9. Gespräche

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Harry und Ron beeilten sich, zum Zaubertränke-Unterricht zu kommen; sie waren schon wieder viel zu spät dran. Hermine war natürlich pünktlich dort gewesen.

„Ich bewundere ihr Zeitmanagement", keuchte Ron atemlos, als sie den Flur entlang liefen. Harry schmunzelte, als er daran dachte, wie Hermine mit dem Zeitumkehrer herumgespielt hatte. Diesen hatte sie inzwischen aber längst wieder Dumbledore aushändigen müssen.

Sie wollten gerade den Unterrichtsraum betreten, als Snape ihnen entgegenkam.

„Sieh einer an, da sind ja unsere Nachzügler", schnarrte Snape und hob eine Augenbraue. „Ich wollte gerade einen Suchtrupp nach Ihnen losschicken, Mr. Potter und Mr. Weasley." Seine Stimme strotzte vor Sarkasmus.

„Entschuldigen Sie, Professor. Wir waren noch kurz im Gemeinschaftsraum, wir haben unsere Bücher vergessen." Harry hob demonstrativ sein Zaubertränkebuch in die Höhe. Das war noch nicht einmal gelogen gewesen, er hatte sein Buch tatsächlich vergessen und wollte Dracos Geduld nicht wieder unnötig strapazieren.

„Fünf Punkte Abzug für Gryffindor", zischte Snape.

„Aber Sir-", wollte Ron gerade protestieren, doch Snapes Blick war offenbar schon Grund genug, sofort zu verstummen. Instinktiv zog Ron den Kopf ein und verzog sich ins Klassenzimmer. Harry wollte ihm folgen, doch Snape stellte sich ihm in den Weg, beugte sich etwas zu ihm hinunter und funkelte ihn mit demselben, finsteren Blick an. „Ich rate zur äußersten Achtsamkeit in dieser Stunde, Mr. Potter. Ich habe Mr. Malfoy vorgeschlagen, einen anderen Partner für die Projektarbeit auszuwählen, doch er entschied sich für Sie - warum auch immer. Sollte es jedoch noch einmal zu einem solchen Vorfall kommen, werden Sie ohne Weiteres vom Unterricht suspendiert. Habe ich mich klar ausgedrückt?"

Harry schluckte und nickte sofort. „Glasklar, Sir." Was ihn so überrumpelte war nicht etwa Snapes Drohung, diese hatte er ihm nämlich noch am selben Tag der Explosion etwa fünfmal während seiner endlos langen Standpauke ausgesprochen. Für ihn war vielmehr Dracos Verhalten verwirrend. Draco hatte also weiterhin Harry als Projektpartner behalten wollen? Harry kannte niemanden, der überhaupt freiwillig gemeinsam mit ihm im Fach Zaubertränke arbeiten wollte, selbst Hermine nicht, dafür stellte er sich einfach zu blöd an und es kam viel zu oft zu Zwischenfällen. Dass Draco es abgelehnt hatte, mit jemand anderem zu arbeiten, war für ihn völlig unverständlich.

Der Gryffindor war nervös, als er den Raum betrat. Draco war mittlerweile wieder genesen und saß bereits auf seinem Platz. Harry setzte sich neben ihn. Abermals drang ihm dieser angenehme Duft in die Nase. Sandelholz, Haarspray, Deo... Er roch gut. Doch ein einziger Blick in das Gesicht des Slytherin reichte aus, um Harry wissen zu lassen, dass es ihm nicht gut ging. Ein feiner, rötlicher Glanz hatte seine matten Augen eingefärbt. So fein, dass es gar nicht auffiel, wenn man nicht wusste, mit was er zu kämpfen hatte. Ein Stich durchfuhr Harrys Herz. An einen ernsthaft leidenden Draco Malfoy würde er sich vermutlich niemals gewöhnen. Für ihn waren die Malfoys der pure Stolz in Person und manchmal vergaß er, wie viel davon bloß Fassade war. Der Unterricht begann sofort, weshalb Harry ihn nicht fragen konnte, wie es ihm ging, oder ob etwas geschehen war. Stattdessen schlugen sie ihre Bücher auf, besorgten sich stumm die Zutaten aus dem Regal und fingen an, den Trank vorzubereiten. Wie von Snape angedroht, musste er sich in dieser Stunde wirklich ganz besonders konzentrieren.

„Geht's dir wieder etwas besser?", fragte er dennoch leise, als sie die Zutaten zurechtschnitten.

„Ja."

„Keine Kopfschmerzen mehr?"

„Nein."

„Okay." Harry zwang sich zu einem Lächeln, schwieg dann wieder, denn der Smalltalk wirkte mehr als unangebracht. Er schnitt mit großer Sorgfalt am Wolfswurz herum und ließ sich hier und dort stumm von Draco korrigieren. Dabei berührte der Slytherin ihn nicht mehr; seine Hand schwebte lediglich über die von Harry, damit dieser gleich in seiner Bewegung innehielt. Harry erwischte sich bei dem Gedanken, absichtlich einen groben Fehler zu machen, um Draco einen Grund zu geben, seine Hand zu berühren. Er vermisste die angenehme Kühle seiner Hände. Er vermisste diesen sekundenkurzen Körperkontakt. Doch nach wie vor durfte er sich absolut nichts leisten, daher rückte er diesen Gedanken rasch nach hinten. Er hatte nicht vergessen, wie schwer er Draco beim letzten Mal versehentlich verletzt hatte.

Der EisprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt