Wie man von seinen eigenen Gefühlen zerrissen werden kann

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Eine grässliche Dunkelheit umhüllt mich. Lässt mich schaudern. Eisige Kälte, gepaart von dem großen Nichts, das sich vor mir erstreckt, lässt meinen Körper zittern. Angst packt mich, will mich lähmen, mich an Ort und Stelle festhalten. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht weggelaufen. Wohin auch? Schwarz trifft auf Schwarz, kein Anzeichen für einen Ausweg, eine Fluchtmöglichkeit.
     »Willkommen zurück.«
     Diese Stimme ...
     Ich drehe mich um und begegne zwei blauen Augen, die in der Dunkelheit so hell strahlen, wie die Sterne an einem wolkenlosen Nachthimmel. Das Augenpaar ist so groß wie meine eigene Statur. Leider verschluckt die Dunkelheit das Gesicht, das zu diesen Augen gehört. Sehr enttäuscht bin ich über diese Tatsache jedoch nicht, da ich zu fasziniert das Farbenspiel der Iris beobachte. Helle und dunkle Blautöne vermischen sich in der Iris und beginnen einen kleinen Tanz. Sie scheinen miteinander zu kämpfen, herausfinden zu wollen, wer die Oberhand gewinnen wird. Einen Sieger kann ich jedoch nicht festmachen. Viel eher erinnere ich mich an die erste Begegnung mit Rowan. Seine Augen hatten sich ähnlich verhalten, mit dem kleinen Unterschied, dass seine Pupille rund waren, wie der Vollmond. Die Pupillen dieser Augen jedoch sind schmal und keinesfalls rund. Sie wirken wie ein kleiner, ovalförmiger Magnet, der die Blautöne förmlich anzieht.
      »Und wie fühlst du dich, Davina?« Die Stimme hallt durch die Dunkelheit, sowie letztes Mal, als ich hier war. »Jetzt, da du weißt, dass du für Kovas Tod verantwortlich bist.«
     Ich beiße mir auf die Unterlippe, um mich davon abzuhalten der Stimme zu antworten. Diese Genugtuung wollte ich ihr nicht geben. Ganz gleich ob das hier real oder meiner Fantasie entsprungen ist, schließlich hatte ich noch gar keine Gelegenheit über das hier nachzudenken, die fremde Stimme ergötzt sich an meinem Leid.
     »Seinen Tod habe nicht ich verschuldet«, spucke ich mit zusammengebissenen Zähnen heraus.
     »Nicht?« Die Stimme lacht. »Willst du etwa behaupten, dass du seinen Tod nicht vorher gesehen hast?«
     Ich schweige und ramme meine Fingernägel fester in meine Handinnenflächen. Ich spüre den Schmerz und die Flüssigkeit, die heraus quellt. Schmerzen? Ich spüre Schmerzen? In einem Traum sollte man doch ... »Willst du etwa behaupten, das du keine Wahl hattest?«
     Ich schließe meine Augen und drücke meine Hände gegen meine Ohren. Ich will nicht hören, was die Stimme zu sagen hat. Ich will mich nicht fragen, was gewesen wäre wenn ...
     »Du hättest ihn retten können. Ihn vor diesem Schicksal bewahren können.« Obwohl die Stimme nur noch gedämpft in meinen Ohren erklingen, kann ich sie immer noch ganz genau hören. »Doch du hast die Wahl getroffen, nichts zu tun, und damit war Kovas Schicksal besiegelt.« Ich presse meine Hände stärker gegen meine Ohren, doch es hilft nichts. Das Blut rauscht durch meine Adern, während mein Herz mit jedem weiteren Schlag noch mehr schmerzt.
     »Hör auf. Hör auf.« Wie ein Mantra wiederhole ich die zwei Worte immer wieder, doch die Stimme will nicht auf mich hören.
     »Ein anderer hat Kova zwar sein Messer in den Körper gestoßen, aber du warst es, der ihm das Messer in die Hand gelegt hat.« Ich schlage die Augen auf. Zwei wichtige Details lassen mich hellhörig werden und das Loch in meiner Brust ignorieren.
     »Messer?« Frage ich und schaue in die blauen Augen, die immer noch von purer Dunkelheit bedeckt sind.
     »Ein Revolver wird es wohl nicht gewesen sein, der solche Wunden anrichtet.« Schallendes Gelächter hallt durch die Dunkelheit. Er lacht mich aus, doch das ist mir egal.
     »Er?« Die Augen blinzeln endlos langsam, ehe ich eine Antwort bekomme.
     »Was?« Irritiert starre ich in das blau der Iris. Die Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und klang nicht halb so gehässig wie noch vor wenigen Augenblicken.
     »Du meintest, ich hätte ihm das Messer in die Hand gelegt.« Eine endlose Stille breitet sich in der Dunkelheit aus. Ich hätte niemals gedacht, dass die Stimme sprachlos werden kann, doch genau das hatte ich geschafft.
     »Ich weiß es nicht.« Die Stimme flüstert, sodass ich sie kaum noch mit der Vorherigen identifizieren kann. Sie klingt beinahe unsicher.
     Ich reibe mir über meine kalten Arme. »Wenn du mir keine Antworten liefern kannst, was willst du dann von mir?« Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich nur quellen will. Es muss einen Grund geben. Selbst wenn das alles nur ein Traum ist, muss er eine Bedeutung haben.
     »Warum?« Die Stimme hat ihren festen Klang wiedererlangt. Der Zorn ist zurückgekehrt und lässt keinen Platz mehr von der vorherigen Unsicherheit. »Lass mich endlich frei!« Ich höre Metall klirren, als würde jemand an etwas zerren, gefolgt von einem Zischen und Fluchen, das den gesamten Raum füllt.
     Ich habe mich geirrt. Die Person, die mich hier quält, ist nicht zornig, sie ist ...
     »Davina!« Ein Knurren. Ein Rütteln. Ein Fluchen. Immer wieder wiederholt sich diese Prozedur, sodass ich mir immer sicherer bin, dass dieses Wesen aus purer Verzweiflung handelt.

DragonbloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt