Wie man Antworten von einem Dämon bekommt

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Nachdem Asena mich mit einem murmelnden »Ich muss noch etwas erledigen.« verlassen hat, habe ich die Hauptstraße verlassen und bin zurück zum Schloss gelaufen. Eine ziemlich dumme Entscheidung, wenn man bedenkt, was ich vor wenigen Stunden erfahren habe, aber irgendetwas hat mich dazu gedrängt zurückzugehen. Es ist ziemlich schwer zu beschreiben und vielleicht auch nur eine Einbildung, aber als ich vor der riesigen Eingangstür des Schlosses stand, habe ich mich dann doch nicht getraut hineinzugehen. Nun sitze ich angelehnt an einem Baum, nahe des Schlosses. Die Dunkelheit bricht herein. Während ich beobachte, dass immer mehr Bedienstete des Königs den Hof verlassen und zurück ins Schloss gehen, bleibe ich sitzen und genieße die kühle Nachtluft, die über meine Haut tanzt.
     Ich habe alles Revue passieren lassen, was seit meiner ersten Begegnung mit dem König geschehen ist, doch ich finde einfach keinen Anhaltspunkt, der seine Handlungen rechtfertigt. Ich weiß, dass die Geschichte, die Asena mir erzählt hat, wahr ist, schließlich hat sie mich noch nie angelogen. Umso mehr dröhnt mein Kopf, wenn ich an Rowan denke. Er hat stets normal mit mir gesprochen. Ich habe nie das Gefühl gehabt, das er mich als niederes Geschöpf der Gesellschaft ansieht, geschweige denn sich nach meinem Tod sieht.
     »Vielleicht sollte ich ihn einfach fragen«, murmle ich vor mich hin. Seufzend schlinge ich meine Arme um meine Knie und bette mein Kinn darauf. Ich versuche, meine Möglichkeiten abzuwägen, herauszufinden, wie ich dieses Gespräch mit dem König führen könnte. Ein einfaches »Rowan, warum hast du mich nicht hinrichten lassen?« klingt selbst in meinen Ohren, viel zu undankbar. Vielleicht bin ich das ja auch. Ist der Grund wirklich so wichtig? Sollte ich nicht einfach froh sein, dass ich überhaupt noch atmen kann?
     »Wem willst du was fragen?«
     Ich zucke zusammen. Schwarze Stiefel erscheinen in meinem Blickfeld. Noch bevor ich aufschaue, weiß ich, dass sie nicht dem König gehören – seine Stimme hätte ich sofort erkannt.
     »Du.« Meine Stimme bebt nicht, obwohl sie das sollte, bedenkt man, dass ein Dämon, kaum ein Meter von mir entfernt, direkt vor mir steht. Seine blauen Augen fixieren mich, sollten mich einschüchtern, doch das tun sie nicht. Stattdessen fühle ich mich so ruhig wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich mich jemals so gefühlt habe.
     »Solltest du nicht in deinem Zimmer sein?«
     Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Du meinst im Schloss?«
     Er zuckt mit den Schultern. »Im Schloss. In Kyrae. Vollkommen egal. Nur nicht hier.«
     Kyrae? Woher weiß er, dass ich aus Kyrae komme? Die Frage bleibt mir jedoch im Hals stecken, als etwas Schwarzes hinter ihm hervorkommt. Der Bluthund, dessen Schulterhöhe kaum bis zum Knie des Dämons gehen, setzt sich neben ihn hin und beobachtet mit Argusaugen meine Bewegungen, weswegen ich mich kaum traue auch nur einen Finger zu heben.
     »Magst du Hunde nicht?«
     Ich runzle die Stirn. »Einen Bluthund würde ich nun wirklich nicht in die Kategorie Hunde einordnen.« Der Dämon verzieht keine Miene, sofern ich das Beurteilen kann, schließlich verdeckt seine Kleidung das meiste seines Gesichts, sodass ich nur seine blauen Augen sehen kann.
     »Du kannst ihn also erkennen«, schlussfolgert er.
     Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Das ist nicht sonderlich schwer.« Ich zucke mit den Schultern. »Ich glaube wohl kaum, das Hunde solch leuchtende Pfoten haben.« Meine Augen huschen zu dem vierbeinigen Geschöpf, sodass ich die Reaktion des Dämons nicht mitbekomme. Das Tier legt den Kopf schief und schaut mich mit seinen treulosen Augen gebannt an, sodass mir beinahe ein Kichern entweicht. Ich weiß nicht viel von Dämonen und erst Recht nichts über Bluthunde, aber auf mich wirkt dieses Tier nicht gefährlich.
     »So«, kommentiert der Dämon meine Aussage. Ich löse meinen Blick von Nyx, rapple mich vom Boden auf und schaue zu dem in schwarz gekleideten Mann. Er hat seine Arme vor der Brust verschränkt, eine Reaktion, die ich nur allzu gut kenne. Früher habe ich so versucht eine unsichtbare Mauer, die mich vor meinem Gegenüber schützen sollte, zu erschaffen, aber ich glaube wohl kaum, das der Dämon das gleiche vorhat. Dafür ist der Dämon zu mächtig. Ich weiß zwar nicht, zu welcher Division in der Hölle er gehört, aber er könnte genauso gut ein Anwärter, ohne sonderlich viel Macht, sein ohne Angst vor mir zu haben.
     »Woran denkst du?«
     Irritiert versuche ich einen Schritt zurückzugehen, werde jedoch von dem Baum hinter mir gestoppt. »Warum hast du mir geholfen?«
     Der Dämon zieht eine Augenbraue hoch. »Hätte ich etwa eine Unschuldige sterben lassen sollen.«
     Ich imitiere seine Körpersprache, verschränke meine Arme vor der Brust und recke mein Kinn. »Ich glaube wohl kaum, das ein Dämon sich für Schuld und Unschuld schert.« Ich weiß nicht, woher ich den Mut nehme, so mit ihm zu sprechen. Doch mein Puls ist ruhig. Ich höre das Rauschen meines Bluts nicht, sowie damals bei der ersten Begegnung mit Rowan. Rowan ... Sie haben miteinander gekämpft. Wenn der Dämon hier ist, ist dann Rowan ...
     »Was hast du mit dem König gemacht?« Obwohl ich ungern das Thema wechsle, erschlägt mich die Sorge um Rowan unvorbereitet, sodass ich meine Frage nicht aufhalten konnte. Es ist beinahe beängstigend, was der König tief in meinem Inneren mit mir anstellt. Wahrscheinlich ist ihm das auch überhaupt nicht bewusst, sowie mir nicht bewusst ist, warum ich mich um einen Drachen, der beinahe für die Ausrottung der Menschheit verantwortlich war, schere.
     Der Dämon legt sein Kopf schief. »Dem falschen König?«
     Ich beiße mir auf die Unterlippe. Warum nennt er ihn immer falscher König? »Ihr habt gekämpft.« Der Dämon blinzelt. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann bricht er in schallendes Gelächter aus, das meinen Körper zum Beben bringt. Nicht aus Angst. Es ist ein angenehmes Beben, so als würde ich mich in seiner Gegenwart sicher fühlen. Ein absurder Gedanke, wenn man bedenkt, dass er jederzeit Nyx befehlen könnte mir die Kehle zu zerreißen.
     »Ich bin zwar ein Dämon, aber lebensmüde bin ich gewiss nicht, Davina.« Die Art und Weise, wie er meinen Namen ausspricht, lässt einen angenehmen Schauer über meinen Körper fahren. Ich schlucke. Mir gefällt dieses Gefühl, das ich in seiner Gegenwart habe. Es ist anders als bei Rowan und das jagt mir eine Heidenangst ein. Ich sollte so nicht fühlen. Ich darf so nicht fühlen.
     »Kommen wir zu meiner eigentlichen Frage zurück.« Der Dämon seufzt. »Wem willst du was fragen?«
     Ich schlucke. »König Rowan.« Ich kann nicht erklären, warum ich ihm überhaupt wahrheitsgemäß antworte. Vielleicht weil der Dämon mir gar nicht so gefährlich scheint, wie es sein sollte, vielleicht aber auch, weil er mir genauso eine Antwort liefern kann, wie der König selbst. Wissen kann ich es natürlich nicht, aber einen Versuch ist es wert. »Ich möchte wissen, warum er mich verschont hat.«
     Seine Arme spannen sich an. Fangen an zu zittern. »Glaubst du nicht, das der Zeuge ihn überzeugt hat?«
   Jetzt nicht mehr. Zaghaft schüttle ich den Kopf. »Ich habe gehört, das andere Menschen schon für viel weniger hingerichtet wurden.«
     Das Tuch unter seinem Gesicht bewegt sich, fast so, als würde er ... lächeln? Lacht der Dämon mich etwa aus? »Schlaues Mädchen«, kommentiert er. »Was noch?«
     Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Zwischen den Drachen, Vampiren und Dämonen herrscht Krieg.« Ich schaue dem Mann in die Augen, die kaum zwei Meter von mir entfernt sind. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er näher gekommen ist.
     »Das bedeutet?«
     Hörbar schlucke ich erneut. »Es gibt keinen Grund, das Wort einer solchen Spezies glauben zu schenken.«
     Der Dämon macht ein, zwei Schritte auf mich zu. Unsere Nasenspitzen, wobei seine immer noch das Tuch verdeckt, berühren sich fast, als er seinen Kopf leicht zu mir nach unten neigt. »Das ist richtig«, flüstert er. »Zu welcher Erkenntnis kommst du also?«
     »Das ich ihn fragen sollte?«
     Lautstark stöhnt der Dämon. Wahrscheinlich ist er von mir genervt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich oft mit Menschen unterhält. Warum sollte er auch? Es gibt keinen Grund für jemanden wie ihn mit jemanden wie mir zu sprechen.
     »Rücksichtslos. Skrupellos. Brutal. Kalt. Was fällt dir dazu ein?«
     Ich seufze. »Der König wird so beschrieben«, gebe ich zu.
     Der Dämon nickt. »Ja, der falsche König.« Ich schweige, da ich annehme, er würde noch etwas hinzufügen, doch stattdessen starren mich seine eisblauen Augen an. Ich habe das Gefühl, er würde mit sich ringen, ob er überhaupt noch etwas sagen soll. Ich lege den Kopf schief, mustere den Dämon, der keinen Muskel rührt.
     »Willst du auf etwas hinaus?«
     Der Dämon nickt und kommt mit seinem Gesicht noch näher an meines heran. Trotz des schwarzen Tuchs kann ich seine ruhigen Atemzüge auf meiner Haut spüren. Ich würde am liebsten etwas Abstand zwischen ihm und mir bringen, doch der Baum, der sich schmerzhaft an meinen Rücken presst, hindert mich daran. »Würdest du den falschen König auch so beschreiben?«
     Zuerst einmal würde ich ihn nicht als falschen König betiteln, schießt es mir durch den Kopf, während ich zaghaft meinen Kopf schüttle.
     »Wie würdest du ihn beschreiben?« Der Dämon streicht mit seinen Fingern über meine Wange und klemmt eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Er ist nicht kalt, wie ich es angenommen habe. Von ihm geht eine Körperwärme aus die, die Stelle, die er berührt hat, zum kribbeln bringt. Noch ehe ich die Möglichkeit habe, etwas zu erwidern, ertönt ein tiefes Timbre, das nach mir ruft.
     Der Dämon schnalzt mit der Zunge. »Unsere Zeit ist um.« Er wirft einen kurzen Blick über seine Schulter, ehe er seine blauen Augen wieder auf mich richtet. »Willst du etwa gehen?«
     Der Dämon legt seine Hand auf meine Wange, an die ich mich automatisch anschmiege. »Ich hatte heute schon eine Auseinandersetzung mit ihm. Das muss sich nicht unbedingt wiederholen«, wispert er. In binnen eines Wimpernschlags taucht sich der Körper des Mannes in schwarze Schatten ein. Es sieht beinahe so aus, als wären sie eins, als wären die Schatten ein Teil von ihm. Dann ist er weg und mit ihm auch der Bluthund, der die ganze Zeit keinen Ton von sich gegeben hat. Nur das Kribbeln auf meiner Wange erinnert mich daran, das ich nicht alleine gewesen bin.
     »Ich habe dich gesucht.« Der König bleibt einige Meter vor mir stehen, als würde er mir genügend Freiraum geben wollen. Ich schaue in seine grünen Augen, die mich wieder einmal in einen tiefen Bann ziehen. Rücksichtslos. Skrupellos. Brutal. Kalt. Ich komme nicht drum herum, an die Worte des Dämons zu denken. Seine Beschreibung passt zu dem König Rowan, der sich dafür entschieden hat, meine Mutter hinrichten zu lassen, doch ihn nur darauf zu reduzieren wäre zu einfach. Wenn ich mich in seine grünen Augen verliere, sehe ich keine Kälte. Wenn er mich so anschaut, wie jetzt, kann ich keine Brutalität in ihm ausmachen.
     »Ich war hier.« Der König lächelt.
     Nein. Trotz seiner Entscheidung bezüglich meiner Mutter, ist Rowan liebevoll, gütig und unvoreingenommen. Eine unpassende Beschreibung für einen König, dafür eine sehr zutreffende Charakterisierung für einen Mann, den ich bereitwillig mein Herz schenken würde. Ich bin nicht töricht. Sich in einen Drachen zu verlieben wäre Gift für meinen Körper, aber vielleicht reicht es mir ja einfach in seiner Nähe zu bleiben, wenn ich die Gefühle im Keim ersticke.

 Sich in einen Drachen zu verlieben wäre Gift für meinen Körper, aber vielleicht reicht es mir ja einfach in seiner Nähe zu bleiben, wenn ich die Gefühle im Keim ersticke

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