: Das dachte ich wirklich!
     »Weißt du eigentlich wie lange ich dich gesucht habe?!« Höchstens ein paar Tage, schießt es mir in den Kopf. Doch das könnte ich nie auf ihren Vorwurf erwidern. Asena war zuvor noch nie wütend auf mich gewesen, weswegen ich keine Ahnung habe, was für Auswirkungen unbedachte Worte hätten. Tief ein- und ausatmen. Ich lege meinen Kopf schief und mustere meine Freundin. Asena ist eindeutig in einer besseren Verfassung als ich. Ihr rabenschwarzes Haar fällt ihr elegant über ihre Schultern und sieht nicht annähernd so zerzaust aus wie meines. Ihre Haut glänzt makellos unter dem Mondschein, wie auch ihr schwarzes Kleid, das ihr knapp über die Schenkel geht.
     »Meine Mutter ist ...« Asena schneidet mir das Wort ab. »Was hat dieses Biest schon wieder getan? Ist sie dafür verantwortlich das du hier draußen bist?«
     Ich schüttle den Kopf. »Das König er hat ...« Ich stocke. Ich habe es noch nie laut ausgesprochen. Das würde es nur real machen. Doch genau das war es. Es war real. So real wie mein Herzschlag, der schmerzhaft gegen meine Brust schlägt. So real wie Asena, die mich sorgvoll anschaut und einen Schritt näher auf mich zukommt. Langsam. Darauf bedacht mich nicht zu erschrecken. Als wäre ich ein scheues Reh.
     Ich seufze. »Asena sie ist Tod.« Ich hatte damit gerechnet das meine Freundin sich über diese Offenbarung freuen würde, schließlich weiß sie ganz genau, wie meine Mutter mich all die Jahre behandelt hat, doch ich habe mich geirrt. Ich habe die Fee falsch eingeschätzt. Ihre Augen werden groß, während sie einen Schritt nach hinten taumelt und sich an dem Baum neben ihr abstützt, als hätte ich sie geschlagen.
     »Der König hat sie hinrichten lassen«, wispere ich. »Und mein Vater ...« Ich schlucke. »Er hat nichts unternommen.«
     »Natürlich hat er das nicht. Der König von Lythanica ist ein Drache.«
Ich seufze. »Ich weiß. Ein Wolf hätte niemals eine Chance gegen einen Drachen.«
     Asena schüttelt ihren Kopf, während sie langsam auf mich zukommt und ihre Arme um meinen zittrigen Körper legt. Obwohl ihr Körper mir eine Wärme schenkt, die mich nach zuhause erinnert, fühle ich mich kälter denn je. »Das meine ich nicht«, flüstert sie mir ins Ohr. Asena löst ihre Arme von meinem Körper und streicht mir sachte mit einem Finger über die Wange. »Weißt du denn nicht, wie die Werwölfe entstanden sind?«
     Ich nicke. »Ein Fluch.« Jeder in Kyrae kennt die Fabel. Ein Schattenmagier verfluchte einst einen Menschen mit einer unbändigen Mordlust, die jahrelang anhielt und durch die Güte einer Elfe geheilt wurde. Sie schenkte ihm die Gabe einer enormen Stärke und die Unsterblichkeit, die es ihm ermöglichte, sich jederzeit in einen 2 Meter großen Wolf zu verwandeln und somit seine Mordlust zu kontrollieren. So lautet die Fabel. Wie viel davon wahr und was davon frei erfunden ist, ist selbst den Werwölfen selbst schleierhaft.
     »Elfen sind nicht selbstlos. Waren sie nie. Werden sie nie sein.«
Ich ziehe argwöhnisch eine Augenbraue nach oben. »Was willst du damit sagen?«
     »Ein Drache hat sie darum gebeten. Weißt du, was der erste Werwolf dann gemacht hat?«
     Ich schüttle den Kopf.
»Er schwor, das er und seine Blutlinie ihm gegenüber stets loyal sein und auf ewig dienen wird.«
     Ich schlucke. Mein Hals fühlt sich trocken an und obwohl mir bewusst ist, dass meine Stimme zittern wird, wenn ich jetzt etwas sagen würde, tue ich es trotzdem: »Warum erzählst du mir das?« Meine Augen brennen. Ich kämpfe krampfhaft gegen die Tränen an, die sich einen Weg nach draußen bahnen wollen.
     »Damit du deinen Vater verstehst, Davina.« Asena streicht mir behutsam über mein Haar. Ich spüre ihre Berührung kaum. »So einen Schwur kann man nicht brechen. Dein Vater ... er liebt dich. Das weißt du oder?« Ich habe den Kampf verloren. Die Tränen rinnen wie ein unaufhaltsamer Wasserfall über meine Wangen, während ich mich schluchzend in die Arme meiner Freundin begebe, die mir behutsam über den Rücken streicht, bis mein schluchzen zu einem wimmern wird und ich letztendlich verstumme.

 Die Tränen rinnen wie ein unaufhaltsamer Wasserfall über meine Wangen, während ich mich schluchzend in die Arme meiner Freundin begebe, die mir behutsam über den Rücken streicht, bis mein schluchzen zu einem wimmern wird und ich letztendlich vers...

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