Wiedervereint

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Mit zitternden Knien betrat ich den Pup. Der tropfenden Kessel war seit je her ein Treffpunkt für alle Arten von Hexen und Zauberern - nicht zuletzt, da in seinem Hinterhof einer der Eingänge zur magischen Welt, der Winkelgasse, lag. Zu so später Stunde war ich allerdings nie hier gewesen.
Im halbdunkeln wirkte der Pup schäbig und gruselig. In einer Ecke hatten sich ein paar Zwerge versammelt, die sich mit sauren Mienen angeregt über etwas stritten, und dabei eher den Eindruck erweckten sie würden sich jeden Moment gegenseitig an die Gurgel gehen als sich zu unterhalten. Etwas weiter weg von ihnen hatte sich eine zwielichtig aussehende Hexe, mit Hakennase und dunklem Umhang, und ein Zauberer an einen kleinen Tisch verdrückt der lediglich von dem Schein einer kleinen Kerze erhellt wurde. Ich konnte es nicht richtig erkennen doch die Gegenstände über die sich der Zauberer mit neugierigen Blick beugte sahen nicht grade günstig aus.
Bevor ich mich weiter umsehen konnte zog Ava mich zu dem kleinen Tresen auf der rechten Seite an der uns Tom, der Wirt des Pups, schon erwartete.
Tom war ein kahlköpfiger Mann dem fast sämtliche seiner Zähne fehlten. Er lief immer leicht gebückt und sah aus als hätte der Zahn der Zeit ihm übler mitgespielt als nötig gewesen wäre. Dennoch hatte ich ihn stets höflich und gut gelaunt in Erinnerung und auch die Besucher schienen den Wirt zu mögen.
„Oh die junge Ms Potter", sagte Tom als er mich erkannte und lächelte mich freundlich an.
„Hallo Tom", meinte ich und erwiderte das Lächeln.
„Was darf für euch sein?", fragte er und sah nun zu Ava.
„Ein Zimmer für die junge Dame", antwortete Ava und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Kommt sofort", meinte Tom und kramte hinter seinen Tresen. Er zog einen Schlüssel hervor und reichte ihn mir. Auf einem kleinen schwarzen Anhänger prangte in goldenen Ziffern die Nummer 10.
„Es ist das Zimmer neben deinem Bruder", zwinkerte Tom mir zu.
„Er ist schon hier?", fragte ich aufgeregt.
„Eben angekommen", antwortete Tom. „Sein Zimmer ist die 11."
Dankbar nickte ich Tom zu und zog Ava mit hoch zu den Zimmern des Pups. Obwohl ich nichts lieber wollte als Harry zu sehen verstaute ich erst einmal mein Koffer in dem kleinen Zimmer. Es war nicht sonderlich groß aber das war mir egal. Außer einem Bett unter einem kleinen Fenster, einem Tisch mit zwei Stühlen und einem Kleiderschrank war das Zimmer leer. Ich stellte den Koffer neben dem Bett ab und kramte Harrys Geschenk daraus. Eigentlich hatte ich es ihm in Hogwarts geben wollen doch nun konnte ich es ihm genauso gut jetzt geben auch wenn wir mittlerweile weit nach null Uhr hatten und unser Geburtstag so schon vorbei war.
„Kommst du dann zurecht?", fragte Ava worauf ich nickte.
„Ja geh ruhig", sagte ich und grinste sie an als ich das Geschenk gefunden hatte. „Ich werd zu Harry rüber gehen und Ava?"
„Hm?"
„Danke! Auch dafür, dass du dich bei Sev für mich eingesetzt und mich hier her gebracht hast."
Ava lächelte mich liebevoll an und erneut erinnerte es mich daran, dass wir eine weitaus stärkere Bindung als bloß Schüler und Lehrer hatten. Ava war wie eine Tante für mich, eine Freundin, und ich wusste, dass ich auch ihr weitaus mehr bedeutete als eine bloße Schülerin.
„Wir sehen uns", sagte sie zum Abschied und verschwand dann aus dem Raum. Ich blieb noch einen Moment vor meinem Koffer sitzen und starrte einfach nur in den Raum hinein. Das würde für die nächsten vier Wochen mein Zuhause sein bis das neue Schuljahr starten würde. Das ganze war jetzt doch irgendwie schneller gegangen als ich es wirklich realisiert hatte. Es würde das erste mal sein, seit Snape mich damals mitgenommen hatte, dass ich die Ferien alleine sein würde.
Nicht ganz alleine, wisperte mein Unterbewusstsein und lies mich wieder grinsen. Stimmt, nicht ganz alleine. Ich würde die nächsten vier Wochen hier mit Harry sein und einfach die Zeit genießen. Ich warf einen letzten Blick in den Raum ehe ich aufstand, aus dem Zimmer ging und an Harrys Zimmer klopfte. Keine Sekunde später öffnete er die Tür und grinsend hielt ich ihm das kleine Päckchen hin.
„Alles gute nachträglich Brüderchen!", rief ich und musste mich zusammen reißen bei seinem verdutzten Gesicht nicht loszulachen.
„Was machst du denn hier?", fragte er überrascht als er sich wieder gefangen hatte und umarmte mich flüchtig ehe er mich einließ und das Geschenk annahm. Harrys Zimmer war exakt wie das meine nebenan geschnitten und besaß die selben Möbel. Ich ließ mich auf sein Bett fallen und sah zur Decke hinauf an der vereinzelt Holzsplitter abstanden. Für einen kurzen Moment fragte ich mich wie alt der tropfenden Kessel wohl schon war ehe Harry in mein Blickfeld trat und sich neben mich setzte.
„Lange Geschichte", antwortete ich auf seine Frage und winkte ab. „Mach schon auf!"
Harry schüttelte grinsend den Kopf und machte sich daran sein Geschenk zu öffnen. Ich hatte ihm dieses Jahr - wie auch Ginny und Ron die Jahre zuvor - neue Umhänge besorgt deren Kragenrand seinen Namen zusammen mit dem Symbol der Sonne und des Mondes zierte. Beigelegt hatte ich ein kleines Buch über Zauber und Flüche von dem ich gedacht hatte es könnte ihm gefallen.
„Danke!", sagte Harry mit funkelnden Augen was mich schmunzeln lies.
„Freut mich, dass es dir gefällt."
„Ich hab leider überhaupt nichts für dich", murmelte Harry leicht verlegen. Ich winkte ab.
„Ich weiß, dass du in den Ferien nicht in diese Welt kommen kannst", sagte ich lächelnd. „Mach dir keinen Kopf. Ich bin einfach froh, die restlichen Ferien mit dir verbringen zu dürfen."
„Du bleibst die restlichen Ferien hier?", fragte er überrascht und seine Augen strahlten. Begeistert nickte ich.
„Ich hab das Zimmer direkt neben dir von Tom bekommen. Es hat zwar eine Weile gedauert Sev davon zu überzeugen aber schließlich hat er dank der Hilfe von Ava grummelnd zugestimmt", kicherte ich.
„Ich wollte dich was fragen", murmelte Harry plötzlich und sah zu Boden. Ich horchte verwirrt auf.
„Was ist los?"
„Das was Riddle letztes Jahr in der Kammer gesagt hat... dass du in die Vergangenheit reisen kannst..."
Ich sah zu Boden. Diesmal hatte er es also wirklich mitbekommen.
„Du fragst dich ob es stimmt", seufzte ich. Ich hatte ja gewusst, dass er früher oder später darüber reden wollen würde. Harry sah mich nun an und nickte langsam. Erneut seufzte ich.
„Es stimmt. Ich habe eine besondere Gabe die es mir ermöglicht nicht nur in die Vergangenheit sondern auch in die Zukunft zu reisen", murmelte ich leise. „Es ist eine gefährliche Sache und der Grund warum ich im ersten Schuljahr so lange ohne Bewusstsein war. Deswegen trainiert Ava mich."
„Wie funktioniert das?", fragte Harry neugierig.
„Das ist nicht ganz einfach", gab ich zu. „Diese Reisen zerren an der magischen Kraft einer Hexe oder eines Zauberers. Verbraucht man mit einem Zeitsprung zu viel Magie kann es einen töten. Am Anfang konnte ich es nicht kontrollieren, wäre fast daran gestorben, deswegen hat Dumbledore einen Lehrer für mich gesucht. Dank Ava kann ich es wenigstens soweit kontrollieren, dass ich nicht einfach zufällig Reise und damit versehentlich zu viel Magie verbrauche."
„Du kannst daran sterben?", fragte Harry erschrocken. Ernst nickte ich.
„Sehr leicht sogar, zumindest wenn man es nicht kontrollieren lernt. Mittlerweile spüre ich wann es besser wäre zurück zu kommen und in den meisten Fällen gelingt es mir dann auch wieder zurück zu kommen. Momentan lerne ich wie ich zu bestimmten Personen und Zeitpunkten reisen kann. So konnte ich dich sehen und wusste wo du hin wolltest. Allerdings habe ich ganz schön lange dafür gebraucht und konnte grade mal wenige Stunden in die Zukunft sehen", erzählte ich Harry dessen Augen immer größer wurden.
„Ich wusste nicht, dass du da warst", hauchte er. Ich lächelte schwach.
„Das konntest du auch nicht. Es funktioniert nicht ganz so wie man es vielleicht von den Muggelfilmen kennt. Ich reise ausschließlich mit dem Geist in die Zukunft und nicht mit meinem Körper. Du kannst es dir eher wie eine Vision vorstellen wie als Reise an sich. Ich habe in der Zukunft keinen materiellen Körper", erklärte ich.
„Du kannst also in Geschehnisse nicht eingreifen", meinte Harry und ich nickte.
„Ich sehe lediglich was passiert. Ich habe dich auf der Straße gesehen als der Fahrende Ritter kam und als ich gehört habe wie du Stan gesagt hast, dass du zum tropfenden Kessel wolltest habe ich Sev und Ava Bescheid gesagt. Sev ist direkt zum Ministerium während ich mit Ava hier her kam."
„Daher wusste Fudge also Bescheid", grummelte Harry und sein Gesicht verdunkelte sich. „Ich hatte echt Schiss, dass er mich von der Schule schmeißt und nach Azkaban schickt."
„T'schuldige", murmelte ich verlegen. „Aber ich wusste, dass dich keine Strafe erwartete sonst hätte ich diese Info nicht preisgegeben."
„Weißt du warum ich davon gekommen bin?", fragte Harry hoffnungsvoll doch ich schüttelte den Kopf.
„Sev hat nichts darüber erzählt", meinte ich Schulterzuckend. „Allerdings wundere ich mich mehr darüber, dass Fudge sich persönlich darum gekümmert hat."
Harry wusste darauf keine Antwort und so ließen wir das Gespräch fallen. Nun da Harry Bescheid wusste erzählte ich ihm von dem Training was ich mit Ava in den Ferien gehabt hatte und er erzählte mir dafür von seinen Ferien. Er erzählte davon, wie er nachts unter der Decke seine Hausaufgaben machen musste damit Tante und Onkel nichts davon mitbekamen und schlussendlich wie er die Geduld verloren und Tante Magda - bei der Beschreibung von ihr und ihrer Persönlichkeit rümpfte ich mit der Nase - wortwörtlich an die Decke hatte gehen lassen. Allein bei der Vorstellung daran musste ich lachen und Harry, froh nun alles ohne schlimmere Bestrafungen überstanden zu haben, stimmte in mein Lachen mit ein. Irgendwann, die Sonne begann bereits aufzugehen, beschlossen wir schlafen zu gehen und verabschiedeten wir uns von einander. In meinem Zimmer schaffte ich es grade so mich umzuziehen ehe ich ins Bett fiel und fast sofort in einem tiefen traumlosen Schlaf fiel.

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt