Krankenbesuch

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Doch statt in den Unterricht zu gehen erwartete mich etwas anderes als wir am Klassenzimmer für Verwandlung ankamen. Professor McGonagall erwartete mich bereits.
„Ms Potter, auf ein Wort", sagte sie als ihr Blick auf mich viel. Ich warf den anderen einen fragenden Blick zu ehe ich unserer Professorin folgte.
„Professor Yang ist heute morgen angekommen und erwartet Sie bereits", teilte McGonagall mir mit und führte mich zu einem Klassenzimmer am Ende des Korridors. „Sie sind für meinen Unterricht freigestellt und für den Fall werde ich auch Hagrid informieren."
Immer noch etwas betäubt von der Wahrsagenstunde nickte ich. McGonagall warf mir einen besorgten Blick zu ehe sie sich umwandte und zu ihrem eigenen Klassenzimmer zurück ging. Unsicher blieb ich vor der Tür des Klassenzimmers stehen. Ich hatte den ganzen Morgen nicht mehr an die Zugfahrt und den Angriff des Dementors gedacht. Jetzt schien das alles mit einem Schlag wiederzukommen und mir war als könnte ich die eisige Kälte der Wesen wieder spüren.
Ich schüttelte einmal den Kopf, versuchte die Gedanken zu vertreiben und öffnete die Tür.
Ava saß auf einem der vielen Tische und sah nachdenklich und Stirnrunzelnd aus einem großen Fenster links von ihr. Als ich den Raum betrat fiel ihr Blick auf mich und sie lächelte leicht.
„Hallo Lucy", begrüßte sie mich.
„Hey Ava", sagte ich und setzte mich neben sie. Jetzt konnte ich auch sehen was genau sie so beobachtet hatte. Wir waren in einem der höher gelegenen Klassenzimmer und vom Turm aus konnte man Hogwarts gut überblicken. Schattenhafte Wesen flogen um die alten Gemäuer und ein beklommenes Gefühl machte sich in mir breit.
„Kein schöner Anblick was?", sagte Ava bitter. „Ich habe gehört du hattest bereits eine Begegnung mit einem Dementor."
Mühsam wandte ich den Blick von den Dementoren ab und sah zurück zu Ava.
„Ja im Zug", sagte ich leise. „Bin bewusstlos geworden", fügte ich noch leiser hinzu.
„Dafür brauchst du dich nicht zu schämen", meinte Ava streng und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Dementoren gehören zu den übelsten Kreaturen, die auf der Erde wandeln. Sie verseuchen die dunkelsten, schmutzigsten Orte, sie frohlocken inmitten von Zerfall und Verzweiflung, sie saugen Frieden, Hoffnung und Glück aus der Luft um sie her. Selbst die Muggel spüren ihre Nähe, wenn sie auch die Dementoren nicht sehen können. Kommst du einem Dementor zu nahe, saugt er jedes gute Gefühl, jede glückliche Erinnerung aus dir heraus. Wenn er kann, nährt sich der Dementor so lange von dir, bis du nichts weiter bist als er selbst; seelenlos und böse. Und dir bleiben nur die schlimmsten Erfahrungen deines Lebens. Und das Schlimmste, was dir passiert ist, Lucy, würde jeden anderen ebenfalls vom Besen hauen. Du brauchst dich dessen nicht zu schämen", erklärte Ava und sah mich ernst an. Ich sah auf meine Hände.
„Ich hab eine Frau schreien gehört", flüsterte ich. „Kurz bevor ich das Bewusstsein verloren habe."
Ich nahm einmal tief Luft. „Ich glaube es war Mum... Damals als ich zu dem Zeitpunkt gereist bin wo Voldemort meine Eltern tötete habe ich Mum auch schreien gehört. Ich habe ihre Stimme erkannt..."
Ich wurde beim sprechen immer leiser so dass ich am Ende nicht mal wusste ob Ava überhaupt verstand was ich gesagt hatte.
„Ich werde mal mit Remus sprechen", sagte Ava grübelnd. „Vielleicht kann er dir ein wenig über Dementoren verraten und dir vielleicht ein paar Abwehrmaßnahmen beibringen."
„Remus?", fragte ich verwirrt was Ava schmunzeln ließ.
„Professor Lupin, euer neuer Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste", erklärte sie. Ich hob eine Augenbraue.
„Woher kennst du ihn?"
„Das ist eine lange Geschichte die ich leider auf ein anderes Mal verschieben muss."
Ich nickte verstehend. Nicht alles ging mich etwas an und Ava hatte sicher ihre Gründe mir noch nicht von dieser Begegnung zu erzählen.
„Dieser Schrei... hat das mit meiner Gabe zu tun?", fragte ich vorsichtig und sah wie Ava den Kopf schüttelte.
„Es ist viel mehr eine Erinnerung. Dementoren lassen uns unsere schrecklichsten Erinnerungen immer und immer wieder sehen. Viele Zauberer sind deswegen in Askaban verrückt geworden und wer kann es ihnen verübeln?", antwortete Ava und erschauerte einmal. „In dem Moment wo der Dementor dich angegriffen hat hast du vermutlich die letzten Minuten deiner Eltern gesehen und den Schrei deiner Mutter gehört."
Darauf wusste ich nicht was ich sagen wollte. Je mehr ich von den Dementoren erfuhr desto übler wurde mir.
„Warum gibt es solche Wesen überhaupt?"
„Dementoren werden nicht wie Lebewesen geboren, sondern sie entstehen in einer Atmosphäre der Angst", antwortete Ava. „Je mehr Angst und Schrecken auf der Welt herrscht desto mehr Dementoren entstehen. Angst nährt sie und lässt sie wachsen."
Ich erschauderte. Keine schöne Vorstellung. Erneut glitt mein Blick aus dem Fenster zu den vermummten Gestalten auf dem Schlossgelände.
„Wie kann man so lange ihre Nähe ertragen und dann noch genug Kraft haben aus Askaban zu fliehen?", murmelte ich eher für mich. Dennoch antwortete Ava mit trauriger Stimme:
„Ich weiß es nicht. Es heißt Sirius Black ist verrückt. Vielleicht stimmt das. Nur ein Wahnsinniger würde es schaffen das zu überstehen..."

Nachdenklich ging ich die Wiesen vor dem Schloss entlang mit dem Ziel den Hagrid zu besuchen da ich seine erste Stunde als Lehrer verpasst hatte. Mir ging so viel im Kopf herum und ich wusste wie sehr mich mich die Anwesenheit von Hagrid beruhigen konnte. Der Regen hatte sich verzogen und der Himmel war klar und blassgrau. Das feuchte Gras unter meinen Füßen federte und platschte leicht als ich über den sanft abfallenden Rasen hinüber zu Hagrids Hütte am Rande des Verbotenen Waldes ging.
An seiner Tür klopfte ich doch niemand antwortete.
„Hagrid?", rief ich und einige Meter weiter hörte ich gedämpft seine Stimme antworten. Ich ging der Stimme nach und fand Hagrid auf einer Mauer sitzend.
„Alles okay Hagrid?", fragte ich leise als der Wildhüter laut schluchzte.
„Vermute mal, 's is 'n Rekord", sagte er mit belegter Stimme. „Haben wohl noch kein' Lehrer gehabt, der nur 'nen Tag lang dabei war."
„Wieso solltest du entlassen werden?", fragte ich verwirrt.
„Is nur 'ne Frage der Zeit nach der Ssache mit Malfoy..."
„Malfoy?"
„Ma'm Pomfrey hat ihn so gut sie konnte zusamm'geflickt", sagte Hagrid dumpf. „Aaber er ssagt, er leide immer noch Todesqualen ... alles in Bandagen ... stöhnt die ganze Zeit ..."
„Hagrid was ist denn passiert?", fragte ich ungeduldig.
„Der Schulbeirat is unnerichtet worden, natürlich", meinte Hagrid niedergeschlagen, meine Frage gänzlich ignorierend. „Die meinen, ich wär zu groß eingestiegen. Hätte die Hippogreife für später aufheben sollen ... lieber mit Flubberwürmern oder so was anfangen sollen... dachte nur, es wär 'ne gute erste Stunde für euch... alles mein Fehler..."
„Ist Draco angegriffen worden?", fragte ich und merkte wie ich blass wurde. Hagrid nickte.
„Dumbledore lässt nicht zu, dass du gefeuert wirst Hagrid okay?", sagte ich sanft und legte dem Halbriesen eine Hand aufs Bein. „Glaube an Dumbledore."
Langsam nickte Hagrid wieder und allmählich schien er sich zu beruhigen.
„Du solltest ihn besuchen gehen", meinte Hagrid nach einer Weile. Fragend sah ich ihn an. Nicht, dass ich das nicht eh vorgehabt hatte aber von unserer Begegnung in den Ferien hatte ich noch niemandem erzählt. Hagrid müsste eigentlich noch denken, dass wir uns nicht leiden konnten. „Er hat deinen Namen gemurmelt als Madam Pomfrey ihn behandelt hat."
Ich spürte wie ich rot wurde.
„Dann werde ich mal nach ihm sehen", murmelte ich. „Bei dir alles wieder okay?"
„Dank dir", antwortete der Halbriese. „Nun geh schon."
Mit einem letzten Blick auf Hagrid machte ich mich auf den Weg zum Krankenflügel.

Mit gemischten Gefühlen betrat ich den Krankenflügel. Schnell fand ich Draco und ging auf sein Bett zu.
„Hey", sagte ich leise. Der Blonde öffnete seine Augen und sah mich überrascht an. Sein Unterarm war mit einer dicken Verbandschicht umwickelt, und lag in einer Schlinge um ihn ruhig zu halten, und seine Lippe war aufgeplatzt. Seine sonst so ordentlich nach hinten gegelten Haare waren zerzaust und hingen ihm vereinzelnd ins Gesicht.
„Alles okay?"
„Es geht schon", antwortete Draco ebenso leise. Erleichtert lächelte ich sanft.
„Ich hab mir schon Sorgen gemacht", sagte ich schmunzelnd und setzte mich auf den Stuhl neben seinem Bett. Auch Draco lächelte leicht.
„Was machst du hier?", fragte er. Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht", murmelte ich und wandte den Blick ab. „Ich hab gehört was passiert ist und wollte nachsehen ob du okay bist." Ich wollte Draco die Peinlichkeit ersparen, dass ich wusste, dass er nach mir gefragt hatte.
„Danke", nuschelte Draco und sah aus dem großen Fenster vor ihm. „Wo warst du eigentlich?"
Ein seufzen verließ meine Lippen und meine Hände verkrampften sich. Ich konnte Draco nicht davon erzählen aber wir freundeten uns grade irgendwie an. Würde er denken, dass ich ihm nicht vertrauen würde? Dabei tat ich es schon... irgendwie zumindest.
„Schon okay", sagte Draco und ich sah zu ihm auf. Seine Augen hatten einen traurigen Ausdruck angenommen.
„Es liegt nicht daran, dass ich dir nicht vertrauen würde", sagte ich schnell. Unwillkürlich legte ich meine Hand auf die gesunde Hand des Älteren der sich auf Grund dieser unerwarteten Berührung verkrampfte. „Ich kann dir nicht davon erzählen, noch nicht. Das Wissen darum ist nicht nur höchst gefährlich für andere sondern vor allem für mich. Bitte vertrau mir", hauchte ich. Draco wandte seinen Kopf wieder zu mir und sah tief in meine Augen. Langsam entspannte er sich und nickte. Dankbar nickte ich ebenfalls leicht, ließ meine Hand aber, aus irgendeinem - selbst für mich unersichtlichem - Grund, auf der seinen liegen.
Und so saßen wir eine Weile einfach stumm nebeneinander. Es war wie damals in den Ferien. Ich genoss es mit dem Blonden zu schweigen. Wir saßen einfach nur da während die Sonne allmählich hinter den Hügeln verschwand...

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt