14. Streitgespräche

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Als Harry an diesem Morgen aufwachte, war er überrascht, dass er weder Übelkeit, noch Kopfschmerzen verspürte. Er war zwar unheimlich müde, aber ansonsten waren die Folgen der vorigen Nacht nicht so schlimm, wie er gedacht hatte. Nur Durst hatte er. Er trank gleich zwei Gläser Wasser und ging dann ins Bad, um sich fertigzumachen. Als er frisch geduscht und angezogen wieder in den Schlafsaal kam, saß Ron mit verärgertem Gesichtsausdruck auf seinem Bett.

„Guten Morgen", murmelte Harry müde. Er rubbelte sich mit einem Handtuch über die noch nassen Haare.

„Guten Morgen?!", platzte es aus Ron heraus. Er sprang vom Bett auf. „Du warst die halbe Nacht weg und sagst jetzt bloß Guten Morgen? Bist du noch ganz dicht?" Seine Stimme klang einige Oktaven höher, als sonst. „Hast du eine Ahnung, was für Sorgen wir uns gemacht haben? Hermine und ich sind noch ewig wach geblieben und haben auf dich gewartet!" Dass Hermine in Wahrheit gedacht hatte, dass Harry sich heimlich mit einem Mädchen traf - was auch den Tarnumhang und die späte Rückkehr erklären würde - verschwieg Ron ihm. Er war in erster Linie sauer, dass Harry so leichtgläubig und naiv war. Offenbar vertraute der Schwarzhaarige noch immer viel zu sehr darauf, dass ihm nichts zustoßen würde.

„Tut mir echt leid", begann Harry leise. „Ich wusste nicht, dass ihr noch so lange wach wart." Er sah ein wenig schuldbewusst zu Boden, und das war noch nicht einmal gespielt. Hätte er gewusst, dass Ron und Hermine auf ihn warteten, hätte er... - nun, was hätte er dann getan? Sie eingeweiht, dass er zu Draco gehen würde? Ihnen eine Lüge aufgetischt? Eigentlich wusste er gar nicht, wie er sich hätte richtig verhalten sollen, ohne dass seine Freunde dachten, er hätte den Verstand verloren - was spätestens jetzt ganz offenbar der Fall war...

„Wo warst du denn, verdammt?" Ron verschränkte die Arme vor der Brust.

Harry schluckte. Er wusste, dass es an der Zeit war, seinen Freunden die Wahrheit zu sagen, denn er hatte nicht die leiseste Ahnung, mit welcher Lüge er sich aus dieser Nummer hinausmanövrieren sollte. In Hogwarts blieb kaum etwas geheim, und würde Harry behaupten, er hätte sich wirklich mit einem Mädchen getroffen, würde wahnsinnig schnell rauskommen, dass er gelogen hatte, denn dieses Mädchen gab es ja gar nicht. Dieses „Mädchen" hieß Draco Malfoy und war ein ehemaliger Todesser. Und was sonst hätte Harry für einen Grund gehabt, sich die halbe Nacht lang draußen herumzutreiben? Ron und Hermine würden ihm die lahmen Ausreden, die ihm gerade durch den Kopf schossen, niemals abnehmen.

Wie auf Kommando wurde die Tür zum Schlafsaal der Jungs aufgerissen und eine überbesorgte Hermine betrat den Raum.

„Harry!" Sie ging schnurstracks auf ihn zu, und Harry war sich einen Moment lang nicht sicher, ob sie ihn umarmen oder ihm eine Ohrfeige geben wollte. Zum Glück entschied sie sich für die erste Option, drückte ihn fest an sich - und begann anschließend mit derselben Schimpftirade wie schon Ron zuvor. Harry seufzte leise, setzte sich auf sein Bett und ließ sich geduldig ausschimpfen.

„Harry wollte mir gerade sagen, wo er gewesen ist", unterbrach Ron seine Freundin irgendwann. Das brachte die kluge Hexe endlich zum Schweigen und sie blickte Harry interessiert an. „Dann schieß mal los."

„Also schön, die ganze Sache ist etwas komplizierter, fürchte ich." Harry deutete seinen Freunden an, sich zu ihm aufs Bett zu setzen. Zum Glück waren sie derzeit alleine im Schlafsaal - und streng genommen durfte Hermine gar nicht hier sein; sie gehörte in den Schlafsaal der Mädchen. „Ich habe Draco während der letzten paar Tage geholfen, indem ich einen neuen Zauber erlernt habe." Harry fixierte Hermines Augen, bis sie verstand, dass sie so tun sollte, als wüsste sie von all dem noch nichts. Harry wollte auf gar keinen Fall, dass Ron wieder eine Eifersuchtsszene entfachte, weil er nicht von Anfang an eingeweiht gewesen war.

Der EisprinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt