Harry war noch am selben Abend zu Dumbledore zitiert worden. Mit gesenktem Kopf saß er vor dem Schulleiter, der ihn mit einer Mischung aus Tadel, Enttäuschung, aber auch Güte musterte.
„Was war los, Harry?", fragte Dumbledore und blickte über seine Halbmondbrille.
Harry konnte ihn nicht ansehen. Er schämte sich. Nie hätte er gedacht, aus einem solchen Grund einmal zu Dumbledore geschickt zu werden. Weil er sich geprügelt hatte. „Ich weiß es nicht, Sir", sagte er kleinlaut und sah kurz auf. „Es tut mir leid."
Dumbledore faltete ruhig die Hände ineinander. „Ich habe noch nie mitbekommen, dass du dich überhaupt mit jemandem geprügelt hast, Harry", sagte er, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Es geht mir noch nicht einmal darum, dass du dich geprügelt hast, sondern eher, mit was für einer Intensität." Dumbledore sah ihn aufmerksam an. „Es kommt ständig vor, dass Schüler aneinandergeraten, und dass Mr. Malfoy und du nicht die besten Freunde seid, ist auch keine Überraschung", Dumbledore zog die Augenbrauen hoch, „aber dass eine Situation so eskaliert, muss einen triftigen Grund haben."
Als Dracos Name gefallen war, hatten sich Harrys Hände in seinem Schoß verkrampft. „Ja, Sir", sagte er bloß.
„Möchtest du mir erzählen, was los ist?" Er schenkte Harry ein großväterliches Lächeln, und obwohl Harry wusste, dass Dumbledores Fürsorge echt war und dass sich der Schulleiter in diesem Moment wirklich Sorgen um ihn machte, schüttelte er den Kopf. „Nein, Sir", sagte er so leise, dass er sich nicht sicher war, ob Dumbledore es hörte.
Der Professor schwieg einen Moment lang, dann nickte er verständnisvoll. „In Ordnung. Du weißt aber, dass meine Tür immer offensteht, nicht wahr?"
„Ja", sagte Harry und zwang sich ganz kurz zu einem Lächeln. „Danke, Professor."
„Du weißt, dass ich nicht viel von Bestrafungen halte, aber du weißt auch, dass ich es tun muss."
Harry nickte. Er wusste, dass seine satte Strafe auf ihn wartete.
„Die Abschlussprüfungen sind in nicht allzu weiter Ferne, deshalb möchte ich dir keine wertvolle Zeit zum Lernen stehlen, Harry. Aus dem Grund fällt meine Strafe milder aus, als sie eigentlich sein müsste. Du wirst Hagrid in den kommenden Wochen bei der Herbsternte helfen, wann immer er dich braucht", sagte Dumbledore, wohl wissend, dass das keine wirkliche Strafe für Harry war. Er wollte den Jungen nicht bestrafen, denn die Traurigkeit, die von ihm ausging, war so überwältigend, dass der Professor kein Genie sein musste, um zu wissen, dass Harry es bereits schwer genug hatte.
Kurz bevor Harry ging, drehte er sich noch einmal zu seinem Schulleiter um. „Sir? Sie sollten vielleicht noch wissen, dass ich Draco geschlagen habe, nicht andersherum. Er hat sich lediglich gewehrt und somit keine Strafe verdient." Er schluckte.
Dumbledore lächelte und nickte leicht. „Danke, Harry."
Harry nickte und verließ das Büro des Schulleiters. Er machte sich auf den Weg zum Gryffindorturm und stellte erleichtert fest, dass die Kräuter und Medikamente, die Pomfrey ihm gegeben hatte, endlich ihre Wirkung zeigte. Seine Magenschmerzen waren so gut wie verschwunden. Die Wunden im Gesicht waren ohnehin mithilfe von Magie geheilt worden und somit weder spürbar, noch sichtbar.
Im Gemeinschaftsraum angekommen, herrschte aufgeregtes Treiben und Harry kam sich vor wie in einem Ameisennest. Diverse Mitschüler sprachen ihn auf die Prügelaktion an, doch Ron und Hermine schirmten ihren Freund recht schnell von der aufgeregten Masse ab. Dass es Harry mies ging, war unschwer zu erkennen. Hermine flüsterte ihm zu, dass sie dringend mit ihm sprechen müsste, also schnappten sie sich ihre Jacken und verzogen sich nach draußen. Es war recht kühl, doch Harry genoss die frische Luft. Er atmete tief durch. Erst als sie weit genug vom Schloss und somit von etwaigen Zuhörern weg waren, offenbarte Hermine: „Harry, ich habe mit Draco gesprochen."
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Der Eisprinz
FanfictionDraco badet im See. Um Mitternacht. Im Mondlicht. Harry beobachtet ihn dabei - und mit einem Mal ist für den Gryffindor alles anders.