Kapitel 1 - Sechs Monate

111 4 2
                                    

Seiji:

Es waren sechs Monate nach der OP vergangen und bereits am Tag seiner Entlassung hatte er seinen anfänglichen Plan begonnen in die Tat umzusetzen. Er versteigerte alles, was nicht in sein neues Leben passen würde und versuchte nicht an den Flügel in seinem Apartment zu denken, welcher einen Teil seines Wohnzimmers einnahm. Dieses Musikinstrument barg so viele Erinnerungen, an seine verstorbene Mutter, dass sein Herz schmerzte, sobald er auch nur versuchte diesen herzugeben. Gott allein wusste, wie oft er schon versucht hatte dieses sperrige Ding aus seiner Wohnung zu schaffen und wie oft er auf erbärmliche Art und Weise scheiterte.

Seiji war ein leidenschaftlicher Mann, emotional durch seine Mutter veranlagt. Auch wenn nur wenige davon wussten. Seine Wutausbrüche und die Schlägereien in die er dadurch geriet, waren jedoch der beste Beweis. So gut die Erziehung seines Vaters auch versuchte, seine Emotionen zu verbergen, kochten sie doch regelmäßig über und äußerten sich durch seine Fäuste. Vor allem während seiner Studentenzeit hatte er immer wieder diese für ihn sprechen lassen. Allein die Kombination aus Alkohol und der Tatsache, dass er nicht nur mit Frauen, sondern auch mit Männern schlief, hatte reichlich für Gesprächsbedarf gesorgt. Doch seine Wut auf Andere, war lediglich ein Ventil, dass er nach den Spielen, die ihn stets emotional aufgewühlten öffnen musste.

Eine andere Art, diese überschüssige Energie, wie es sein Vater nannte abzubauen, war das unerschütterliche Training. Was er seit seiner Operation schrecklich vermisste.

Recht schwammig erinnerte er sich noch daran, wie viele Tränen er nach der Diagnose seines Knies vergossen hatte und wie wütend er in diesem einen Winter aus der Praxis des gefragtesten Orthopäden gelaufen war. Ziellos streunte er durch die Gassen Tokyos und verlor sich in der Kälte. Als es bereits finster wurde, lief er einfach planlos auf die nächstbesten Lichter zu und fand sich plötzlich neben einer kleinen Eisfläche für Besucher eines nahestehenden Kaufhauses wieder. Kinder lachten und schrien erfreut an den Händen ihrer Eltern, während sie über das Eis gezogenen wurden oder selbst versuchten die ersten Schritte zu wagen. Erinnerungen von glücklichen Momenten mit seiner geliebten Mutter blitzten in ihm auf und der Schmerz über seine verlorene Volleyballkarriere verblasste vorübergehend.

Er konnte damals nicht anders als glückselig auf das Eis zu starren und an diese gutherzige Frau zurückzudenken. Kurze Zeit später hatte er sich immer öfter in der Nähe des kühlen Elementes aufgehalten um den Schmerz in seiner Brust zu verdrängen und die Erinnerung die in ihm aufkamen lebendig zu halten. Doch sobald der Frühling kam, wusste er, dass er was ändern musste und so stürzte er sich in seine Ausbildung und versucht wenigstens einem Teil seiner Familie nachzueifern.

Um so schmerzlich war es nun für ihn seit sechs Monaten ohne Training, ohne ein Ventil und ohne die glücklichen Erinnerungen an seine Mutter, leben zu müssen. Doch trotz Reha musste er immer noch zuerst auf das OK des Arztes warten, bevor er wieder trainieren durfte, ohne jemals aufs Spiefeld zurückzukehren. Alles was ihm also blieb, war weiter sein bisheriges Leben umzukrempeln.

Immer öfter zwängte er sich in Hemd und Anzug, nahm an Besprechungen und kleineren Arbeiten im Büro teil und versuchte zumindest nicht gelangweilt herüberzukommen. Er nahm die Verabredungen war, die ihm sein Vater besorgte und biss die Zähne zusammen, wenn eine der Damen seine Sexualität ansprach. Warum er sich, dass alles antat, wusste er selbst nicht so genau. Das Einzige was er jedoch wusste war, dass er nicht wie sein erster Schwarm enden wollte.

Maxwell J. Brown, ein recht attraktiver Engländer und erfolgreicher Ermittler mit Aufstiegschancen beim Yard, hatte sich vor knapp einem Jahr umgebracht, nachdem er mit den Depressionen nicht mehr fertig geworden war. Nicht nur der Tod seines Partners und seiner Verlobten mit ihrem gemeinsamen ungeborenen Kind hatten ihn fertig gemacht, sondern auch die übermäßigen Ansprüche seiner Familie und seines Umfeldes. Dazu kamen noch die Erfolge die höheren Erwartungen hervorriefen und die Eigenart der Engländer, ihre Gefühle unter keinen Umständen preiszugeben. Während ihrer gemeinsamen Collagezeit, hatte sich Seiji stark zu diesem Mann, der gerade einmal vier Jahre älter war hingezogen gefühlt.

Ihr gemeinsames Abenteuer, nach enormem Alkoholkonsum, hatte vermutlich nicht gerade zu Maxs seelischen Gesundheitszustandes positiv beigetragen. Und auch wenn Seiji um einiges offener als sein ehemaliger Kommilitone war und immer noch ist, hatte er auch an so manch eigener Sache zu knabbern. Hinzukam, dass die beiden wesentlich Ansichten und Charakterzüge teilten. Eine berechtigte Frage von dem ehemaligen Volleyballspieler es also, ob er ebenfalls so instabil war wie sein früherer Liebhaber.

Er wollte nicht einsam und allein, zurückgezogen sterben. Doch sein bisheriges Lotterleben, wie es sein Vater so schön nannte, führte ihn genau auf diesen Pfad. Und auch wenn er kein Versager war in dem was er tat, brachten ihm seine Taten auch nicht wirklich nach vorne. Diese Überlegung und noch einige anderen, hatten ihn nun auf den Weg gebracht, den er jetzt beschritt. Auch wenn er selbst nicht so ganz zufrieden im Moment war, würde er es sicherlich noch werden. Zudem blieb ihm so auch mehr Zeit, die er mit seiner Familie verbringen konnte, dabei allen voran seine kleine Schwester Nanako, die in der Provinz Miyagi lebte.

Sie lebte dort zurzeit allein, da ihr gemeinsamer älterer Bruder vor gut einem Jahr nach Tokyo in den Hauptsitz des Familienunternehmens wechselte um dort im Vorstand tätig zu sein. Die kleine Filiale in diesem Provinznest war nun aktuell ein wenig unter besetzt, was Seiji gerade recht kam. Um sich zu beweisen und um mehr Zeit mit Nanako verbringen zu können. Sofern er endlich das OK des Arztes bekam.

Doch bis dahin, würde er nur selten, sich in seinem geräumigen Apartment aufhalten, doch die Stille, die er dort spürte würde er in dem Zeitraum seiner Abwesenheit nicht missen. Dagegen freute er sich seit langem mal wieder, wenn er daran dachte, seinen kleinen Wirbelwind von Schwester über alles Mögliche plappern und Lachen zu hören. Bereits jetzt, während er seine Koffer packte und umständlich versuchte sein Knie zu entlasten, legte sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. Schon bald würde die Angst vor dem Alleinsein, die ihm drohte die Luft abzuschneiden von ihm abfallen. Spätestens zumindest, wenn er die gerade mal 1,67 m groß Person in die Arme schloss.

Haikyuu FF -Kann es wirklich Liebe sein?-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt