Kapitel 51 -Die Entscheidung-

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Oikawa, Toru:

Seit jenem Tag waren gerade einmal wenige Augenblicke für ihn vergangen. Zumindest fühlte es sich so an, denn Seiji sorgte dafür, dass er alles andere außer Volleyball vergaß. Lange Trainingseinheiten mit und ohne Team beherrschten seinen Alltag bis zum geplanten Turnier, in dem einige Spieler für das Freundschaftsspiel ausgewählt wurden.

Der Tag des Turniers war allerdings auch der Tag, an dem er zum ersten Mal Onodera wieder traf. Es fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, als sie beide sich gegenüber auf dem Platz standen und er Onoderas dreckiges Grinsen Vorsicht sah. Er hatte es so weit geschafft. Hatte gegen so viele Widersacher gekämpft, doch nun wurden seine Knie weich und er hatte kein Gefühl mehr in seinen Händen. Eine Schwermut überkam ihn und am liebsten hätte er sich irgendwo verbarrikadiert. In der recht kurzen Pause jedoch, vor dem letzten Spiel, welches zwischen seinem Team und dem von Ito-San stattfinden würde, konnte ihn Seiji, wie in den letzten Tagen auch beruhigen.

Es war ein gutes Gefühl, seine Gegenwart zu spüren und seine starken Arme in seiner Nähe zu wissen. Er brauchte diese kleinen Dinge, um sich sicher zu fühlen und um weiterzumachen. Volleyball war sein Leben, doch nun war Seiji es auch. Er fühlte sich erbärmlich, wenn er daran dachte, doch gleichzeitig gab ihm Seiji auch das Gefühl der Vollkommenheit, also ließ er diese Abhängigkeit, die er entwickelte, zu.

Seiji drückte seine Schulter leicht. Diese kleine nichtssagende Berührung ließ ihn wieder durchatmen. Toru wusste, was Seiji tun würde, wenn Onodera auch nur an etwas Unzüchtiges dachte. Es war beruhigend zu wissen, dass er nicht alleine war, und so atmete er langsam ein und aus. Brachte seinen Herzschlag unter Kontrolle und das Gefühl in seine Hände zurück. „Du schaffst das keiner hier ist ein besserer Zuspieler als du.". Seijis warmer Atem an seinem Ohr ließen seine Nackenhaare aufrecht stehen. Sein Herz schlug wieder einen ticken schneller und seine Hände wurden feucht. Seine Gedanken waren nicht mehr auf Onodera oder das Spiel gerichtet, sondern kreisten nur noch um den Mann mit der Bariton-Stimme.

Das Pfeifen des Schiedsrichters riss ihn aus seinen kleinen Träumereien und mit etwas mehr Zuversicht lief er zurück aufs Spielfeld. Ito und Onodera, die seit Jahren ein eingespieltes Team waren, machten ihnen es nicht leicht, doch wenn er eins von den Spielen während seiner Oberschulzeit und dem Training mit Seiji gelernt hatte, war es jede noch so kleine Möglichkeit in einen perfekten Pass, eine gute Annahme oder ein überragendes Zuspiel zu verwandeln. Dank Seijis Geduld hatte er viel gelernt. Ohne prallen zu wollen, konnte er nun behaupten, im punkto Geschwindigkeit mit dem Karottenkopf der Karasuno mithalten zu können. Und genau das brachte den entscheidenden Ausschlag. Tobio war also nicht der Einzige, der etwas von dem Minustempo verstand.

Das Spiel war vorbei. Ausgelaugt und erschöpft sollte er eigentlich wie die anderen auch, sich auf den Boden fallen lassen, doch ein Blick auf die andere Seite des Netzes ließ ihn weiterhin aufrecht stehen. Dort keuchten und schnauften sie die beiden, die Toru in den letzten Wochen das Leben zur Hölle gemacht hatten. Er stand als einziger noch aufrecht und zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich endlich überlegen.

Erinnerungen überschwemmten seinen Verstand und sein Magen krampfte sich unmerklich zusammen. Er sah vor seinem geistigen Auge seinen Vater, wie er auf ihn einprügelte. Er sah, wie er Seiji vergraulte. Er sah, wie er im Camp ankam und er sah, wie die beiden im Zimmer verschwanden. Er sah Seiji vor ihm auf die Knie gehen. Er sah, was er mit Onodera getan hatte. Doch vor allem sah er, wie Seiji sich immer wieder bemühte, ihm mit Volleyball einen Weg wies und er verstand, dass Seiji Volleyball mochte, doch im Grunde spielte der einstige Zuspieler nur noch für ihn.

Das Herz wurde ihm leichter und ein helles, aufrichtiges Lachen kam über seine Lippen. Er hatte endlich das gefunden, wonach er immer schon gesucht hatte und die Sache mit Onodera oder Ito-San waren ihm völlig egal. Er hakte es ab, auch wenn es ihm schwerfiel in Onoderas Nähe zu sein.

Seine Euphorie wurde jedoch gedämpft, als er eine Stimme hörte, mit der er an diesem Ort mal so gar nicht gerechnet hatte. Sein Vater applaudierte ihm zu, sprach mit dem Coach und rief seinen Namen. Auch Seiji hatte es bemerkt. Toru hatte Angst, er könnte verschwinden. Selbstzweifel und Panik machten sich schnell in ihm breit. Die Achterbahn der Gefühle ging weiter und nun waren sie an einen Abschnitt angelangt, der unangenehm wurde. Wie ein Sturz aus einem hoch gelegenen Fenster sah Toru den Boden der Tatsachen auf sich zurasen und es gefiel ihm nicht, dass sein Sicherheitsnetz, welches aus Seiji bestand, so unglaublich weit weg zu sein schien.

Noch bevor Toru jedoch bei seinem Vater angelangt war, gesellte sich Seiji bereits zu ihnen. Er stellte sich vor und sein Vater riss überrascht die Augen auf. Er biederte sich nahezu an und Toru wurde bei dem Anblick schlecht, zudem verstand er nicht so recht, bis ihm aufging, dass er zwar wusste, dass er mit einem Mann zusammen gewesen ist, sein Vater und er jedoch nie einen Namen erwähnt hatten. Konnte es sogar sein, dass er Seiji nicht einmal richtig damals gesehen hatte?

Dieser und noch viele weitere Gedanken schossen ihm durch den Kopf und er atmete für eine kurze Weile ruhig ein und aus, zumindest bis Onodera auf ihre kleine Gruppe zukam und Seiji sich vor ihm stellte. „Jetzt" dachte Toru, jetzt war der Moment sicherlich gekommen, an dem sein Vater alles erfuhr und sein Leben sowie er es kannte vorbei war. Doch auch dieses Mal passierte nichts. Oder zumindest nicht das, was er erwartet hatte. Seiji packte Onodera am Kragen und zog ihn zu Ito-San, wo er den beiden etwas zu zischte und mit einem charmanten Lächeln wiederkam. Seinem Vater erklärte er, dass diese beiden Idioten aus seinem alten Team ständig das Spezialtraining, welches er mit Toru absolviert hatte, unterbrachen, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Sein Vater schien es Seiji abzukaufen und zu dritt sprachen sie erneut mit dem Coach der Nationalmannschaft, der ihn gratulierte zu diesem formidablen Sieg.

Haikyuu FF -Kann es wirklich Liebe sein?-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt