Auf den Fersen

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Verloren blickte ich die Straße entlang. Ich wusste sofort, dass ich nicht mehr in meiner Zeit war. Mit der Zeit hatte ich ein Gespür dafür bekommen, auch wenn es lange her war, dass ich unwillkürlich gereist war.
Die Sonne schien friedlich vom wolkenlosen Himmel hinab. Neugierig schlich ich die Straße entlang, lugte hinter alte Tonnen und in die Schaufenster von Geschäften hinein doch alles schien gänzlich normal. Ein paar Muggel saßen in einem kleinen Café und unterhielten sich angeregt über etwas was ich nicht verstehen konnte. Umso besser konnte ich dafür das Titelblatt der Muggelzeitung sehen, dass einer von ihnen kurz hochhielt, vermutlich um eine Aussage zu unterlegen.
Sirius Black immer noch auf freiem Fuß!
Ich war zu weit weg um den kleinen Absatz darunter zu lesen doch das ausgemergelte Gesicht und die eingefallen Augen waren unverkennbar.
Ich zuckte zusammen als etwas neben mich trat. Ich neigte den Kopf und erkannte ihn. Es war der Hund, Sirius Black.
„Wer bist du Sirius?", flüsterte ich leise ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
Sirius trottete auf eine alte Mülltonne zu und fischte mit seiner Schnauze eine alte Zeitung daraus hervor. Es war eine Ausgabe des Tagespropheten, erkannte ich beim näheren betrachten. Holte er sich so seine Infos? Sirius wusste also, dass das Ministerium ihm zwar hinterher jagte aber sie eigentlich überhaupt keine Ahnung hatten wo er steckte. ‚Woher auch?', murmelte eine Stimme in mir. ‚Du bist der einzige der weiß, dass er ein Animagus ist.'
Ob ich es jemanden erzählen sollte? Vermutlich doch etwas hielt mich zurück. Ich ahnte, dass hinter der Geschichte so viel mehr steckte als bekannt war.
Ich folgte dem Hund als er tief in den Wald lief und sich zurück in den Menschen verwandelte der er war. Die schulterlangen Haare hingen ihm zerzaust und verfilzt ins Gesicht, seine Kleidung war verschlissen, teilweise zerrissen und zerstört, und der dicke Mantel hing lose über seinen knochigen Schultern. Aufmerksam betrachtete er die Gegend mit seinen eingefallenen grauen Augen. Sein Blick blieb kurz an mir hängen, fast als spüre er, dass ich da war was eigentlich unmöglich war. Ich sah direkt in seine Augen. Wachsam, bereit zum Angriff, wie ein Hund. Doch ich erkannte keinen Hass oder gar Mordlust in seinen Augen. Er sah zielstrebig aus, als wäre er auf einer Mission.
‚In Hogwarts... In Hogwarts...', fiel mir sein Gemurmel wieder ein. Auf Grund dessen ging Fudge davon aus Black wäre hinter Harry und mir her doch unwillkürlich fragte ich mich ob das wirklich sein Ziel war. Welchen Grund könnte er haben uns zu töten?
Im Normfall bekommen wir diese Visionen wenn jemand in Not ist und wir ihn retten könnten oder wenn jemandem Unrecht widerfahren ist was wir aufklären können", rief ich mir ins Gedächtnis was Ava über unsere Gabe erzählt hatte. Wer war dieser Mann den alle als Massenmörder fürchteten? Was war es, dass mein und sein Schicksal zu verbinden schien? Jedes Mal wenn ich ihn getroffen hatte rief er um Hilfe. Ob ich ihm helfen konnte? Durfte ich einen entflohenen Häftling helfen der als Mörder angeklagt war?
Während ich in Gedanken versunken war hatte sich Sirius wieder in einen Hund verwandelt und starrte nun - einige Meter weiter weg - auf ein Schild.
Hogsmead - 200 Meilen*
Er war ganz in der Nähe. Er warf einen kurzen Blick zurück und preschte dann los. Es war unfassbar wie schnell er war. Ich hatte bloß einmal geblinzelt und schon war er weg. Einen Moment stand ich noch dort und sah an den Punkt an dem der Hund verschwunden war ehe ich mich wieder zurück in meine Zeit begab.

„Alles okay?", hauchte George mir zu. Es dauerte einen Moment ehe ich wieder wusste wo ich mich befand. Wir saßen in der großen Halle beim Mittagessen. Ich, wie so oft, zwischen Fred und George und Harry und Ron uns gegenüber die mich kritisch musterten.
„Alles okay", antwortete ich und warf den Zwillingen einen Blick zu.
„Wie lange war ich weg?", hauchte ich George so leise zu, dass ich hoffte Ron und Harry würden es nicht verstehen.
„Nur ein paar Sekunden", antwortete er mir. Ron hatte sich schon wieder seinem Essen zugewandt doch Harry, der unser Gespräch wohl doch gehört hatte, sah mich fragend an.
„War das...?"
„Ja", unterbrach ich ihn schnell mit einem Blick zu Ron. Harry verstand, nickte und wandte sich nun ebenfalls wieder seinem Essen zu. Ein seufzen verließ meinen Mund. Ich verstand warum ich das hatte sehen müssen, es war eine Warnung, dass Sirius immer näher kam, dennoch würde es mich in Schwierigkeiten bringen wenn ich weiterhin unkontrolliert reisen würde. Ich musste in Zukunft wirklich besser aufpassen.
„Hey", sagte Seamus Finnigan der zu uns getreten war.
„Hey was gibts?", fragte ich und sah zu ihm als er sich neben Harry niederließ.
„Habt ihr es schon gehört?", fragte er und sah bedeutungsvoll in die Runde. „Es kam heute Morgen im Tagespropheten! Sie glauben, Sirius Black sei gesehen worden!"
„Wo?", kam es von Harry und Ron wie aus einem Munde. Ich sah wie Draco am gegenüberliegenden Tisch aufsah, aufmerksam lauschte und aussah als wolle er etwas sagen.
„Nicht allzu weit von hier", antwortete Seamus aufgeregt. „Eine Muggel hat ihn gesehen. Natürlich hatte sie im Grunde keine Ahnung. Die Muggel glauben doch, er sei ein gewöhnlicher Verbrecher, oder? Jedenfalls hat sie den Notruf gewählt. Aber als die Leute vom Zaubereiministerium auftauchten, war er verschwunden."
„Nicht allzu weit von hier...", wiederholte Ron und blickte Harry viel sagend an. Ich spürte, dass auch die Zwillinge mir Blicke zuwarfen die ich gekonnt ignorierte. Ich nickte unauffällig Draco zu und stand auf.
„Ihr wartet hier!", sagte ich ernst zu den Zwillingen die widerwillig nickten. Mit schnellen Schritten verließ ich die Halle. Draco folgte mir ein paar Minuten später.
„Was ist los?", fragte ich den Slytherin zu der kurz zögerte.
„Was weißt du über Sirius Black?", fragte er.
„Nicht viel", antwortete ich. „Man denkt, er wäre hinter Harry und mir her."
Draco nickte langsam.
„Weißt du auch warum?"
Überrascht sah ich ihn an und schüttelte mit dem Kopf. Draco's Augen verengten sich und er biss sich auf die Lippe. Es dauerte eine Weile bis er wieder zum sprechen ansetzte.
„Es heißt er ist schuld an dem Tod..."
Doch weiter kam er nicht als Harry, Ron und die Zwillinge um die Ecke kamen und zu uns sahen. Ihre Gesichter wandten sich von Überraschung über Verwirrung zu Wut.
„Was willst du Malfoy", zischten die Zwillinge. Der Blonde würdigte keinen von ihnen auch nur eines Blickes als er sich umdrehte und losging. Ich packte ihn am Arm und zog ihn zu mir so dass er nur wenige Millimeter vor mir stand. Fest sah ich in die mausgrauen Augen.
„Später!", raunte ich ihm so leise zu, dass ich für einen Moment nicht mal sicher war, dass er es verstanden hatte bis er kaum merklich nickte. Ich ließ ihn los und sah ihm nach.
„Was wollte das Wiesel?", fragte Ron doch die Antwort blieb ich ihm schuldig.

*200 Meilen sind ca 322 Kilometer.

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt