Die wahre Geschichte 2

126 7 1
                                    

„Unser Vater war ein Animagi?", fragte ich verblüfft. Auch Harry schien von dieser Nachricht überrumpelt zu sein.
„Ja", antwortete Lupin. „Allerdings brauchten sie fast drei Jahre, um herauszufinden, wie man es anstellt. Dein Vater und Sirius hier waren die klügsten Schüler in Hogwarts und das war ein Glück, denn die Verwandlung in einen Animagus kann fürchterlich schiefgehen. Das ist ein Grund, weshalb das Ministerium alle, die es versuchen, scharf im Auge behält. Peter hätte es ohne die Hilfe von James und Sirius nicht geschafft. Doch dann, in unserem fünften Jahr in Hogwarts, schafften sie es. Sie konnten sich willentlich in verschiedene Tiere verwandeln."
„Aber wie konnten sie Ihnen damit helfen?", fragte Hermine verwirrt.
„Als Menschen konnten sie mir nicht Gesellschaft leisten, also taten sie es als Tiere", sagte Lupin. „Ein Werwolf ist nur für Menschen gefährlich. Jeden Monat schlichen sie sich unter James' Tarnumhang aus dem Schloss. Sie verwandelten sich, Peter, als der Kleinste, konnte unter den peitschenden Weidenzweigen hindurchschlüpfen und den Knoten berühren, der sie erstarren lässt. Dann schlitterten sie hinunter in den Tunnel und kamen zu mir ins Haus. Unter ihrem Einfluss war ich weniger gefährlich. Mein Körper war immer noch der eines Wolfes, doch wenn ich mit ihnen zusammen war, fühlte ich mich eher wie ein Mensch. Nun taten sich, da wir uns alle verwandeln konnten, die spannendsten Möglichkeiten vor unseren Augen auf. Bald verließen wir die Heulende Hütte und streiften nachts über das Schlossgelände. Sirius und James verwandelten sich in so große Tiere, dass sie einen Werwolf mühelos in Schach halten konnten. Ich glaube nicht, dass je ein Hogwarts-Schüler mehr über das Schloss und die Ländereien herausgefunden hat als wir. Und so beschlossen wir, die Karte des Rumtreibers zu schreiben und sie mit unseren Spitznamen zu unterzeichnen. Sirius ist Tatze. Peter ist Wurmschwanz. James war Krone."
„So ist das also", grinste ich. „Wir haben diese Karte zufällig in die Hände bekommen."
Lupin nickte.
„Ich habe sie Harry abgenommen nach seinem letzten Spaziergang nach Hogsmead", sagte er und sah verstimmt aus.
„Das war aber immer noch sehr gefährlich! Mit einem Werwolf in der Dunkelheit umherzulaufen. Was, wenn Sie den andern entwischt wären und jemanden gebissen hätten?", fragte Hermine und lenkte so die Gedanken wieder auf die Geschichte.
„Der Gedanke daran lässt mich noch heute nicht los", sagte Lupin bedrückt. „Und viele Male wäre es um ein Haar passiert. Hinterher haben wir darüber gelacht. Wir waren jung, unbesonnen – wir dachten, mit unserem Scharfsinn könnten wir alles machen. Natürlich fühlte ich mich manchmal schuldig, weil ich Dumbledores Vertrauen missbraucht hatte - er hatte mich in Hogwarts aufgenommen, jeder andere Schulleiter hätte mich abgelehnt, und er hatte keine Ahnung, dass ich die Regeln, die er festgelegt hatte, um mich und andere zu schützen, verletzte. Er hat nie erfahren, dass ich drei Mitschüler dazu verleitet hatte, Animagi zu werden, was verboten war. Doch ich habe es immer wieder geschafft, meine Schuldgefühle zu verdrängen, wenn ich den Plan für unser Abenteuer im nächsten Monat ausheckte. Und darin hab ich mich nicht geändert."
Lupins Gesicht verhärtete sich, Selbsthass lag nun in seiner Stimme.
„Das ganze Jahr über habe ich mich mit dem Gedanken gequält, ob ich Dumbledore nicht sagen sollte, dass Sirius ein Animagus ist. Doch ich hab es nicht getan. Warum? Weil ich zu feige war. Denn dann hätte ich zugeben müssen, dass ich damals als Schüler sein Vertrauen missbraucht hatte, zugeben müssen, dass ich auch andere dazu angestiftet hatte ... und dass Dumbledore mir vertraut, bedeutet mir unendlich viel. Er hat mich als Junge nach Hogwarts geleitet, er hat mir eine Stelle verschafft, während ich doch mein ganzes Erwachsenenleben über von allen gemieden wurde und nie eine Arbeit finden konnte, weil ich nun einmal so bin. Deshalb habe ich mir selbst eingeredet, Sirius würde mit Hilfe schwarzer Magie, die er von Voldemort gelernt hat, in die Schule eindringen können, habe mir eingeredet, es hätte nichts damit zu tun, dass er ein Animagus ist ... deshalb hatte Snape in gewisser Weise immer Recht mit dem, was er von mir hielt."
Ich sah zu Boden. Zu gut wusste ich wovon er redete. Auch ich hatte gewusst, dass Sirius ein Animagus war. Etliche Male hatte ich überlegt es Dumbledore zu sagen und hatte es doch nicht getan. Die Schuldgefühle die er hatte, kannte ich selber am besten.
„Professor Snape war mit uns auf der Schule, müsst ihr wissen. Er sträubte sich erbittert dagegen, dass ich die Stelle als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste bekam. Er hat Dumbledore das ganze Jahr über immer wieder versichert, er dürfe mir nicht vertrauen. Er hat seine Gründe - ihr müsst wissen, Sirius hat ihm damals einen Streich gespielt, der ihn fast umgebracht hätte, und ich war dabei..."
Sirius grunzte hämisch.
„Geschah ihm recht", krächzte er. „Hat rumgeschnüffelt und wollte rausfinden, was wir vorhatten ... er wollte doch nur, dass wir von der Schule fliegen."
„Snape war sehr erpicht darauf zu erfahren, wohin ich jeden Monat verschwand", erzählte Lupin weiter ohne dem Kommentar von Sirius weitere Beachtung zu schenken. „Wir waren im selben Jahrgang, wisst ihr, und wir – ähm – mochten uns nicht besonders. Vor allem gegen James hegte er eine Abneigung. Er war wohl neidisch, weil James im Quidditch so begabt war ... Jedenfalls hatte Snape mich eines Abends, kurz vor Vollmond, mit Madam Pomfrey übers Gelände gehen sehen, die mich immer zur Peitschenden Weide führte. Sirius hielt es für eine – ähm – lustige Idee, Snape zu sagen, er müsse nur den Knoten an der Peitschenden Weide mit einem langen Stecken berühren und dann könne er mir folgen. Nun, natürlich hat Snape es probiert – und wenn er bis zu diesem Haus gekommen wäre, dann hätte er es mit einem ausgewachsenen Werwolf zu tun bekommen –, doch dein Vater, der hörte, was Sirius getan hatte, lief Snape hinterher und schleifte ihn zurück, unter großer Gefahr für sein eigenes Leben ... Allerdings hat Snape noch einen Blick auf mich erhascht, wie ich am Ende des Tunnels verschwand. Dumbledore hat ihm verboten, es irgendjemandem zu sagen, doch von da an wusste er, dass ich..."
„Und aus diesem Grund kann Snape Sie nicht leiden?", sagte Harry langsam. „Weil er dachte, Sie hätten von Sirius' Scherz gewusst?"
Ich sah zu dem Bewusstlosen Snape hinüber. Mit einem Mal bemitleidete ich ihn. Es war nicht richtig von Sirius gewesen doch, dass Snape so verbittert war lag bestimmt daran, dass er immer noch diesen Groll in sich trug.
Aus dem Augenwinkeln sah ich wie Sirius meinen Blick folgte.
„Das klingt alles ziemlich verrückt", murmelte Harry und zog damit die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Dann ist es an der Zeit, dass wir es dir beweisen", sagte Sirius. „Du, Junge – gib mir Peter. Sofort."
Ron drückte Krätze noch fester an die Brust.
„Hören Sie auf damit", sagte er mit schwacher Stimme. „Wollen Sie sagen, Sie sind aus Askaban geflohen, nur um Krätze in die Hände zu kriegen? Das ist doch ..."
Er sah Hilfe suchend zu Harry und Hermine auf.
„Gut, sagen wir, Pettigrew konnte sich in eine Ratte verwandeln – es gibt Millionen von Ratten – wie soll er wissen, hinter welcher er her ist, wenn er in Askaban sitzt?"
„Wenn ich's mir überlege, Sirius, dann ist das eine berechtigte Frage", sagte Lupin und wandte sich mit leichtem Stirnrunzeln Sirius zu. „Wie hast du eigentlich rausgefunden, wo er steckte?"
Sirius schob eine seiner Hände in den Umhang, zog ein zerknülltes Stück Papier hervor, strich es glatt und hielt es für die anderen hoch. Neugierig betrachtete ich es. Es war das Foto von den Weasleys, das im vorigen Sommer im Tagespropheten erschienen war, und da, auf Rons Schulter, saß Krätze.
„Wie hast du das in die Finger bekommen?", fragte Lupin wie vom Donner gerührt.
„Fudge", antwortete Sirius. „Letztes Jahr, bei seinem Kontrollbesuch in Askaban, gab er mir seine Zeitung. Und da war Peter, auf der Titelseite ... auf der Schulter dieses Jungen ... ich hab ihn sofort erkannt ... wie oft hatte ich gesehen, wie er sich verwandelte. Und darunter hieß es, der Junge würde bald wieder nach Hogwarts zurückkehren ... wo Harry und Lucy waren..."
Ich erinnerte mich daran was Arthur uns am Anfang des Schuljahres gesagt hatte. Sirius hatte immer wieder gemurmelt: ‚in Hogwarts... in Hogwarts'.
„Mein Gott", sagte Lupin leise und starrte abwechselnd Krätze und das Zeitungsfoto an. „Die Vorderpfote ..."
„Was soll damit sein?", fragte Ron widerwillig.
„Ihr fehlt ein Zeh", sagte Black.
„Die haben nur einen Finger gefunden", murmelte ich und starrte nun selber wie gebannt auf Krätze.
„Kurz bevor er sich verwandelte hackte er sich ihn ab", sagte Black. „Als ich ihn gestellt hatte, schrie er, dass die ganze Straße es hörte, ich hätte Lily und James verraten. Dann, bevor ich meinen Fluch sprechen konnte, hat er mit dem Zauberstab hinter dem Rücken die ganze Straße in die Luft gejagt und alle im Umkreis von zehn Metern getötet – und schließlich ist er mit den anderen Ratten im Kanalloch verschwunden."
„Ach was, Krätze ist wahrscheinlich mit einer anderen Ratte aneinandergeraten. Er ist schon ewig in meiner Familie."
„Zwölf Jahre, um genau zu sein", sagte Lupin. „Hast du dich nie gewundert, warum er so lange lebt?"
„Wir ... wir haben uns gut um ihn gekümmert!", sagte Ron.
„Sieht im Moment allerdings nicht sonderlich gesund aus, oder?", sagte Lupin. „Ich vermute, er verliert Gewicht, seit er gehört hat, dass Sirius wieder auf freiem Fuß ist."
„Er hatte Angst vor diesem verrückten Kater!", sagte Ron und nickte zu Krummbein hinüber, der immer noch schnurrend auf dem Bett lag. Doch das stimmte nicht, fiel mir plötzlich ein ... Krätze hatte schon krank ausgesehen, bevor er auf Krummbein traf ... schon seit Rons Rückkehr aus Ägypten ... seit Sirius geflohen war ...
„Dieser Kater ist nicht verrückt", sagte Sirius mit heiserer Stimme. Er streckte seine knochige Hand aus und streichelte Krummbeins wuschligen Kopf. „Er ist der klügste Kater, den ich kenne. Er hat Peter sofort durchschaut. Und als er mich traf, war ihm auch klar, dass ich kein Hund war. Es dauerte eine Weile, bis er mir vertraute ... schließlich schaffte ich es, ihm mitzuteilen, hinter wem ich her war, und er half mir ..."
„Was wollen Sie damit sagen?", wisperte Hermine.
„Er wollte mir Peter bringen, aber es gelang nicht ... also hat er die Passwörter für den Gryffindor-Turm für mich gestohlen ... ich glaube, er hat sie vom Nachttisch eines Jungen stibitzt. Doch Peter bekam Wind davon und floh", krächzte Black. „Dieser Kater – Krummbein nennst du ihn? – hat mir gesagt, dass Peter Blut auf dem Laken hinterlassen hat... ich denke, er hat sich selbst gebissen... nun ja, seinen eigenen Tod vorzutäuschen hat schon einmal geklappt..."
„Und warum hat er seinen Tod vorgetäuscht?", fragte Harry aufgebracht. „Weil er wusste, Sie würden ihn töten, wie Sie meine Eltern getötet haben!"
„Nein", sagte Lupin, „Harry..."
„Und jetzt sind Sie gekommen, um ihn endgültig zu erledigen!"
„Ja, allerdings", sagte Sirius und warf Krätze einen bösen Blick zu.
„Dann hätte ich Snape freie Hand lassen sollen!", rief Harry.
„Harry", sagte ich ruhig doch er ignoriere mich gänzlich.
„Er war ihr Geheimniswahrer! Er hat es gesagt, bevor Sie kamen, er hat gesagt, dass er sie getötet hat!", brüllte er wie im Wahn und deutete auf Sirius, der nachdenklich den Kopf schüttelte; seine eingesunkenen Augen glänzten plötzlich.
„Harry!", brüllte ich nun ebenfalls. Endlich sah er zu mir. „Sirius ist unschuldig. Hatte ich das nicht bereits gesagt? Er war ihr Geheimniswahrer, ja, beziehungsweise er hätte er sein sollen. Im letzten Moment überredete er Mum und Dad Peter an seiner statt als Geheimniswahrer zu nehmen. In der Nacht, als sie starben... er hatte Angst. Er war dort, hat unser zerstörtes Haus und die Leichen gesehen. Ich habe seinen Schmerz gesehen und die Schuld. Es war nicht Sirius!"
Während Sirius mich ansah als wäre ich ein Alien aus einer anderen Welt und Ron und Hermine aussahen als würden sie nun gar nichts mehr verstehen konnte ich den Blick mit dem Harry mich bedachte nicht lesen.
„Genug davon", sagte Lupin und etwas Stählernes lag in seiner Stimme, wie ich es von ihm nicht kannte. „Es gibt nur einen sicheren Weg, um zu beweisen, was wirklich geschehen ist. Ron, gib mir diese Ratte."
„Was werden Sie tun, wenn ich sie Ihnen gebe?", fragte Ron angespannt.
„Ihn zwingen, sich zu zeigen", antwortete Lupin. „Wenn das wirklich eine Ratte ist, tut es ihr nicht weh."
Ron zögerte, streckte aber die Hand mit Krätze aus. Lupin packte die Ratte. Krätze begann verzweifelt zu quieken und wehrte sich beißend und kratzend gegen Lupins Griff.
„Bereit, Sirius?", fragte er. Schon hatte Sirius Snapes Zauberstab vom Bett genommen. Er trat auf Lupin und die sich windende Ratte zu, und seine feuchten Augen schienen plötzlich in ihren Höhlen zu brennen.
„Zusammen?", fragte er leise.
„Ich denke schon", sagte Lupin und packte Krätze fest mit der einen, den Zauberstab mit der andern Hand. "Ich zähle bis drei. Eins – zwei – DREI!"
Blauweiße Blitze knisterten aus beiden Zauberstäben hervor; einen Moment blieb Krätze in der Luft schweben, die kleine schwarze Gestalt krampfartig zuckend. Ron schrie auf, dann fiel die Ratte zu Boden. Ein weiterer blendend heller Lichtstrahl und dann...
Es war wie in Zeitraffer einem Baum beim wachsen zuzusehen. Vom Fußboden wucherte ein Kopf empor, dann ein Körper aus dem Glieder sprossen, und schon stand da, wo Krätze gelegen hatte, sich krümmend und händeringend, ein Mann. Krummbein drüben auf dem Bett fauchte und knurrte mit gesträubten Rückenhaaren.
Es war ein sehr kleiner Mann, kaum größer als Harry oder ich. Um einen großen kahlen Kreis auf dem Kopf fand sich noch ein wenig dünnes, farbloses Haar. Er machte den schmächtigen Eindruck eines pummeligen Mannes, der in kurzer Zeit viel Gewicht verloren hatte. Seine Haut wirkte schmuddlig, fast wie Krätzes Fell, und seine spitze Nase und die sehr kleinen, wässrigen Augen erinnerten an eine Ratte. Das war also Peter Pettigrew.

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt